lität haben als in Mischungen, die diesem Verhältnisse nicht entsprechen. Man kann diese "eutektischen" Legierungen nicht als chemische Verbindungen ansehen und doch zeigen sie eine Verwandt- schaft mit solchen.
Die eigentümlichen Erscheinungen, welche Stahl und Eisen bei langsamem Erkalten zeigen, lassen sich am besten aus diesen Ana- logien erklären. Dabei ist das Merkwürdige, dass diese Veränderungen, die offenbar durch molekulare Umlagerungen bedingt sind, in erstarrten Körpern, allerdings nur bei hohen Temperaturen, vor sich gehen.
Diese Veränderungen sind nicht leicht zu verstehen und sie sind durch die genaueren Untersuchungen in den letzten Jahren nicht verständlicher, sondern verwickelter geworden. Früher kannte man nur einen "kritischen Punkt", der bei etwa 750° C. auftrat, jetzt unterscheidet man bereits mindestens drei solcher kritischen oder Haltepunkte, die bei verschiedenen Eisensorten keineswegs gleich sind. Durch die wichtige Erfindung eines selbstregistrierenden Pyrometers, der die Erhitzungs- und Abkühlungskurven (Rekalescenskurven) gra- phisch darzustellen im stande ist, haben diese Beobachtungen sehr an Deutlichkeit und Zuverlässigkeit gewonnen. Diese Registrierung der Wärmelinien mit ihren Unregelmässigkeiten ist noch bestimmter geworden, seitdem Roberts Austen dieselbe nicht mehr direkt, son- dern in Verbindung mit der Wärmelinie eines auf die gleichen Tem- peraturgrade erwärmten Platinstabes aufzeichnet. Wie verschieden das Bild dieser Thermokurven ist, zeigen Fig. 140 und Fig. 141, von
[Abbildung]
Fig. 140.
denen erstere die ältere Aufzeichnung Osmonds eines sehr reinen elektrolytisch erzeugten Eisens, letztere die neuere Aufzeichnung Roberts Austens eines ebensolchen Eisens darstellt. Die Kurven und Haltepunkte sind verschieden bei verschiedenem Kohlenstoff- gehalt. Auch der Wasserstoffgehalt hat einen Einfluss auf das mehr oder weniger deutliche Hervortreten einzelner Haltepunkte, wobei die bei den niedrigeren Temperaturen von 261° und 487° C. in Fig. 141 dargestellten erscheinen.
Nach der früheren Erklärung zerfällt Martensit bei langsamer
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Physik des Eisens seit 1871.
lität haben als in Mischungen, die diesem Verhältnisse nicht entsprechen. Man kann diese „eutektischen“ Legierungen nicht als chemische Verbindungen ansehen und doch zeigen sie eine Verwandt- schaft mit solchen.
Die eigentümlichen Erscheinungen, welche Stahl und Eisen bei langsamem Erkalten zeigen, lassen sich am besten aus diesen Ana- logien erklären. Dabei ist das Merkwürdige, daſs diese Veränderungen, die offenbar durch molekulare Umlagerungen bedingt sind, in erstarrten Körpern, allerdings nur bei hohen Temperaturen, vor sich gehen.
Diese Veränderungen sind nicht leicht zu verstehen und sie sind durch die genaueren Untersuchungen in den letzten Jahren nicht verständlicher, sondern verwickelter geworden. Früher kannte man nur einen „kritischen Punkt“, der bei etwa 750° C. auftrat, jetzt unterscheidet man bereits mindestens drei solcher kritischen oder Haltepunkte, die bei verschiedenen Eisensorten keineswegs gleich sind. Durch die wichtige Erfindung eines selbstregistrierenden Pyrometers, der die Erhitzungs- und Abkühlungskurven (Rekalescenskurven) gra- phisch darzustellen im stande ist, haben diese Beobachtungen sehr an Deutlichkeit und Zuverlässigkeit gewonnen. Diese Registrierung der Wärmelinien mit ihren Unregelmäſsigkeiten ist noch bestimmter geworden, seitdem Roberts Austen dieselbe nicht mehr direkt, son- dern in Verbindung mit der Wärmelinie eines auf die gleichen Tem- peraturgrade erwärmten Platinstabes aufzeichnet. Wie verschieden das Bild dieser Thermokurven ist, zeigen Fig. 140 und Fig. 141, von
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Fig. 140.
denen erstere die ältere Aufzeichnung Osmonds eines sehr reinen elektrolytisch erzeugten Eisens, letztere die neuere Aufzeichnung Roberts Austens eines ebensolchen Eisens darstellt. Die Kurven und Haltepunkte sind verschieden bei verschiedenem Kohlenstoff- gehalt. Auch der Wasserstoffgehalt hat einen Einfluſs auf das mehr oder weniger deutliche Hervortreten einzelner Haltepunkte, wobei die bei den niedrigeren Temperaturen von 261° und 487° C. in Fig. 141 dargestellten erscheinen.
Nach der früheren Erklärung zerfällt Martensit bei langsamer
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Physik des Eisens seit 1871.
lität haben als in Mischungen, die diesem Verhältnisse nicht
entsprechen. Man kann diese „eutektischen“ Legierungen nicht als
chemische Verbindungen ansehen und doch zeigen sie eine Verwandt-
schaft mit solchen.
Die eigentümlichen Erscheinungen, welche Stahl und Eisen bei
langsamem Erkalten zeigen, lassen sich am besten aus diesen Ana-
logien erklären. Dabei ist das Merkwürdige, daſs diese Veränderungen,
die offenbar durch molekulare Umlagerungen bedingt sind, in erstarrten
Körpern, allerdings nur bei hohen Temperaturen, vor sich gehen.
Diese Veränderungen sind nicht leicht zu verstehen und sie sind
durch die genaueren Untersuchungen in den letzten Jahren nicht
verständlicher, sondern verwickelter geworden. Früher kannte man
nur einen „kritischen Punkt“, der bei etwa 750° C. auftrat, jetzt
unterscheidet man bereits mindestens drei solcher kritischen oder
Haltepunkte, die bei verschiedenen Eisensorten keineswegs gleich sind.
Durch die wichtige Erfindung eines selbstregistrierenden Pyrometers,
der die Erhitzungs- und Abkühlungskurven (Rekalescenskurven) gra-
phisch darzustellen im stande ist, haben diese Beobachtungen sehr
an Deutlichkeit und Zuverlässigkeit gewonnen. Diese Registrierung
der Wärmelinien mit ihren Unregelmäſsigkeiten ist noch bestimmter
geworden, seitdem Roberts Austen dieselbe nicht mehr direkt, son-
dern in Verbindung mit der Wärmelinie eines auf die gleichen Tem-
peraturgrade erwärmten Platinstabes aufzeichnet. Wie verschieden
das Bild dieser Thermokurven ist, zeigen Fig. 140 und Fig. 141, von
[Abbildung Fig. 140.]
denen erstere die ältere Aufzeichnung Osmonds eines sehr reinen
elektrolytisch erzeugten Eisens, letztere die neuere Aufzeichnung
Roberts Austens eines ebensolchen Eisens darstellt. Die Kurven
und Haltepunkte sind verschieden bei verschiedenem Kohlenstoff-
gehalt. Auch der Wasserstoffgehalt hat einen Einfluſs auf das mehr
oder weniger deutliche Hervortreten einzelner Haltepunkte, wobei die
bei den niedrigeren Temperaturen von 261° und 487° C. in Fig. 141
dargestellten erscheinen.
Nach der früheren Erklärung zerfällt Martensit bei langsamer
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/403>, abgerufen am 22.11.2024.
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