Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite
Stahlformguss.

In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin-
und Tiegelofen in der Weise, dass man den im Martinofen geschmol-
zenen Flussstahl in Tiegel goss und diese im Tiegelofen noch einige
Zeit einer starken Hitze vor dem Vergiessen aussetzte.

Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei,
welche namentlich in Frankreich für den Stahlguss verwendet wurde
und deren Bedeutung heutzutage fast ausschliesslich in dieser Rich-
tung liegt. Besonders waren es Charles Walrand und Eugene
Legenisel
1) in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891),
die durch die zweckmässige Konstruktion ihrer kleinen Konverter
und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er-
höhung der Hitze und Flüssigkeit des Flussmetalls den Stahlguss
förderten.

Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, muss sehr feuer-
beständig sein; der Formsand der Eisengiessereien ist dazu nicht
zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon,
dem man zu grösserer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks
zusetzt.

Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in-
folgedessen sind mehr und grössere Trockenöfen nötig als in den
Eisengiessereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen
Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fuss Länge und 12 Fuss Breite. --
Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen
vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand
aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht 2).
J. Molles in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34
bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter
Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und
vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs
gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon-
ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl,
statt des letzteren später Melasse.

Beim Guss kleiner Stücke muss das Metall sehr heiss sein.
A. Pourcel zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste
um die Herstellung von Stahlguss für Konstruktionszwecke als Ersatz
für Eisenguss, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben.
Es gelang ihm zuerst, grössere Gussstücke dicht zu erhalten 3), die er

1) Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004.
2) Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262.
3) Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474.
Stahlformguſs.

In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin-
und Tiegelofen in der Weise, daſs man den im Martinofen geschmol-
zenen Fluſsstahl in Tiegel goſs und diese im Tiegelofen noch einige
Zeit einer starken Hitze vor dem Vergieſsen aussetzte.

Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei,
welche namentlich in Frankreich für den Stahlguſs verwendet wurde
und deren Bedeutung heutzutage fast ausschlieſslich in dieser Rich-
tung liegt. Besonders waren es Charles Walrand und Eugène
Legenisel
1) in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891),
die durch die zweckmäſsige Konstruktion ihrer kleinen Konverter
und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er-
höhung der Hitze und Flüssigkeit des Fluſsmetalls den Stahlguſs
förderten.

Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, muſs sehr feuer-
beständig sein; der Formsand der Eisengieſsereien ist dazu nicht
zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon,
dem man zu gröſserer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks
zusetzt.

Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in-
folgedessen sind mehr und gröſsere Trockenöfen nötig als in den
Eisengieſsereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen
Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fuſs Länge und 12 Fuſs Breite. —
Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen
vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand
aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht 2).
J. Molles in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34
bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter
Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und
vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs
gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon-
ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl,
statt des letzteren später Melasse.

Beim Guſs kleiner Stücke muſs das Metall sehr heiſs sein.
A. Pourcel zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste
um die Herstellung von Stahlguſs für Konstruktionszwecke als Ersatz
für Eisenguſs, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben.
Es gelang ihm zuerst, gröſsere Guſsstücke dicht zu erhalten 3), die er

1) Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004.
2) Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262.
3) Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0788" n="772"/>
            <fw place="top" type="header">Stahlformgu&#x017F;s.</fw><lb/>
            <p>In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin-<lb/>
und Tiegelofen in der Weise, da&#x017F;s man den im Martinofen geschmol-<lb/>
zenen Flu&#x017F;sstahl in Tiegel go&#x017F;s und diese im Tiegelofen noch einige<lb/>
Zeit einer starken Hitze vor dem Vergie&#x017F;sen aussetzte.</p><lb/>
            <p>Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei,<lb/>
welche namentlich in Frankreich für den Stahlgu&#x017F;s verwendet wurde<lb/>
und deren Bedeutung heutzutage fast ausschlie&#x017F;slich in dieser Rich-<lb/>
tung liegt. Besonders waren es <hi rendition="#g">Charles Walrand</hi> und <hi rendition="#g">Eugène<lb/>
Legenisel</hi> <note place="foot" n="1)">Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004.</note> in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891),<lb/>
die durch die zweckmä&#x017F;sige Konstruktion ihrer kleinen Konverter<lb/>
und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er-<lb/>
höhung der Hitze und Flüssigkeit des Flu&#x017F;smetalls den Stahlgu&#x017F;s<lb/>
förderten.</p><lb/>
            <p>Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, mu&#x017F;s sehr feuer-<lb/>
beständig sein; der Formsand der Eisengie&#x017F;sereien ist dazu nicht<lb/>
zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon,<lb/>
dem man zu grö&#x017F;serer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks<lb/>
zusetzt.</p><lb/>
            <p>Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in-<lb/>
folgedessen sind mehr und grö&#x017F;sere Trockenöfen nötig als in den<lb/>
Eisengie&#x017F;sereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen<lb/>
Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fu&#x017F;s Länge und 12 Fu&#x017F;s Breite. &#x2014;<lb/>
Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen<lb/>
vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand<lb/>
aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht <note place="foot" n="2)">Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262.</note>.<lb/>
J. <hi rendition="#g">Molles</hi> in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34<lb/>
bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter<lb/>
Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und<lb/>
vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs<lb/>
gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon-<lb/>
ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl,<lb/>
statt des letzteren später Melasse.</p><lb/>
            <p>Beim Gu&#x017F;s kleiner Stücke mu&#x017F;s das Metall sehr hei&#x017F;s sein.<lb/>
A. <hi rendition="#g">Pourcel</hi> zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste<lb/>
um die Herstellung von Stahlgu&#x017F;s für Konstruktionszwecke als Ersatz<lb/>
für Eisengu&#x017F;s, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben.<lb/>
Es gelang ihm zuerst, grö&#x017F;sere Gu&#x017F;sstücke dicht zu erhalten <note place="foot" n="3)">Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474.</note>, die er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[772/0788] Stahlformguſs. In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin- und Tiegelofen in der Weise, daſs man den im Martinofen geschmol- zenen Fluſsstahl in Tiegel goſs und diese im Tiegelofen noch einige Zeit einer starken Hitze vor dem Vergieſsen aussetzte. Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei, welche namentlich in Frankreich für den Stahlguſs verwendet wurde und deren Bedeutung heutzutage fast ausschlieſslich in dieser Rich- tung liegt. Besonders waren es Charles Walrand und Eugène Legenisel 1) in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891), die durch die zweckmäſsige Konstruktion ihrer kleinen Konverter und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er- höhung der Hitze und Flüssigkeit des Fluſsmetalls den Stahlguſs förderten. Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, muſs sehr feuer- beständig sein; der Formsand der Eisengieſsereien ist dazu nicht zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon, dem man zu gröſserer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks zusetzt. Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in- folgedessen sind mehr und gröſsere Trockenöfen nötig als in den Eisengieſsereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fuſs Länge und 12 Fuſs Breite. — Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht 2). J. Molles in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34 bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon- ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl, statt des letzteren später Melasse. Beim Guſs kleiner Stücke muſs das Metall sehr heiſs sein. A. Pourcel zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste um die Herstellung von Stahlguſs für Konstruktionszwecke als Ersatz für Eisenguſs, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben. Es gelang ihm zuerst, gröſsere Guſsstücke dicht zu erhalten 3), die er 1) Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004. 2) Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262. 3) Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/788
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/788>, abgerufen am 22.11.2024.