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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Hochöfen.
in einzelnen Fällen die Düsenweite gegen früher vergrössert hat. Auf
der Ilseder Hütte bläst man bei sechs Formen mit Düsen von 180 mm
Durchmesser, während vor 1870 die Düsen bei mehr als drei Formen
in der Regel nur 60 bis 100 mm weit waren und man nur in Belgien
zeitweilig mit Düsen von 120 mm Durchmesser in Kokshochöfen ge-
blasen hatte.

In den Vereinigten Staaten glaubte man durch eine beträchtliche
Vermehrung der Zahl der Windformen einen besonderen Vorteil zu
haben. In Alabama steigerte man die Zahl der Formen von 8 auf 16
und sogar auf 24. Die Vermehrung auf 24 hatte gar keinen Vorteil,
die auf 16 erhöhte die Produktion, veranlasste aber ein schnelleres
Wegschmelzen der Rast. Die Zustellung mit 16 Formen wurde
indessen bei den neuen grossen Öfen in Ensley und auf anderen
Werken beibehalten.

Dem Ensleyofen wurden (1899) durch die 16 Formen 849,5 cbm Wind
in der Minute zugeführt. Ein Versuch mit 24 Formen fiel auch hier
ungünstig aus. Man ging auf 12 Formen zurück und nahm diese von
175 mm Weite. Dabei ergab sich bei Roheisen für basischen Martin-
betrieb eine Ersparnis an Brennmaterial. Die neuen Hochöfen in
Südrussland haben ebenfalls 12 Formen.

Im allgemeinen hatte sich durch das stärkere Blasen das Durch-
satzquantum vermehrt und die Durchgangszeit vermindert. In Europa
war sie in den 30 Jahren vor 1884 von 84 Stunden auf 36 Stunden
heruntergegangen 1).

Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens, der durch die Ver-
brennung des Brennstoffes die Wärme und die Gase erzeugt, welche
für die metallurgischen Vorgänge im Ofen notwendig sind. Man hat
diese Vorgänge sowohl als wie die Ausnutzung und den Verbrauch
der Wärme im Ofen in den letzten 25 Jahren gründlich studiert und
dadurch grössere Klarheit über den Hochofenprozess erlangt. Diese
Untersuchungen erstreckten sich auf die Zusammensetzung der Gase
in verschiedener Tiefe, auf Wärmemessungen und auf die Ermittelung
der erzeugten und verbrauchten Wärmemengen, also auf die Wärme-
ökonomie.

Eine hervorragende Arbeit über die chemische Zusammen-
setzung der Gase
in verschiedener Höhe des Hochofens wurde
1871/72 von Schöffel und Kuppelwieser an einem Holzkohlen-
hochofen zu Eisenerz vorgenommen, auf deren Ergebnis wir später

1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, Nr. 43.
Beck, Geschichte des Eisens. 32

Hochöfen.
in einzelnen Fällen die Düsenweite gegen früher vergröſsert hat. Auf
der Ilseder Hütte bläst man bei sechs Formen mit Düsen von 180 mm
Durchmesser, während vor 1870 die Düsen bei mehr als drei Formen
in der Regel nur 60 bis 100 mm weit waren und man nur in Belgien
zeitweilig mit Düsen von 120 mm Durchmesser in Kokshochöfen ge-
blasen hatte.

In den Vereinigten Staaten glaubte man durch eine beträchtliche
Vermehrung der Zahl der Windformen einen besonderen Vorteil zu
haben. In Alabama steigerte man die Zahl der Formen von 8 auf 16
und sogar auf 24. Die Vermehrung auf 24 hatte gar keinen Vorteil,
die auf 16 erhöhte die Produktion, veranlaſste aber ein schnelleres
Wegschmelzen der Rast. Die Zustellung mit 16 Formen wurde
indessen bei den neuen groſsen Öfen in Ensley und auf anderen
Werken beibehalten.

Dem Ensleyofen wurden (1899) durch die 16 Formen 849,5 cbm Wind
in der Minute zugeführt. Ein Versuch mit 24 Formen fiel auch hier
ungünstig aus. Man ging auf 12 Formen zurück und nahm diese von
175 mm Weite. Dabei ergab sich bei Roheisen für basischen Martin-
betrieb eine Ersparnis an Brennmaterial. Die neuen Hochöfen in
Südruſsland haben ebenfalls 12 Formen.

