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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte in der Verwendung des Stahls
Wilhelm übergegangen war, kam erst die Reorganisation und
mit ihr die bessere Bewaffnung der preussischen Armee in Fluss.
Der Besuch, den er im ersten Jahre seiner Regierung unmittelbar
nach der Begegnung mit dem französischen Kaiser Napoleon III. in
Baden-Baden, der hierbei aus seinen Gelüsten nach dem linken Rhein-
ufer kein Hehl gemacht hatte, Alfred Krupp und der Kruppschen
Fabrik in Essen am 9. Oktober 1861 abstattete, war für die Zukunft
höchst bedeutungsvoll. Im folgenden Jahre war die Weltausstellung
in London, wo Krupp die grossartigste Ausstellung von Gussstahl-
geschützen vorführte, welche die Welt bis dahin gesehen hatte. Statt
dass aber die Grossstaaten England, Frankreich und Österreich den
von Krupp gezeigten Weg einschlugen, ging ein jeder dieser Staaten
aus Eigensinn und nationalem Dünkel seinen eigenen und einen
anderen Weg. England glaubte mit Vorderladern aus Schmiedeeisen
von ungeheurem Kaliber die grössten artilleristischen Erfolge erzielen
zu können.

Die von Sir Robert Armstrong erfundenen Geschütze waren
aus übereinandergeschobenen längeren und kürzeren Hohlcylindern
(coils) hergestellt. Diese Coils selbst waren durch Zusammenschweissen
spiralförmig aufgewundener Stäbe gebildet. Solche Geschütze wurden
bis 1865 hauptsächlich auf dem grossen, von William Armstrong
geleiteten Werk zu Elswick, welches von 1858 bis 1865 ganz auf Rechnung
der Regierung betrieben wurde, hergestellt. Seit dieser Zeit wurden
die Staatswerkstätten für Kanonenfabrikation nach Woolwich verlegt.

Vor 1865 waren 300-Pfünder die schwersten Schiffskanonen
gewesen. 1865 liess Armstrong 600-Pfünder zur Ausrüstung der
Panzerfregatte Achilles anfertigen. Ein solches Geschütz wog
440 Centner und hatte 90 Pfund Pulverladung. Trotzdem erwiesen
sich diese Geschütze bei dem Versuchsschiessen zu Shoeburyness zu
schwach gegen 20 bis 23 cm Panzerplatten mit Holzfütterung.
Armstrong beschloss deshalb, Geschütze mit noch grösserem Kaliber
herzustellen.

Napoleon hielt an seinen gezogenen Bronzegeschützen fest, welche
Österreich ebenfalls einführte.

Ein wichtiger Fortschritt Krupps war die Erfindung des Keil-
verschlusses an Stelle des früheren unvollständigen Kolbenverschlusses,
den er sich am 29. Oktober 1862 in England patentieren liess.

Man konnte in England vor Krupps grossartigen Leistungen
die Augen zwar nicht ganz verschliessen, suchte dieselben officiell aber
möglichst zu verkleinern, weshalb man ihn auch für seine unver-

Fortschritte in der Verwendung des Stahls
Wilhelm übergegangen war, kam erst die Reorganisation und
mit ihr die bessere Bewaffnung der preuſsischen Armee in Fluſs.
Der Besuch, den er im ersten Jahre seiner Regierung unmittelbar
nach der Begegnung mit dem französischen Kaiser Napoleon III. in
Baden-Baden, der hierbei aus seinen Gelüsten nach dem linken Rhein-
ufer kein Hehl gemacht hatte, Alfred Krupp und der Kruppschen
Fabrik in Essen am 9. Oktober 1861 abstattete, war für die Zukunft
höchst bedeutungsvoll. Im folgenden Jahre war die Weltausstellung
in London, wo Krupp die groſsartigste Ausstellung von Guſsstahl-
geschützen vorführte, welche die Welt bis dahin gesehen hatte. Statt
daſs aber die Groſsstaaten England, Frankreich und Österreich den
von Krupp gezeigten Weg einschlugen, ging ein jeder dieser Staaten
aus Eigensinn und nationalem Dünkel seinen eigenen und einen
anderen Weg. England glaubte mit Vorderladern aus Schmiedeeisen
von ungeheurem Kaliber die gröſsten artilleristischen Erfolge erzielen
zu können.

