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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Walzwerke.
grössere absolute Festigkeit des Walzproduktes und eine solche all-
seitige Kompression bewirkt, dass das Material jede Querschnitts-
veränderung annähme. Die zweite Hülfsmaschine bestand aus zwei
rotierenden Planscheiben mit geneigten Achsen, Fig. 315. Diese
[Abbildung] Fig. 315.
[Abbildung] Fig. 316.
erteilen dem Werkstück eine rotierende
Bewegung und bewirken ausser der Faser-
drehung und Kompression eine Vorwärts-
bewegung derselben. 3. sollte das Aus-
walzen dicker Blöcke entsprechend in
gleichzeitig umlaufenden Drei- oder
Vierwalzen (Fig. 316) stattfinden. Da
die mittleren Partieen sich nicht entfernen könnten, so würde sich
eine bedeutende Dimensionsveränderung ohne Hohlwerden des Pro-
duktes erreichen lassen; 4. wurde das Durchpressen durch Druck-
eisen vorgeschlagen. 5. Um jede nicht runde Querschnittsform
herzustellen, sollten "Walznasen" gegen das aus den Walzen
tretende runde, glühende und weiche Walzstück drücken. 6. Durch
Vertiefungen in den Walzen sollten Schraubenlinien in das Rund-
eisen gepresst werden. Ferner wollte er mit drei Walzen sogar
Kugeln walzen. Kögels Walzsystem war ein geistreiches neues
Prinzip 1), doch gelang es ihm selbst nicht, dasselbe in die Praxis
einzuführen.

Dies gelang dagegen Mannesmann. Es muss hierbei aber
gleich bemerkt werden, dass "Mannesmann", wonach dieses Schräg-
walzverfahren den Namen erhalten hat, nicht eine, sondern mehrere
Personen dieses Namens umfasst. Zunächst den Vater Reinhard
Mannesmann
sen. in Remscheid, der sich für die Feilen- und
Stahlfabrikation hoch verdient gemacht hatte und den man wohl als
Schöpfer der deutschen Qualitäts-Feilenindustrie bezeichnen darf,
sodann seine Söhne Alfred, Max, Reinhard und Carl 2). Der
Vater Reinhard Mannesmann stand damals bereits im 72. Lebens-
jahre und hat an der Ausbildung des Mannesmann-Walzverfahrens
keinen so grossen Anteil mehr genommen wie seine strebsamen
Söhne. Dennoch gebührt ihm ein wesentlicher Anteil an dem Ruhm
der Erfindung, indem er die Wichtigkeit des neuen Walzverfahrens
schon früh erkannte. Er hatte seit 30 Jahren dem Röhrenwalzen

1) Es muss indes bemerkt werden, dass derselbe Erfindungsgedanke schon
einem englischen Patent von G. W. Dyson und H. A. Hall vom 31. Oktober
1870 (Nr. 2856) zu Grunde lag.
2) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 457.

Die Walzwerke.
gröſsere absolute Festigkeit des Walzproduktes und eine solche all-
seitige Kompression bewirkt, daſs das Material jede Querschnitts-
veränderung annähme. Die zweite Hülfsmaschine bestand aus zwei
rotierenden Planscheiben mit geneigten Achsen, Fig. 315. Diese
[Abbildung] Fig. 315.
[Abbildung] Fig. 316.
erteilen dem Werkstück eine rotierende
Bewegung und bewirken auſser der Faser-
drehung und Kompression eine Vorwärts-
bewegung derselben. 3. sollte das Aus-
walzen dicker Blöcke entsprechend in
gleichzeitig umlaufenden Drei- oder
Vierwalzen (Fig. 316) stattfinden. Da
die mittleren Partieen sich nicht entfernen könnten, so würde sich
eine bedeutende Dimensionsveränderung ohne Hohlwerden des Pro-
duktes erreichen lassen; 4. wurde das Durchpressen durch Druck-
eisen vorgeschlagen. 5. Um jede nicht runde Querschnittsform
herzustellen, sollten „Walznasen“ gegen das aus den Walzen
tretende runde, glühende und weiche Walzstück drücken. 6. Durch
Vertiefungen in den Walzen sollten Schraubenlinien in das Rund-
eisen gepreſst werden. Ferner wollte er mit drei Walzen sogar
Kugeln walzen. Kögels Walzsystem war ein geistreiches neues
Prinzip 1), doch gelang es ihm selbst nicht, dasselbe in die Praxis
einzuführen.

