der beiden Zahlen zu bilden und dabei statt der Querschnittsvermin- derung die Ausdehnung beim Zerreissen in Ansatz zu bringen. Dabei kam die Zähigkeit gegenüber der Härte allerdings mehr zur Geltung als bei Wöhler, doch geben auch diese Ziffern kein ausreichendes Mass für die Brauchbarkeit des Materials. Viel klarer ist es, beide Werte nebeneinander anzugeben, und da beide doch erst ermittelt werden müssen, um die Güteziffer zu bilden, so ist dies auch das Natürliche.
In Frankreich schlug Gruner deshalb 1877 vor, dass die Produ- zenten ihr Eisen mit einem doppelten Festigkeitsstempel versehen sollten, R (resistance in Kilogramm pro Quadratmillimeter) = Zug- festigkeit und A (allongement) Verlängerung eines 200 mm langen Stabes in Prozenten. R = 30 bis 35 kg, A = 20 bis 25 Prozent würde beispielsweise einem guten Kesselblech, R = 70 bis 100 kg, A = 5 Prozent einem Werkzeugstahl entsprechen. Auch die deutschen Eisenhüttenleute sprachen sich dafür aus, die Verlängerung und nicht die Querschnittsverringerung zum Mass der Zähigkeit zu machen. Trotzdem beharrte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen auf seinem Standpunkte, erklärte in seiner Versammlung zu Salzburg 1879 die Wöhlerschen Festigkeitsvorschriften für massgebend und ver- einbarte für Eisenlieferungen für Bahnzwecke folgende Werte:
Für Achsen aus Flussstahl sollte die Zerreissfestigkeit (F) von cylindrischen Stäben von 240 mm Länge und 20 mm Durchmesser 50 kg auf den Quadratmillimeter und die geringste zulässige Kon- traktion (C) 30 Prozent betragen.
Für Radreifen für Lokomotiven mindestens F = 60 kg, C = 25 Proz. " " " Tenderwagen " F = 45 kg, C = 35 Proz. Die Güteziffer F + C sollte aber mindestens = 90 sein.
Für Schienen mindestens F = 50 kg, C = 20 Proz., die Güte- ziffer aber nicht unter 85.
Gegen diese einseitigen und harten Festigkeitsbedingungen wehr- ten sich die deutschen Eisenhüttenleute mit Recht und ihr Verein stellte 1881 folgende Qualitätsproben 1) fest:
1) Siehe Stahl und Eisen 1881, S. 1, Gutachten der Revisionskommission der Klassifikation für Eisen und Stahl; 1882, S. 81, Vortrag von Wedding über Klassifikationsbedingungen von Eisen und Stahl.
Physik des Eisens seit 1871.
der beiden Zahlen zu bilden und dabei statt der Querschnittsvermin- derung die Ausdehnung beim Zerreiſsen in Ansatz zu bringen. Dabei kam die Zähigkeit gegenüber der Härte allerdings mehr zur Geltung als bei Wöhler, doch geben auch diese Ziffern kein ausreichendes Maſs für die Brauchbarkeit des Materials. Viel klarer ist es, beide Werte nebeneinander anzugeben, und da beide doch erst ermittelt werden müssen, um die Güteziffer zu bilden, so ist dies auch das Natürliche.
In Frankreich schlug Gruner deshalb 1877 vor, daſs die Produ- zenten ihr Eisen mit einem doppelten Festigkeitsstempel versehen sollten, R (résistance in Kilogramm pro Quadratmillimeter) = Zug- festigkeit und A (allongement) Verlängerung eines 200 mm langen Stabes in Prozenten. R = 30 bis 35 kg, A = 20 bis 25 Prozent würde beispielsweise einem guten Kesselblech, R = 70 bis 100 kg, A = 5 Prozent einem Werkzeugstahl entsprechen. Auch die deutschen Eisenhüttenleute sprachen sich dafür aus, die Verlängerung und nicht die Querschnittsverringerung zum Maſs der Zähigkeit zu machen. Trotzdem beharrte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen auf seinem Standpunkte, erklärte in seiner Versammlung zu Salzburg 1879 die Wöhlerschen Festigkeitsvorschriften für maſsgebend und ver- einbarte für Eisenlieferungen für Bahnzwecke folgende Werte:
Für Achsen aus Fluſsstahl sollte die Zerreiſsfestigkeit (F) von cylindrischen Stäben von 240 mm Länge und 20 mm Durchmesser 50 kg auf den Quadratmillimeter und die geringste zulässige Kon- traktion (C) 30 Prozent betragen.
