stromprincip in drei hintereinanderliegenden Röhrensystemen durch- streicht. Die Luft tritt dabei an der kältesten Stelle ein, an der heissesten aus, wo sie bis auf 900° erhitzt ist. Der drehbare Mittel- teil des Ofens bildet ein Ganzes und ruht auf einem Drehgestell, das, auf hydraulischem Piston gelagert, von diesem gehoben und dann leicht von einem Mann gedreht wird. Die Drehung erfolgt um 180°.
In 12 Stunden machte man 14 Chargen zu 500 kg, mit steirischem Eisen 15 Chargen, zu Charleroi mit Metis-Eisen (Feineisen) sogar 20, in Oberschlesien dagegen nur 13 Chargen.
Wie gross die Kohlenersparnis durch die Verbesserung der Öfen und Feuerungen war, lässt sich auch daraus ermessen, dass in England der Kohlenverbrauch bei den alten Puddelöfen 1200 kg auf die Tonne betrug, dagegen bei den Siemens-Gasöfen nur 400 kg.
Das flüssige Roheisen aus dem Hochofen unmittelbar zu ver- puddeln und dadurch die Kosten des Umschmelzens zu ersparen, hatte man schon früher häufig versucht, doch ohne besonderen Nutzen, weil das überheisse Eisen den Schlackenherd rasch zerstörte und der Puddelprozess selbst langsamer verlief. Im Jahre 1895 erzielte indessen E. Bonehill zu Hourpes in Belgien 1) nach einem patentierten Ver- fahren auf diesem Wege sehr gute Resultate, indem er in 12 Stunden mit 4 Puddlern 5500 kg Luppen, gegen früher 3200 kg mit 3 Puddlern, zu erzeugen vermochte. Dabei hatte er 10 Prozent weniger Abbrand und eine Kohlenersparnis von etwa 80 Prozent.
Während man durch das mechanische Puddeln und die Ver- besserung der Feuerungen hauptsächlich grössere Produktion und Kohlenersparnis erstrebte, suchte man durch chemische Mittel die Qualität des Eisens zu heben, wobei man besonders die Abscheidung von Phosphor und Schwefel im Auge hatte.
1872 hatte Th. Scheerer2) hierfür den Zusatz von Patronen von einem aus gleichen Teilen von Chlornatrium und Chlorcalcium zu- sammengeschmolzenen Gemenge vorgeschlagen.
1874 empfahl Bower ein Reinigungspulver von salpetersaurem Eisenoxyd oder Bleioxyd, während Zenger die Hydrate der Alkalien hierzu anwendete.
Der amerikanische Shermanprozess erregte Anfang der siebziger Jahre infolge geschickter Reklame Aufsehen. Es war ein verbessertes Puddelverfahren, bei dem nach dem Rühren Jodkalium zugesetzt
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 395.
2) Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 204, S. 482.
Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
stromprincip in drei hintereinanderliegenden Röhrensystemen durch- streicht. Die Luft tritt dabei an der kältesten Stelle ein, an der heiſsesten aus, wo sie bis auf 900° erhitzt ist. Der drehbare Mittel- teil des Ofens bildet ein Ganzes und ruht auf einem Drehgestell, das, auf hydraulischem Piston gelagert, von diesem gehoben und dann leicht von einem Mann gedreht wird. Die Drehung erfolgt um 180°.
In 12 Stunden machte man 14 Chargen zu 500 kg, mit steirischem Eisen 15 Chargen, zu Charleroi mit Mètis-Eisen (Feineisen) sogar 20, in Oberschlesien dagegen nur 13 Chargen.
Wie groſs die Kohlenersparnis durch die Verbesserung der Öfen und Feuerungen war, läſst sich auch daraus ermessen, daſs in England der Kohlenverbrauch bei den alten Puddelöfen 1200 kg auf die Tonne betrug, dagegen bei den Siemens-Gasöfen nur 400 kg.
Das flüssige Roheisen aus dem Hochofen unmittelbar zu ver- puddeln und dadurch die Kosten des Umschmelzens zu ersparen, hatte man schon früher häufig versucht, doch ohne besonderen Nutzen, weil das überheiſse Eisen den Schlackenherd rasch zerstörte und der Puddelprozeſs selbst langsamer verlief. Im Jahre 1895 erzielte indessen E. Bonehill zu Hourpes in Belgien 1) nach einem patentierten Ver- fahren auf diesem Wege sehr gute Resultate, indem er in 12 Stunden mit 4 Puddlern 5500 kg Luppen, gegen früher 3200 kg mit 3 Puddlern, zu erzeugen vermochte. Dabei hatte er 10 Prozent weniger Abbrand und eine Kohlenersparnis von etwa 80 Prozent.
