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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Cement- und Tiegelgussstahl.
nicht der Tiegel, der fest eingebaut war, sondern das ganze Öfchen
gekippt, ähnlich wie bei den Reaumurschen Kippöfen für Gusseisen.
Das Kippen konnte mechanisch geschehen.

J. M. Gledhill 1) liess sich 1898 Tiegelöfen mit beweglichen
Böden patentieren (E. P. 1898, Nr. 2817).

Die besten Tiegel bestanden aus Graphit, gutem feuerfestem Thon
und Chamotte; da dieselben aber teuer waren, suchte man sie durch
Thontiegel oder andere
billigere Mischungen zu er-
setzen.

Die Zusammensetzung
der Tiegelsubstanz war von
grossem Einfluss auf den
Stahl. Troost und Haute-
feuille
hatten schon vor
1883 nachgewiesen, dass
Silicium aus der Tiegelwand
reduziert und von Stahl
gelöst wird. Bei quarz-
haltigen Tiegeln war dies
in höherem Masse der
Fall als bei reinen Thon-
tiegeln und bei diesen
wieder mehr als bei Bauxit-
tiegeln. Dr. Friedr. C. G.
Müller
2) wies 1885/86 nach,

[Abbildung] Fig. 294.
dass eine Siliciumaufnahme bis 0,3 Prozent auch im Graphittiegel
stattfinden kann, dass dabei der Kohlenstoffgehalt aber nicht ver-
mindert wird, während in Thontiegeln ohne Graphit das Silicium den
Kohlenstoff teilweise oft bis zur Hälfte verdrängt. In Graphittiegeln
betrug dabei die Anreicherung des Siliciums das Doppelte bis Drei-
fache derjenigen bei den graphitfreien Tiegeln. Dabei schmolz der Stahl
im Graphittiegel ruhig, im Thontiegel aber unruhig und gab blasige
Güsse. Nach Ledebur 3) befördert ein Mangangehalt die Reduktion
der Kieselsäure und die Siliciumaufnahme, während Müller dies
anfangs in Abrede stellte. Nach Albano Brand 4) erfährt der Stahl

1) Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 890.
2) Daselbst 1888, S. 180.
3) Daselbst 1885, S. 603.
4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 695.

Cement- und Tiegelguſsstahl.
nicht der Tiegel, der fest eingebaut war, sondern das ganze Öfchen
gekippt, ähnlich wie bei den Reaumurschen Kippöfen für Guſseisen.
Das Kippen konnte mechanisch geschehen.

J. M. Gledhill 1) lieſs sich 1898 Tiegelöfen mit beweglichen
Böden patentieren (E. P. 1898, Nr. 2817).

Die besten Tiegel bestanden aus Graphit, gutem feuerfestem Thon
und Chamotte; da dieselben aber teuer waren, suchte man sie durch
Thontiegel oder andere
billigere Mischungen zu er-
setzen.

Die Zusammensetzung
der Tiegelsubstanz war von
groſsem Einfluſs auf den
Stahl. Troost und Haute-
feuille
hatten schon vor
1883 nachgewiesen, daſs
Silicium aus der Tiegelwand
reduziert und von Stahl
gelöst wird. Bei quarz-
haltigen Tiegeln war dies
in höherem Maſse der
Fall als bei reinen Thon-
tiegeln und bei diesen
wieder mehr als bei Bauxit-
tiegeln. Dr. Friedr. C. G.
Müller
2) wies 1885/86 nach,

[Abbildung] Fig. 294.
daſs eine Siliciumaufnahme bis 0,3 Prozent auch im Graphittiegel
stattfinden kann, daſs dabei der Kohlenstoffgehalt aber nicht ver-
mindert wird, während in Thontiegeln ohne Graphit das Silicium den
Kohlenstoff teilweise oft bis zur Hälfte verdrängt. In Graphittiegeln
betrug dabei die Anreicherung des Siliciums das Doppelte bis Drei-
fache derjenigen bei den graphitfreien Tiegeln. Dabei schmolz der Stahl
im Graphittiegel ruhig, im Thontiegel aber unruhig und gab blasige
Güsse. Nach Ledebur 3) befördert ein Mangangehalt die Reduktion
der Kieselsäure und die Siliciumaufnahme, während Müller dies
anfangs in Abrede stellte. Nach Albano Brand 4) erfährt der Stahl

1) Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 890.
2) Daselbst 1888, S. 180.
3) Daselbst 1885, S. 603.
4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 695.
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[735/0751] Cement- und Tiegelguſsstahl. nicht der Tiegel, der fest eingebaut war, sondern das ganze Öfchen gekippt, ähnlich wie bei den Reaumurschen Kippöfen für Guſseisen. Das Kippen konnte mechanisch geschehen. J. M. Gledhill 1) lieſs sich 1898 Tiegelöfen mit beweglichen Böden patentieren (E. P. 1898, Nr. 2817). Die besten Tiegel bestanden aus Graphit, gutem feuerfestem Thon und Chamotte; da dieselben aber teuer waren, suchte man sie durch Thontiegel oder andere billigere Mischungen zu er- setzen. Die Zusammensetzung der Tiegelsubstanz war von groſsem Einfluſs auf den Stahl. Troost und Haute- feuille hatten schon vor 1883 nachgewiesen, daſs Silicium aus der Tiegelwand reduziert und von Stahl gelöst wird. Bei quarz- haltigen Tiegeln war dies in höherem Maſse der Fall als bei reinen Thon- tiegeln und bei diesen wieder mehr als bei Bauxit- tiegeln. Dr. Friedr. C. G. Müller 2) wies 1885/86 nach, [Abbildung Fig. 294.] daſs eine Siliciumaufnahme bis 0,3 Prozent auch im Graphittiegel stattfinden kann, daſs dabei der Kohlenstoffgehalt aber nicht ver- mindert wird, während in Thontiegeln ohne Graphit das Silicium den Kohlenstoff teilweise oft bis zur Hälfte verdrängt. In Graphittiegeln betrug dabei die Anreicherung des Siliciums das Doppelte bis Drei- fache derjenigen bei den graphitfreien Tiegeln. Dabei schmolz der Stahl im Graphittiegel ruhig, im Thontiegel aber unruhig und gab blasige Güsse. Nach Ledebur 3) befördert ein Mangangehalt die Reduktion der Kieselsäure und die Siliciumaufnahme, während Müller dies anfangs in Abrede stellte. Nach Albano Brand 4) erfährt der Stahl 1) Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 890. 2) Daselbst 1888, S. 180. 3) Daselbst 1885, S. 603. 4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 695.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/751>, abgerufen am 22.11.2024.