Für Radreifen für Lokomotiven mindestens F = 60 kg, C = 25 Proz. „ „ „ Tenderwagen „ F = 45 kg, C = 35 Proz. Die Güteziffer F + C sollte aber mindestens = 90 sein.
Für Schienen mindestens F = 50 kg, C = 20 Proz., die Güte- ziffer aber nicht unter 85.
Gegen diese einseitigen und harten Festigkeitsbedingungen wehr- ten sich die deutschen Eisenhüttenleute mit Recht und ihr Verein stellte 1881 folgende Qualitätsproben 1) fest:
1) Siehe Stahl und Eisen 1881, S. 1, Gutachten der Revisionskommission der Klassifikation für Eisen und Stahl; 1882, S. 81, Vortrag von Wedding über Klassifikationsbedingungen von Eisen und Stahl.
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Physik des Eisens seit 1871.
der beiden Zahlen zu bilden und dabei statt der Querschnittsvermin-
derung die Ausdehnung beim Zerreiſsen in Ansatz zu bringen. Dabei
kam die Zähigkeit gegenüber der Härte allerdings mehr zur Geltung
als bei Wöhler, doch geben auch diese Ziffern kein ausreichendes
Maſs für die Brauchbarkeit des Materials. Viel klarer ist es, beide
Werte nebeneinander anzugeben, und da beide doch erst ermittelt
werden müssen, um die Güteziffer zu bilden, so ist dies auch das
Natürliche.
In Frankreich schlug Gruner deshalb 1877 vor, daſs die Produ-
zenten ihr Eisen mit einem doppelten Festigkeitsstempel versehen
sollten, R (résistance in Kilogramm pro Quadratmillimeter) = Zug-
festigkeit und A (allongement) Verlängerung eines 200 mm langen
Stabes in Prozenten. R = 30 bis 35 kg, A = 20 bis 25 Prozent
würde beispielsweise einem guten Kesselblech, R = 70 bis 100 kg,
A = 5 Prozent einem Werkzeugstahl entsprechen. Auch die deutschen
Eisenhüttenleute sprachen sich dafür aus, die Verlängerung und nicht
die Querschnittsverringerung zum Maſs der Zähigkeit zu machen.
Trotzdem beharrte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen auf
seinem Standpunkte, erklärte in seiner Versammlung zu Salzburg 1879
die Wöhlerschen Festigkeitsvorschriften für maſsgebend und ver-
einbarte für Eisenlieferungen für Bahnzwecke folgende Werte:
Für Achsen aus Fluſsstahl sollte die Zerreiſsfestigkeit (F) von
cylindrischen Stäben von 240 mm Länge und 20 mm Durchmesser
50 kg auf den Quadratmillimeter und die geringste zulässige Kon-
traktion (C) 30 Prozent betragen.
Für Radreifen für Lokomotiven mindestens F = 60 kg, C = 25 Proz.
„ „ „ Tenderwagen „ F = 45 kg, C = 35 Proz.
Die Güteziffer F + C sollte aber mindestens = 90 sein.
Für Schienen mindestens F = 50 kg, C = 20 Proz., die Güte-
ziffer aber nicht unter 85.
Gegen diese einseitigen und harten Festigkeitsbedingungen wehr-
ten sich die deutschen Eisenhüttenleute mit Recht und ihr Verein
stellte 1881 folgende Qualitätsproben 1) fest:
I. Proben mit ungeteilten Gebrauchsstücken.
a) Kaltproben: 1. Äuſsere Besichtigung, 2. Klopf-, 3. Schlag-,
4. Bruch-, 5. Belastungsprobe.
b) Warmprobe.
1) Siehe Stahl und Eisen 1881, S. 1, Gutachten der Revisionskommission der
Klassifikation für Eisen und Stahl; 1882, S. 81, Vortrag von Wedding über
Klassifikationsbedingungen von Eisen und Stahl.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/410>, abgerufen am 22.11.2024.
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