A. R. van Linge1) weitere Beweise dafür und für die Zusammen- setzung Fe3 C erbracht. Mylius, Foerster und Schöne2) wiesen durch genaue chemische Analyse die Zusammensetzung des Eisen- karbids aus 93,33 Tln. Eisen und 6,66 Tln. Kohlenstoff entsprechend der Formel Fe3C nach. Chemisch zeigt das Karbid ein anderes Ver- halten als Graphit und Härtungskohle, besonders gegen Säuren, und lässt sich dadurch von diesen abscheiden.
Die Entstehung des Eisenkarbids ist eine Frage von grosser Bedeutung, da sie in engster Beziehung steht zu den Verbindungs- zuständen der Kohle im Eisen überhaupt und zu den Eigenschaften des Eisens und Stahls. Die Thermochemie, welche in dieser Periode eine grosse Bedeutung für die Eisenhüttenkunde erlangte, hat hier- über Aufschluss gegeben, besonders durch die epochemachenden Untersuchungen von Osmond.
Den Stahlschmieden war es längst bekannt, dass es gewisse Hitzegrade giebt, bei denen Stahl unter dem Hammer brüchiger erscheint als sonst, die man deshalb beim Schmieden vermeiden muss. Der Schwede Brinell sprach 1884 zuerst die Ansicht aus, dass die Wärmeentbindung, welche sich beim Abkühlen eines glühen- den Eisenstahls an der Grenze der Rotglut durch ein schwaches Aufleuchten und eine Verzögerung der Abkühlung bemerkbar macht, auf bei dem Übergang der Härtungskohle in Karbidkohle frei- werdende Wärme zurückzuführen sei. Dies gab die Anregung zu zahlreichen Untersuchungen, namentlich zu der gründlichen Arbeit von Osmond und Werth, Theorie cellulaire des proprietes de l'acier von 1885 (Ann. des Mines, ser. 8, t. 8, p. 5 bis 84), welcher F. Osmond in den folgenden Jahren noch mehrere Abhandlungen 3) folgen liess. Aus diesen Untersuchungen ergab sich, dass es beim Erhitzen und beim Abkühlen erhitzten Eisens verschiedene Punkte giebt, bei denen Verzögerungen der Wärmeabgabe oder Aufnahme stattfinden und die Osmond, weil sie wegen der Festigkeitsabnahme bei der Bearbeitung gefährlich sind, "kritische Punkte" nannte. Sie sind wohl auf die Abscheidung oder Umwandlung des Kohlenstoffs in seine verschiedenen Verbindungen im Eisen zurückzuführen. Osmond selbst kam allerdings
1) Zeitschr. für analyt. Chem. 1894, S. 513.
2) Zeitschr. für organ. Chemie. 1896, S. 38.
3) "Transformations du fer et du carbon dans les fers, les aciers et les fontes blanches", Mem. de l'artillerie et de la marine; im Auszug Stahl und Eisen 1888, S. 364; Etudes metallurgiques Ann. des mines, Juillet, Aoaut 1888; On the Critical Points of Iron and Steel in Journ. of the Iron and Steel Inst. 1890, Vol. I; ferner Stahl und Eisen 1891, S. 640; Methode generale pour l'Analyse Micrographique des Aciers au Carbone, Soc. d'Encourag. p. l'Industr. Nat., Paris, Mai 1895 etc.
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Chemie.
A. R. van Linge1) weitere Beweise dafür und für die Zusammen- setzung Fe3 C erbracht. Mylius, Foerster und Schöne2) wiesen durch genaue chemische Analyse die Zusammensetzung des Eisen- karbids aus 93,33 Tln. Eisen und 6,66 Tln. Kohlenstoff entsprechend der Formel Fe3C nach. Chemisch zeigt das Karbid ein anderes Ver- halten als Graphit und Härtungskohle, besonders gegen Säuren, und läſst sich dadurch von diesen abscheiden.
Die Entstehung des Eisenkarbids ist eine Frage von groſser Bedeutung, da sie in engster Beziehung steht zu den Verbindungs- zuständen der Kohle im Eisen überhaupt und zu den Eigenschaften des Eisens und Stahls. Die Thermochemie, welche in dieser Periode eine groſse Bedeutung für die Eisenhüttenkunde erlangte, hat hier- über Aufschluſs gegeben, besonders durch die epochemachenden Untersuchungen von Osmond.