Im allgemeinen hatte sich durch das stärkere Blasen das Durch-
satzquantum vermehrt und die Durchgangszeit vermindert. In Europa
war sie in den 30 Jahren vor 1884 von 84 Stunden auf 36 Stunden
heruntergegangen 1).

Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens, der durch die Ver-
brennung des Brennstoffes die Wärme und die Gase erzeugt, welche
für die metallurgischen Vorgänge im Ofen notwendig sind. Man hat
diese Vorgänge sowohl als wie die Ausnutzung und den Verbrauch
der Wärme im Ofen in den letzten 25 Jahren gründlich studiert und
dadurch gröſsere Klarheit über den Hochofenprozeſs erlangt. Diese
Untersuchungen erstreckten sich auf die Zusammensetzung der Gase
in verschiedener Tiefe, auf Wärmemessungen und auf die Ermittelung
der erzeugten und verbrauchten Wärmemengen, also auf die Wärme-
ökonomie.

Eine hervorragende Arbeit über die chemische Zusammen-
setzung der Gase
in verschiedener Höhe des Hochofens wurde
1871/72 von Schöffel und Kuppelwieser an einem Holzkohlen-
hochofen zu Eisenerz vorgenommen, auf deren Ergebnis wir später

1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, Nr. 43.
Beck, Geschichte des Eisens. 32
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[497/0513] Hochöfen. in einzelnen Fällen die Düsenweite gegen früher vergröſsert hat. Auf der Ilseder Hütte bläst man bei sechs Formen mit Düsen von 180 mm Durchmesser, während vor 1870 die Düsen bei mehr als drei Formen in der Regel nur 60 bis 100 mm weit waren und man nur in Belgien zeitweilig mit Düsen von 120 mm Durchmesser in Kokshochöfen ge- blasen hatte. In den Vereinigten Staaten glaubte man durch eine beträchtliche Vermehrung der Zahl der Windformen einen besonderen Vorteil zu haben. In Alabama steigerte man die Zahl der Formen von 8 auf 16 und sogar auf 24. Die Vermehrung auf 24 hatte gar keinen Vorteil, die auf 16 erhöhte die Produktion, veranlaſste aber ein schnelleres Wegschmelzen der Rast. Die Zustellung mit 16 Formen wurde indessen bei den neuen groſsen Öfen in Ensley und auf anderen Werken beibehalten. Dem Ensleyofen wurden (1899) durch die 16 Formen 849,5 cbm Wind in der Minute zugeführt. Ein Versuch mit 24 Formen fiel auch hier ungünstig aus. Man ging auf 12 Formen zurück und nahm diese von 175 mm Weite. Dabei ergab sich bei Roheisen für basischen Martin- betrieb eine Ersparnis an Brennmaterial. Die neuen Hochöfen in Südruſsland haben ebenfalls 12 Formen. Im allgemeinen hatte sich durch das stärkere Blasen das Durch- satzquantum vermehrt und die Durchgangszeit vermindert. In Europa war sie in den 30 Jahren vor 1884 von 84 Stunden auf 36 Stunden heruntergegangen 1). Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens, der durch die Ver- brennung des Brennstoffes die Wärme und die Gase erzeugt, welche für die metallurgischen Vorgänge im Ofen notwendig sind. Man hat diese Vorgänge sowohl als wie die Ausnutzung und den Verbrauch der Wärme im Ofen in den letzten 25 Jahren gründlich studiert und dadurch gröſsere Klarheit über den Hochofenprozeſs erlangt. Diese Untersuchungen erstreckten sich auf die Zusammensetzung der Gase in verschiedener Tiefe, auf Wärmemessungen und auf die Ermittelung der erzeugten und verbrauchten Wärmemengen, also auf die Wärme- ökonomie. Eine hervorragende Arbeit über die chemische Zusammen- setzung der Gase in verschiedener Höhe des Hochofens wurde 1871/72 von Schöffel und Kuppelwieser an einem Holzkohlen- hochofen zu Eisenerz vorgenommen, auf deren Ergebnis wir später 1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, Nr. 43. Beck, Geschichte des Eisens. 32

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/513>, abgerufen am 22.11.2024.