Stahlnatur nähme, und wies nach, dass Fremy mit unreinem Wasser- stoff, der Wasserdampf enthielt, operiert hatte und dass durch letzteren eine teilweise Entkohlung eingetreten war. Die chemische Analyse bewies, dass ein geringer Stickstoffgehalt dem Stahl nicht eigentümlich sei, sondern dass sich ein solcher auch in Roheisen und Schmiedeeisen finde. Gruner, der Carons Ansicht gegenüber anführte, dass weiches Eisen durch reines, ammoniakfreies Leuchtgas in Stahl cementiert werde, behauptete, dass der Stickstoffgehalt im Stahl nur aus dem Roheisen stammen könne. Dies griff Fremy auf. Gruner widerlegte aber dessen Behauptung, dass die für die Stahlerzeugung besonders geeigneten Roheisensorten mehr Stickstoff enthielten als der daraus bereitete Stahl. Caron nahm dann an, dass der Stickstoff im Eisen nicht direkt mit diesem, sondern mit Silicium oder Titan verbunden sei.
Der Streit zwischen Fremy und Caron spann sich auch 1862 in zahlreichen Aufsätzen in den Comptes rendus (Bd. 52 und 53) und dem Repertoire de chimie appliquee fort. Eine ausführliche Zusammen- stellung des Inhalts dieser Veröffentlichungen von Professor Werther in Königsberg findet man im Journal für praktische Chemie von 1862. Zum Austrag kam der Streit erst, als genaue und zuverlässige Analysen mit genauen Angaben des Stickstoffgehaltes veröffentlicht wurden. Solche lieferte namentlich Bouis1), Boussingault2) und Rammels- berg3).
Bouis untersuchte auf Veranlassung des Generals Morin Stahl, Roheisen und Schmiedeeisen auf Stickstoff, indem er trockenes Wasser- stoffgas über das rotglühende Metallpulver leitete. Er fand in allen Eisensorten geringe Mengen von Stickstoff. Boussingault bediente sich sowohl der oben erwähnten Methode der Verbrennung mit Zinnober als des nassen Weges und fand auf beiden Wegen geringe Mengen Stickstoff: in einem Stahl von Krupp 0,022, in Gussstahl 0,012 und 0,057, in Eisendraht 0,0075 Prozent. Bouis hatte in Stahl von Krupp 0,085 und 0,011, in Draht 0,14, in weissem Roheisen 0,14 Prozent gefunden. Rammelsberg fand in einem Spiegeleisen nur 0,002 Prozent.
Aus allen diesen Analysen geht hervor, dass der geringe Stick- stoffgehalt in den verschiedenen Eisenarten keine Gesetzmässigkeit zeigt und durchaus schwankt und dass er zu gering ist, um einen
1) Compt. rend. 1861, t. 52, p. 1195.
2) Compt. rend. 1861, t. 53, p. 77.
3) Monatsbericht der Kgl. Preuss. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Dezbr. 1862.
Chemie 1861 bis 1870.
Stahlnatur nähme, und wies nach, daſs Fremy mit unreinem Wasser- stoff, der Wasserdampf enthielt, operiert hatte und daſs durch letzteren eine teilweise Entkohlung eingetreten war. Die chemische Analyse bewies, daſs ein geringer Stickstoffgehalt dem Stahl nicht eigentümlich sei, sondern daſs sich ein solcher auch in Roheisen und Schmiedeeisen finde. Gruner, der Carons Ansicht gegenüber anführte, daſs weiches Eisen durch reines, ammoniakfreies Leuchtgas in Stahl cementiert werde, behauptete, daſs der Stickstoffgehalt im Stahl nur aus dem Roheisen stammen könne. Dies griff Fremy auf. Gruner widerlegte aber dessen Behauptung, daſs die für die Stahlerzeugung besonders geeigneten Roheisensorten mehr Stickstoff enthielten als der daraus bereitete Stahl. Caron nahm dann an, daſs der Stickstoff im Eisen nicht direkt mit diesem, sondern mit Silicium oder Titan verbunden sei.
Der Streit zwischen Fremy und Caron spann sich auch 1862 in zahlreichen Aufsätzen in den Comptes rendus (Bd. 52 und 53) und dem Répertoire de chimie appliquée fort. Eine ausführliche Zusammen- stellung des Inhalts dieser Veröffentlichungen von Professor Werther in Königsberg findet man im Journal für praktische Chemie von 1862. Zum Austrag kam der Streit erst, als genaue und zuverlässige Analysen mit genauen Angaben des Stickstoffgehaltes veröffentlicht wurden. Solche lieferte namentlich Bouis1), Boussingault2) und Rammels- berg3).
