maschine, wenn es nur gelingt, die Kraft in einem schweren, rasch umlaufenden Schwungrad, das als Kraftspeicher dient, anzusammeln und im Augenblick der Arbeit auszunutzen. Die Mannesmann ver- wendeten in Remscheid als Motor eine alte Eisenbahnlokomotive in Verbindung mit einem Schwungrad, das sie nicht aus Gusseisen her- stellten, sondern aus einem Armstern aus Schmiedeeisenstäben, welche sich tangential um eine Nabenscheibe aufbauten und um welche ein starker Kranz von Stahldraht gewickelt war (D. R. P. Nr. 47209). Diesem Radkranz konnten sie die 21/2fache Umfangsgeschwindigkeit als einem Kranz aus Gusseisen geben. Bemerkenswert war ferner noch die Verwendung von Flächendruckrädern an Stelle von Kegel- rädern zur Übersetzung und die "Schnittgelenkkuppelung".
Die scheinbare Einfachheit der Erfindung und Ausführung der Gebrüder Mannesmann, die wie das Ei des Kolumbus erschien, er- zeugte einen Hoffnungstaumel, welcher der Sache mehr geschadet als genutzt hat. Berühmte Professoren und Industrielle hielten be- geisterte Vorträge über das Mannesmannverfahren, so namentlich Fr. Siemens in Dresden am 30. April 1888 1) und Professor Reu- leaux im Architektenhause zu Berlin am 16. April 1890 2), worin sie dem neuen Verfahren die glänzendste Zukunft vorhersagten. Die warnende Stimme des klaren, erfahrenen Pet. von Tunner, der in einem am 22. Dezember 1888 gehaltenen Vortrage zwar das Originelle der Erfindung voll anerkannte, vor überschwenglichen Hoffnungen aber warnte, indem er auf die Kosten hinwies und sagte: Die Mehrkosten dieser Fabrikate werden wohl nur in jenen relativ seltenen Fällen gezahlt werden, wo Röhren, "nach dem bisher üblichen Verfahren dargestellt, nicht gut zu verwenden sind", wurde überhört. Es bildete sich 1890 die Deutsch-österreichische Mannesmann-Röhrenwalzgesellschaft in Berlin mit einem Kapital von 36 Millionen Mark, wovon angeblich 16 Millionen den Gebrüdern Mannesmann für ihre Erfindungspatente gezahlt wurden. Die Ge- sellschaft übernahm die von den Brüdern Mannesmann gegründeten Werke in Deutschland und Österreich. Es waren dies die Röhren- walzwerke Remscheid, Komotau in Böhmen und Bous an der Saar 3).
1) Im Sächsischen Architekten- und Ingenieurverein.
2) Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni 1890.
3) Mitteilungen über diese Werke von J. Castner in Stahl und Eisen 1895, S. 526; 1896, S. 102 u. 144. Ausserdem entstand in England die Mannesmann- Tube-Company zu Landore und ein Werk für Metallröhren von Heckmann zu Duisburg.
Die Walzwerke.
maschine, wenn es nur gelingt, die Kraft in einem schweren, rasch umlaufenden Schwungrad, das als Kraftspeicher dient, anzusammeln und im Augenblick der Arbeit auszunutzen. Die Mannesmann ver- wendeten in Remscheid als Motor eine alte Eisenbahnlokomotive in Verbindung mit einem Schwungrad, das sie nicht aus Guſseisen her- stellten, sondern aus einem Armstern aus Schmiedeeisenstäben, welche sich tangential um eine Nabenscheibe aufbauten und um welche ein starker Kranz von Stahldraht gewickelt war (D. R. P. Nr. 47209). Diesem Radkranz konnten sie die 2½fache Umfangsgeschwindigkeit als einem Kranz aus Guſseisen geben. Bemerkenswert war ferner noch die Verwendung von Flächendruckrädern an Stelle von Kegel- rädern zur Übersetzung und die „Schnittgelenkkuppelung“.
