Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Hochöfen.
mehr, je grösser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff
unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un-
nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd
der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken.
Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das
Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den
Gichtgasen ist deshalb von grosser Wichtigkeit und bildet einen
Massstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens.

Aus diesem Grunde hat Gruner das Verhältnis [Formel 1] als Mass der
Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der
Wert von [Formel 2] , desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses
Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Mass der Vergleichung für
den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen
Bells betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert
von [Formel 3] bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang
nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang -- der, bei welchem die
Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten
Verbrennungsgase erfolgt -- würde einem Wert von 1,217 entsprechen.
Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht.

Als Mass für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen-
stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher
als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem
Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un-
verändert die Gicht verlässt. Allerdings findet in der Formgegend eine
Bildung von Cyangas statt und L. Bell hat gefunden, dass in dem
unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g
Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas-
stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie
an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen
wobei der Stickstoff wieder frei wird.

Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen
und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens
zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche Schöffel 1872 veröffentlicht
hat 1), verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen
der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben.


1) Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; Ledebur.
Handbuch, S. 507.

Hochöfen.
mehr, je gröſser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff
unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un-
nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd
der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken.
Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das
Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den
Gichtgasen ist deshalb von groſser Wichtigkeit und bildet einen
Maſsstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens.

Aus diesem Grunde hat Gruner das Verhältnis [Formel 1] als Maſs der
Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der
Wert von [Formel 2] , desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses
Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Maſs der Vergleichung für
den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen
Bells betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert
von [Formel 3] bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang
nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang — der, bei welchem die
Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten
Verbrennungsgase erfolgt — würde einem Wert von 1,217 entsprechen.
Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht.

Als Maſs für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen-
stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher
als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem
Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un-
verändert die Gicht verläſst. Allerdings findet in der Formgegend eine
Bildung von Cyangas statt und L. Bell hat gefunden, daſs in dem
unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g
Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas-
stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie
an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen
wobei der Stickstoff wieder frei wird.

Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen
und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens
zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche Schöffel 1872 veröffentlicht
hat 1), verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen
der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben.


1) Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; Ledebur.
Handbuch, S. 507.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0516" n="500"/><fw place="top" type="header">Hochöfen.</fw><lb/>
mehr, je grö&#x017F;ser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff<lb/>
unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un-<lb/>
nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd<lb/>
der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken.<lb/>
Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das<lb/>
Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den<lb/>
Gichtgasen ist deshalb von gro&#x017F;ser Wichtigkeit und bildet einen<lb/>
Ma&#x017F;sstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens.</p><lb/>
          <p>Aus diesem Grunde hat <hi rendition="#g">Gruner</hi> das Verhältnis <formula/> als Ma&#x017F;s der<lb/>
Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der<lb/>
Wert von <formula/>, desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses<lb/>
Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Ma&#x017F;s der Vergleichung für<lb/>
den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen<lb/><hi rendition="#g">Bells</hi> betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert<lb/>
von <formula/> bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang<lb/>
nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang &#x2014; der, bei welchem die<lb/>
Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten<lb/>
Verbrennungsgase erfolgt &#x2014; würde einem Wert von 1,217 entsprechen.<lb/>
Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht.</p><lb/>
          <p>Als Ma&#x017F;s für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen-<lb/>
stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher<lb/>
als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem<lb/>
Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un-<lb/>
verändert die Gicht verlä&#x017F;st. Allerdings findet in der Formgegend eine<lb/>
Bildung von Cyangas statt und L. <hi rendition="#g">Bell</hi> hat gefunden, da&#x017F;s in dem<lb/>
unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g<lb/>
Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas-<lb/>
stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie<lb/>
an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen<lb/>
wobei der Stickstoff wieder frei wird.</p><lb/>
          <p>Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen<lb/>
und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens<lb/>
zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche <hi rendition="#g">Schöffel</hi> 1872 veröffentlicht<lb/>
hat <note place="foot" n="1)">Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; <hi rendition="#g">Ledebur</hi>.<lb/>
Handbuch, S. 507.</note>, verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen<lb/>
der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[500/0516] Hochöfen. mehr, je gröſser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un- nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken. Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den Gichtgasen ist deshalb von groſser Wichtigkeit und bildet einen Maſsstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens. Aus diesem Grunde hat Gruner das Verhältnis [FORMEL] als Maſs der Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der Wert von [FORMEL], desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Maſs der Vergleichung für den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen Bells betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert von [FORMEL] bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang — der, bei welchem die Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten Verbrennungsgase erfolgt — würde einem Wert von 1,217 entsprechen. Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht. Als Maſs für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen- stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un- verändert die Gicht verläſst. Allerdings findet in der Formgegend eine Bildung von Cyangas statt und L. Bell hat gefunden, daſs in dem unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas- stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen wobei der Stickstoff wieder frei wird. Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche Schöffel 1872 veröffentlicht hat 1), verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben. 1) Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; Ledebur. Handbuch, S. 507.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/516
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/516>, abgerufen am 22.11.2024.