Den Stahlschmieden war es längst bekannt, daſs es gewisse Hitzegrade giebt, bei denen Stahl unter dem Hammer brüchiger erscheint als sonst, die man deshalb beim Schmieden vermeiden muſs. Der Schwede Brinell sprach 1884 zuerst die Ansicht aus, daſs die Wärmeentbindung, welche sich beim Abkühlen eines glühen- den Eisenstahls an der Grenze der Rotglut durch ein schwaches Aufleuchten und eine Verzögerung der Abkühlung bemerkbar macht, auf bei dem Übergang der Härtungskohle in Karbidkohle frei- werdende Wärme zurückzuführen sei. Dies gab die Anregung zu zahlreichen Untersuchungen, namentlich zu der gründlichen Arbeit von Osmond und Werth, Théorie cellulaire des propriétés de l’acier von 1885 (Ann. des Mines, sér. 8, t. 8, p. 5 bis 84), welcher F. Osmond in den folgenden Jahren noch mehrere Abhandlungen 3) folgen lieſs. Aus diesen Untersuchungen ergab sich, daſs es beim Erhitzen und beim Abkühlen erhitzten Eisens verschiedene Punkte giebt, bei denen Verzögerungen der Wärmeabgabe oder Aufnahme stattfinden und die Osmond, weil sie wegen der Festigkeitsabnahme bei der Bearbeitung gefährlich sind, „kritische Punkte“ nannte. Sie sind wohl auf die Abscheidung oder Umwandlung des Kohlenstoffs in seine verschiedenen Verbindungen im Eisen zurückzuführen. Osmond selbst kam allerdings
1) Zeitschr. für analyt. Chem. 1894, S. 513.
2) Zeitschr. für organ. Chemie. 1896, S. 38.
3) „Transformations du fer et du carbon dans les fers, les aciers et les fontes blanches“, Mém. de l’artillerie et de la marine; im Auszug Stahl und Eisen 1888, S. 364; Études métallurgiques Ann. des mines, Juillet, Août 1888; On the Critical Points of Iron and Steel in Journ. of the Iron and Steel Inst. 1890, Vol. I; ferner Stahl und Eisen 1891, S. 640; Méthode générale pour l’Analyse Micrographique des Aciers au Carbone, Soc. d’Encourag. p. l’Industr. Nat., Paris, Mai 1895 etc.
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Chemie.
A. R. van Linge 1) weitere Beweise dafür und für die Zusammen-
setzung Fe3 C erbracht. Mylius, Foerster und Schöne 2) wiesen
durch genaue chemische Analyse die Zusammensetzung des Eisen-
karbids aus 93,33 Tln. Eisen und 6,66 Tln. Kohlenstoff entsprechend
der Formel Fe3C nach. Chemisch zeigt das Karbid ein anderes Ver-
halten als Graphit und Härtungskohle, besonders gegen Säuren, und
läſst sich dadurch von diesen abscheiden.
Die Entstehung des Eisenkarbids ist eine Frage von groſser
Bedeutung, da sie in engster Beziehung steht zu den Verbindungs-
zuständen der Kohle im Eisen überhaupt und zu den Eigenschaften
des Eisens und Stahls. Die Thermochemie, welche in dieser Periode
eine groſse Bedeutung für die Eisenhüttenkunde erlangte, hat hier-
über Aufschluſs gegeben, besonders durch die epochemachenden
Untersuchungen von Osmond.
Den Stahlschmieden war es längst bekannt, daſs es gewisse
Hitzegrade giebt, bei denen Stahl unter dem Hammer brüchiger
erscheint als sonst, die man deshalb beim Schmieden vermeiden
muſs. Der Schwede Brinell sprach 1884 zuerst die Ansicht aus,
daſs die Wärmeentbindung, welche sich beim Abkühlen eines glühen-
den Eisenstahls an der Grenze der Rotglut durch ein schwaches
Aufleuchten und eine Verzögerung der Abkühlung bemerkbar macht,
auf bei dem Übergang der Härtungskohle in Karbidkohle frei-
werdende Wärme zurückzuführen sei. Dies gab die Anregung zu
zahlreichen Untersuchungen, namentlich zu der gründlichen Arbeit
von Osmond und Werth, Théorie cellulaire des propriétés de l’acier
von 1885 (Ann. des Mines, sér. 8, t. 8, p. 5 bis 84), welcher F. Osmond
in den folgenden Jahren noch mehrere Abhandlungen 3) folgen lieſs.
Aus diesen Untersuchungen ergab sich, daſs es beim Erhitzen und
beim Abkühlen erhitzten Eisens verschiedene Punkte giebt, bei denen
Verzögerungen der Wärmeabgabe oder Aufnahme stattfinden und die
Osmond, weil sie wegen der Festigkeitsabnahme bei der Bearbeitung
gefährlich sind, „kritische Punkte“ nannte. Sie sind wohl auf die
Abscheidung oder Umwandlung des Kohlenstoffs in seine verschiedenen
Verbindungen im Eisen zurückzuführen. Osmond selbst kam allerdings
1) Zeitschr. für analyt. Chem. 1894, S. 513.
2) Zeitschr. für organ. Chemie. 1896, S. 38.
3) „Transformations du fer et du carbon dans les fers, les aciers et les fontes
blanches“, Mém. de l’artillerie et de la marine; im Auszug Stahl und Eisen 1888,
S. 364; Études métallurgiques Ann. des mines, Juillet, Août 1888; On the Critical
Points of Iron and Steel in Journ. of the Iron and Steel Inst. 1890, Vol. I; ferner
Stahl und Eisen 1891, S. 640; Méthode générale pour l’Analyse Micrographique
des Aciers au Carbone, Soc. d’Encourag. p. l’Industr. Nat., Paris, Mai 1895 etc.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/355>, abgerufen am 24.11.2024.
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