Dies gelang dagegen Mannesmann. Es muſs hierbei aber
gleich bemerkt werden, daſs „Mannesmann“, wonach dieses Schräg-
walzverfahren den Namen erhalten hat, nicht eine, sondern mehrere
Personen dieses Namens umfaſst. Zunächst den Vater Reinhard
Mannesmann
sen. in Remscheid, der sich für die Feilen- und
Stahlfabrikation hoch verdient gemacht hatte und den man wohl als
Schöpfer der deutschen Qualitäts-Feilenindustrie bezeichnen darf,
sodann seine Söhne Alfred, Max, Reinhard und Carl 2). Der
Vater Reinhard Mannesmann stand damals bereits im 72. Lebens-
jahre und hat an der Ausbildung des Mannesmann-Walzverfahrens
keinen so groſsen Anteil mehr genommen wie seine strebsamen
Söhne. Dennoch gebührt ihm ein wesentlicher Anteil an dem Ruhm
der Erfindung, indem er die Wichtigkeit des neuen Walzverfahrens
schon früh erkannte. Er hatte seit 30 Jahren dem Röhrenwalzen

1) Es muſs indes bemerkt werden, daſs derselbe Erfindungsgedanke schon
einem englischen Patent von G. W. Dyson und H. A. Hall vom 31. Oktober
1870 (Nr. 2856) zu Grunde lag.
2) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 457.
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[802/0818] Die Walzwerke. gröſsere absolute Festigkeit des Walzproduktes und eine solche all- seitige Kompression bewirkt, daſs das Material jede Querschnitts- veränderung annähme. Die zweite Hülfsmaschine bestand aus zwei rotierenden Planscheiben mit geneigten Achsen, Fig. 315. Diese [Abbildung Fig. 315.] [Abbildung Fig. 316.] erteilen dem Werkstück eine rotierende Bewegung und bewirken auſser der Faser- drehung und Kompression eine Vorwärts- bewegung derselben. 3. sollte das Aus- walzen dicker Blöcke entsprechend in gleichzeitig umlaufenden Drei- oder Vierwalzen (Fig. 316) stattfinden. Da die mittleren Partieen sich nicht entfernen könnten, so würde sich eine bedeutende Dimensionsveränderung ohne Hohlwerden des Pro- duktes erreichen lassen; 4. wurde das Durchpressen durch Druck- eisen vorgeschlagen. 5. Um jede nicht runde Querschnittsform herzustellen, sollten „Walznasen“ gegen das aus den Walzen tretende runde, glühende und weiche Walzstück drücken. 6. Durch Vertiefungen in den Walzen sollten Schraubenlinien in das Rund- eisen gepreſst werden. Ferner wollte er mit drei Walzen sogar Kugeln walzen. Kögels Walzsystem war ein geistreiches neues Prinzip 1), doch gelang es ihm selbst nicht, dasselbe in die Praxis einzuführen. Dies gelang dagegen Mannesmann. Es muſs hierbei aber gleich bemerkt werden, daſs „Mannesmann“, wonach dieses Schräg- walzverfahren den Namen erhalten hat, nicht eine, sondern mehrere Personen dieses Namens umfaſst. Zunächst den Vater Reinhard Mannesmann sen. in Remscheid, der sich für die Feilen- und Stahlfabrikation hoch verdient gemacht hatte und den man wohl als Schöpfer der deutschen Qualitäts-Feilenindustrie bezeichnen darf, sodann seine Söhne Alfred, Max, Reinhard und Carl 2). Der Vater Reinhard Mannesmann stand damals bereits im 72. Lebens- jahre und hat an der Ausbildung des Mannesmann-Walzverfahrens keinen so groſsen Anteil mehr genommen wie seine strebsamen Söhne. Dennoch gebührt ihm ein wesentlicher Anteil an dem Ruhm der Erfindung, indem er die Wichtigkeit des neuen Walzverfahrens schon früh erkannte. Er hatte seit 30 Jahren dem Röhrenwalzen 1) Es muſs indes bemerkt werden, daſs derselbe Erfindungsgedanke schon einem englischen Patent von G. W. Dyson und H. A. Hall vom 31. Oktober 1870 (Nr. 2856) zu Grunde lag. 2) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 457.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/818>, abgerufen am 22.11.2024.