Bouis untersuchte auf Veranlassung des Generals Morin Stahl, Roheisen und Schmiedeeisen auf Stickstoff, indem er trockenes Wasser- stoffgas über das rotglühende Metallpulver leitete. Er fand in allen Eisensorten geringe Mengen von Stickstoff. Boussingault bediente sich sowohl der oben erwähnten Methode der Verbrennung mit Zinnober als des nassen Weges und fand auf beiden Wegen geringe Mengen Stickstoff: in einem Stahl von Krupp 0,022, in Guſsstahl 0,012 und 0,057, in Eisendraht 0,0075 Prozent. Bouis hatte in Stahl von Krupp 0,085 und 0,011, in Draht 0,14, in weiſsem Roheisen 0,14 Prozent gefunden. Rammelsberg fand in einem Spiegeleisen nur 0,002 Prozent.
Aus allen diesen Analysen geht hervor, daſs der geringe Stick- stoffgehalt in den verschiedenen Eisenarten keine Gesetzmäſsigkeit zeigt und durchaus schwankt und daſs er zu gering ist, um einen
1) Compt. rend. 1861, t. 52, p. 1195.
2) Compt. rend. 1861, t. 53, p. 77.
3) Monatsbericht der Kgl. Preuſs. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Dezbr. 1862.
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[14/0028]
Chemie 1861 bis 1870.
Stahlnatur nähme, und wies nach, daſs Fremy mit unreinem Wasser-
stoff, der Wasserdampf enthielt, operiert hatte und daſs durch
letzteren eine teilweise Entkohlung eingetreten war. Die chemische
Analyse bewies, daſs ein geringer Stickstoffgehalt dem Stahl nicht
eigentümlich sei, sondern daſs sich ein solcher auch in Roheisen und
Schmiedeeisen finde. Gruner, der Carons Ansicht gegenüber anführte,
daſs weiches Eisen durch reines, ammoniakfreies Leuchtgas in Stahl
cementiert werde, behauptete, daſs der Stickstoffgehalt im Stahl nur
aus dem Roheisen stammen könne. Dies griff Fremy auf. Gruner
widerlegte aber dessen Behauptung, daſs die für die Stahlerzeugung
besonders geeigneten Roheisensorten mehr Stickstoff enthielten als
der daraus bereitete Stahl. Caron nahm dann an, daſs der Stickstoff
im Eisen nicht direkt mit diesem, sondern mit Silicium oder Titan
verbunden sei.
Der Streit zwischen Fremy und Caron spann sich auch 1862 in
zahlreichen Aufsätzen in den Comptes rendus (Bd. 52 und 53) und
dem Répertoire de chimie appliquée fort. Eine ausführliche Zusammen-
stellung des Inhalts dieser Veröffentlichungen von Professor Werther
in Königsberg findet man im Journal für praktische Chemie von 1862.
Zum Austrag kam der Streit erst, als genaue und zuverlässige Analysen
mit genauen Angaben des Stickstoffgehaltes veröffentlicht wurden.
Solche lieferte namentlich Bouis 1), Boussingault 2) und Rammels-
berg 3).
Bouis untersuchte auf Veranlassung des Generals Morin Stahl,
Roheisen und Schmiedeeisen auf Stickstoff, indem er trockenes Wasser-
stoffgas über das rotglühende Metallpulver leitete. Er fand in allen
Eisensorten geringe Mengen von Stickstoff. Boussingault bediente
sich sowohl der oben erwähnten Methode der Verbrennung mit
Zinnober als des nassen Weges und fand auf beiden Wegen geringe
Mengen Stickstoff: in einem Stahl von Krupp 0,022, in Guſsstahl
0,012 und 0,057, in Eisendraht 0,0075 Prozent. Bouis hatte in Stahl
von Krupp 0,085 und 0,011, in Draht 0,14, in weiſsem Roheisen
0,14 Prozent gefunden. Rammelsberg fand in einem Spiegeleisen
nur 0,002 Prozent.
Aus allen diesen Analysen geht hervor, daſs der geringe Stick-
stoffgehalt in den verschiedenen Eisenarten keine Gesetzmäſsigkeit
zeigt und durchaus schwankt und daſs er zu gering ist, um einen
1) Compt. rend. 1861, t. 52, p. 1195.
2) Compt. rend. 1861, t. 53, p. 77.
3) Monatsbericht der Kgl. Preuſs. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Dezbr. 1862.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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