Während man durch das mechanische Puddeln und die Ver- besserung der Feuerungen hauptsächlich gröſsere Produktion und Kohlenersparnis erstrebte, suchte man durch chemische Mittel die Qualität des Eisens zu heben, wobei man besonders die Abscheidung von Phosphor und Schwefel im Auge hatte.
1872 hatte Th. Scheerer2) hierfür den Zusatz von Patronen von einem aus gleichen Teilen von Chlornatrium und Chlorcalcium zu- sammengeschmolzenen Gemenge vorgeschlagen.
1874 empfahl Bower ein Reinigungspulver von salpetersaurem Eisenoxyd oder Bleioxyd, während Zenger die Hydrate der Alkalien hierzu anwendete.
Der amerikanische Shermanprozeſs erregte Anfang der siebziger Jahre infolge geschickter Reklame Aufsehen. Es war ein verbessertes Puddelverfahren, bei dem nach dem Rühren Jodkalium zugesetzt
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 395.
2) Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 204, S. 482.
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Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
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streicht. Die Luft tritt dabei an der kältesten Stelle ein, an der
heiſsesten aus, wo sie bis auf 900° erhitzt ist. Der drehbare Mittel-
teil des Ofens bildet ein Ganzes und ruht auf einem Drehgestell, das,
auf hydraulischem Piston gelagert, von diesem gehoben und dann
leicht von einem Mann gedreht wird. Die Drehung erfolgt um 180°.
In 12 Stunden machte man 14 Chargen zu 500 kg, mit steirischem
Eisen 15 Chargen, zu Charleroi mit Mètis-Eisen (Feineisen) sogar 20,
in Oberschlesien dagegen nur 13 Chargen.
Wie groſs die Kohlenersparnis durch die Verbesserung der Öfen
und Feuerungen war, läſst sich auch daraus ermessen, daſs in England
der Kohlenverbrauch bei den alten Puddelöfen 1200 kg auf die Tonne
betrug, dagegen bei den Siemens-Gasöfen nur 400 kg.
Das flüssige Roheisen aus dem Hochofen unmittelbar zu ver-
puddeln und dadurch die Kosten des Umschmelzens zu ersparen,
hatte man schon früher häufig versucht, doch ohne besonderen Nutzen,
weil das überheiſse Eisen den Schlackenherd rasch zerstörte und der
Puddelprozeſs selbst langsamer verlief. Im Jahre 1895 erzielte indessen
E. Bonehill zu Hourpes in Belgien 1) nach einem patentierten Ver-
fahren auf diesem Wege sehr gute Resultate, indem er in 12 Stunden
mit 4 Puddlern 5500 kg Luppen, gegen früher 3200 kg mit 3 Puddlern,
zu erzeugen vermochte. Dabei hatte er 10 Prozent weniger Abbrand
und eine Kohlenersparnis von etwa 80 Prozent.
Während man durch das mechanische Puddeln und die Ver-
besserung der Feuerungen hauptsächlich gröſsere Produktion und
Kohlenersparnis erstrebte, suchte man durch chemische Mittel die
Qualität des Eisens zu heben, wobei man besonders die Abscheidung
von Phosphor und Schwefel im Auge hatte.
1872 hatte Th. Scheerer 2) hierfür den Zusatz von Patronen von
einem aus gleichen Teilen von Chlornatrium und Chlorcalcium zu-
sammengeschmolzenen Gemenge vorgeschlagen.
1874 empfahl Bower ein Reinigungspulver von salpetersaurem
Eisenoxyd oder Bleioxyd, während Zenger die Hydrate der Alkalien
hierzu anwendete.
Der amerikanische Shermanprozeſs erregte Anfang der siebziger
Jahre infolge geschickter Reklame Aufsehen. Es war ein verbessertes
Puddelverfahren, bei dem nach dem Rühren Jodkalium zugesetzt
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 395.
2) Siehe Dingler, Polyt. Journ., Bd. 204, S. 482.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/623>, abgerufen am 22.11.2024.
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