Die von Sir Robert Armstrong erfundenen Geschütze waren
aus übereinandergeschobenen längeren und kürzeren Hohlcylindern
(coils) hergestellt. Diese Coils selbst waren durch Zusammenschweiſsen
spiralförmig aufgewundener Stäbe gebildet. Solche Geschütze wurden
bis 1865 hauptsächlich auf dem groſsen, von William Armstrong
geleiteten Werk zu Elswick, welches von 1858 bis 1865 ganz auf Rechnung
der Regierung betrieben wurde, hergestellt. Seit dieser Zeit wurden
die Staatswerkstätten für Kanonenfabrikation nach Woolwich verlegt.

Vor 1865 waren 300-Pfünder die schwersten Schiffskanonen
gewesen. 1865 lieſs Armstrong 600-Pfünder zur Ausrüstung der
Panzerfregatte Achilles anfertigen. Ein solches Geschütz wog
440 Centner und hatte 90 Pfund Pulverladung. Trotzdem erwiesen
sich diese Geschütze bei dem Versuchsschieſsen zu Shoeburyness zu
schwach gegen 20 bis 23 cm Panzerplatten mit Holzfütterung.
Armstrong beschloſs deshalb, Geschütze mit noch gröſserem Kaliber
herzustellen.

Napoleon hielt an seinen gezogenen Bronzegeschützen fest, welche
Österreich ebenfalls einführte.

Ein wichtiger Fortschritt Krupps war die Erfindung des Keil-
verschlusses an Stelle des früheren unvollständigen Kolbenverschlusses,
den er sich am 29. Oktober 1862 in England patentieren lieſs.

Man konnte in England vor Krupps groſsartigen Leistungen
die Augen zwar nicht ganz verschlieſsen, suchte dieselben officiell aber
möglichst zu verkleinern, weshalb man ihn auch für seine unver-

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[222/0238] Fortschritte in der Verwendung des Stahls Wilhelm übergegangen war, kam erst die Reorganisation und mit ihr die bessere Bewaffnung der preuſsischen Armee in Fluſs. Der Besuch, den er im ersten Jahre seiner Regierung unmittelbar nach der Begegnung mit dem französischen Kaiser Napoleon III. in Baden-Baden, der hierbei aus seinen Gelüsten nach dem linken Rhein- ufer kein Hehl gemacht hatte, Alfred Krupp und der Kruppschen Fabrik in Essen am 9. Oktober 1861 abstattete, war für die Zukunft höchst bedeutungsvoll. Im folgenden Jahre war die Weltausstellung in London, wo Krupp die groſsartigste Ausstellung von Guſsstahl- geschützen vorführte, welche die Welt bis dahin gesehen hatte. Statt daſs aber die Groſsstaaten England, Frankreich und Österreich den von Krupp gezeigten Weg einschlugen, ging ein jeder dieser Staaten aus Eigensinn und nationalem Dünkel seinen eigenen und einen anderen Weg. England glaubte mit Vorderladern aus Schmiedeeisen von ungeheurem Kaliber die gröſsten artilleristischen Erfolge erzielen zu können. Die von Sir Robert Armstrong erfundenen Geschütze waren aus übereinandergeschobenen längeren und kürzeren Hohlcylindern (coils) hergestellt. Diese Coils selbst waren durch Zusammenschweiſsen spiralförmig aufgewundener Stäbe gebildet. Solche Geschütze wurden bis 1865 hauptsächlich auf dem groſsen, von William Armstrong geleiteten Werk zu Elswick, welches von 1858 bis 1865 ganz auf Rechnung der Regierung betrieben wurde, hergestellt. Seit dieser Zeit wurden die Staatswerkstätten für Kanonenfabrikation nach Woolwich verlegt. Vor 1865 waren 300-Pfünder die schwersten Schiffskanonen gewesen. 1865 lieſs Armstrong 600-Pfünder zur Ausrüstung der Panzerfregatte Achilles anfertigen. Ein solches Geschütz wog 440 Centner und hatte 90 Pfund Pulverladung. Trotzdem erwiesen sich diese Geschütze bei dem Versuchsschieſsen zu Shoeburyness zu schwach gegen 20 bis 23 cm Panzerplatten mit Holzfütterung. Armstrong beschloſs deshalb, Geschütze mit noch gröſserem Kaliber herzustellen. Napoleon hielt an seinen gezogenen Bronzegeschützen fest, welche Österreich ebenfalls einführte. Ein wichtiger Fortschritt Krupps war die Erfindung des Keil- verschlusses an Stelle des früheren unvollständigen Kolbenverschlusses, den er sich am 29. Oktober 1862 in England patentieren lieſs. Man konnte in England vor Krupps groſsartigen Leistungen die Augen zwar nicht ganz verschlieſsen, suchte dieselben officiell aber möglichst zu verkleinern, weshalb man ihn auch für seine unver-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/238>, abgerufen am 21.11.2024.