Die scheinbare Einfachheit der Erfindung und Ausführung der Gebrüder Mannesmann, die wie das Ei des Kolumbus erschien, er- zeugte einen Hoffnungstaumel, welcher der Sache mehr geschadet als genutzt hat. Berühmte Professoren und Industrielle hielten be- geisterte Vorträge über das Mannesmannverfahren, so namentlich Fr. Siemens in Dresden am 30. April 1888 1) und Professor Reu- leaux im Architektenhause zu Berlin am 16. April 1890 2), worin sie dem neuen Verfahren die glänzendste Zukunft vorhersagten. Die warnende Stimme des klaren, erfahrenen Pet. von Tunner, der in einem am 22. Dezember 1888 gehaltenen Vortrage zwar das Originelle der Erfindung voll anerkannte, vor überschwenglichen Hoffnungen aber warnte, indem er auf die Kosten hinwies und sagte: Die Mehrkosten dieser Fabrikate werden wohl nur in jenen relativ seltenen Fällen gezahlt werden, wo Röhren, „nach dem bisher üblichen Verfahren dargestellt, nicht gut zu verwenden sind“, wurde überhört. Es bildete sich 1890 die Deutsch-österreichische Mannesmann-Röhrenwalzgesellschaft in Berlin mit einem Kapital von 36 Millionen Mark, wovon angeblich 16 Millionen den Gebrüdern Mannesmann für ihre Erfindungspatente gezahlt wurden. Die Ge- sellschaft übernahm die von den Brüdern Mannesmann gegründeten Werke in Deutschland und Österreich. Es waren dies die Röhren- walzwerke Remscheid, Komotau in Böhmen und Bous an der Saar 3).
1) Im Sächsischen Architekten- und Ingenieurverein.
2) Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni 1890.
3) Mitteilungen über diese Werke von J. Castner in Stahl und Eisen 1895, S. 526; 1896, S. 102 u. 144. Auſserdem entstand in England die Mannesmann- Tube-Company zu Landore und ein Werk für Metallröhren von Heckmann zu Duisburg.
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[806/0822]
Die Walzwerke.
maschine, wenn es nur gelingt, die Kraft in einem schweren, rasch
umlaufenden Schwungrad, das als Kraftspeicher dient, anzusammeln
und im Augenblick der Arbeit auszunutzen. Die Mannesmann ver-
wendeten in Remscheid als Motor eine alte Eisenbahnlokomotive in
Verbindung mit einem Schwungrad, das sie nicht aus Guſseisen her-
stellten, sondern aus einem Armstern aus Schmiedeeisenstäben, welche
sich tangential um eine Nabenscheibe aufbauten und um welche ein
starker Kranz von Stahldraht gewickelt war (D. R. P. Nr. 47209).
Diesem Radkranz konnten sie die 2½fache Umfangsgeschwindigkeit
als einem Kranz aus Guſseisen geben. Bemerkenswert war ferner
noch die Verwendung von Flächendruckrädern an Stelle von Kegel-
rädern zur Übersetzung und die „Schnittgelenkkuppelung“.
Die scheinbare Einfachheit der Erfindung und Ausführung der
Gebrüder Mannesmann, die wie das Ei des Kolumbus erschien, er-
zeugte einen Hoffnungstaumel, welcher der Sache mehr geschadet
als genutzt hat. Berühmte Professoren und Industrielle hielten be-
geisterte Vorträge über das Mannesmannverfahren, so namentlich
Fr. Siemens in Dresden am 30. April 1888 1) und Professor Reu-
leaux im Architektenhause zu Berlin am 16. April 1890 2), worin sie
dem neuen Verfahren die glänzendste Zukunft vorhersagten. Die
warnende Stimme des klaren, erfahrenen Pet. von Tunner, der
in einem am 22. Dezember 1888 gehaltenen Vortrage zwar das
Originelle der Erfindung voll anerkannte, vor überschwenglichen
Hoffnungen aber warnte, indem er auf die Kosten hinwies und sagte:
Die Mehrkosten dieser Fabrikate werden wohl nur in jenen relativ
seltenen Fällen gezahlt werden, wo Röhren, „nach dem bisher
üblichen Verfahren dargestellt, nicht gut zu verwenden sind“,
wurde überhört. Es bildete sich 1890 die Deutsch-österreichische
Mannesmann-Röhrenwalzgesellschaft in Berlin mit einem Kapital von
36 Millionen Mark, wovon angeblich 16 Millionen den Gebrüdern
Mannesmann für ihre Erfindungspatente gezahlt wurden. Die Ge-
sellschaft übernahm die von den Brüdern Mannesmann gegründeten
Werke in Deutschland und Österreich. Es waren dies die Röhren-
walzwerke Remscheid, Komotau in Böhmen und Bous an der Saar 3).
1) Im Sächsischen Architekten- und Ingenieurverein.
2) Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni 1890.
3) Mitteilungen über diese Werke von J. Castner in Stahl und Eisen 1895,
S. 526; 1896, S. 102 u. 144. Auſserdem entstand in England die Mannesmann-
Tube-Company zu Landore und ein Werk für Metallröhren von Heckmann zu
Duisburg.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/822>, abgerufen am 22.11.2024.
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