Von diesen war das zu Komotau das grösste. Es war aus einem älteren Werk entstanden, das 1887 von der "Kommanditgesellschaft Mannesmann" nach der Erteilung des österreichischen Patentes er- worben und für den Zweck eingerichtet worden war; 1895 beschäftigte das Werk 700 Arbeiter. Es erzeugt Röhren aller Art, besonders Siede- röhren für die österreichischen Bahnen. Bous an der Saar, das jüngste und kleinste der Werke, lieferte als Spezialität Stahlflaschen für komprimierte Kohlensäure und andere verdichtete Gase, sowie Präzisionsröhren. Erst 1892 erschien das Werk mit seinen Stahlflaschen auf dem Markt. Die Mannesmann-Röhrenwalzwerksgesellschaft hat schweres Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie zu einem geregelten Betriebe kam. Wohl hatte sie die Erfindung und die Ausführung der Erfindung erworben, aber die dritte schwere Aufgabe, das neue Produkt mit Vorteil herzustellen und zu vertreiben, musste erst gelöst werden. Viele Jahre hindurch arbeitete die Gesellschaft ohne Nutzen und musste viele Millionen ihres Kapitalvermögens zusetzen. -- Anfangs wollte man die mannigfaltigsten Artikel, namentlich auch Gegen- stände für das Kunstgewerbe, hohle Eisenbahnschienen und Träger u. s. w. herstellen. Erst allmählich überzeugte man sich, dass nur in der Röhrenfabrikation für bestimmte Zwecke die Möglichkeit eines gewinn- bringenden Betriebes liege. Die jetzt von den Mannesmannwerken ausschliesslich hergestellten Artikel sind: Leitungsröhren, besonders für Hochdruckleitungen, stufenförmig abgesetzte Masten für Schiffe, für elektrische Beleuchtung und zur Stromzuführung an elektrische Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestänge- röhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserröhren für Lokomotiv- und Schiffskessel, Stahlflaschen, ferner durch Kaltziehen hergestellte dünnwandige Stahlröhren (Präzisionsröhren), besonders für Fahrräder. Für militärische Zwecke fauden Mannesmannröhren für Granathülsen und für Lanzenschäfte Verwendung. Die Fabrikation hat sich fortschreitend entwickelt. Anfänglich glaubte man alles auf dem oben skizzierten Schrägwalzwerk, dem sogenannten Blockapparat, erreichen zu müssen. Bald aber überzeugte man sich, dass nur die Vorarbeit, die erste Anfertigung dickwandiger Röhren, vorteilhaft auf dem Blockapparat geschieht, die weiteren Arbeiten, wie besonders das Aufweiten, Umbördlen u. s. w., auf besonderen Apparaten aus- zuführen seien.
Hierfür erfand Reinhard Mannesmann jun. (1890 bis 1895) sein sogenanntes "Pilgerwalzwerk" (D. R. P. Nr. 84778) für schritt- förmiges Walzen durch eigenartige Bewegung der Arbeitswalzen; mit
Die Walzwerke.
Von diesen war das zu Komotau das gröſste. Es war aus einem älteren Werk entstanden, das 1887 von der „Kommanditgesellschaft Mannesmann“ nach der Erteilung des österreichischen Patentes er- worben und für den Zweck eingerichtet worden war; 1895 beschäftigte das Werk 700 Arbeiter. Es erzeugt Röhren aller Art, besonders Siede- röhren für die österreichischen Bahnen. Bous an der Saar, das jüngste und kleinste der Werke, lieferte als Spezialität Stahlflaschen für komprimierte Kohlensäure und andere verdichtete Gase, sowie Präzisionsröhren. Erst 1892 erschien das Werk mit seinen Stahlflaschen auf dem Markt. Die Mannesmann-Röhrenwalzwerksgesellschaft hat schweres Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie zu einem geregelten Betriebe kam. Wohl hatte sie die Erfindung und die Ausführung der Erfindung erworben, aber die dritte schwere Aufgabe, das neue Produkt mit Vorteil herzustellen und zu vertreiben, muſste erst gelöst werden. Viele Jahre hindurch arbeitete die Gesellschaft ohne Nutzen und muſste viele Millionen ihres Kapitalvermögens zusetzen. — Anfangs wollte man die mannigfaltigsten Artikel, namentlich auch Gegen- stände für das Kunstgewerbe, hohle Eisenbahnschienen und Träger u. s. w. herstellen. Erst allmählich überzeugte man sich, daſs nur in der Röhrenfabrikation für bestimmte Zwecke die Möglichkeit eines gewinn- bringenden Betriebes liege. Die jetzt von den Mannesmannwerken ausschlieſslich hergestellten Artikel sind: Leitungsröhren, besonders für Hochdruckleitungen, stufenförmig abgesetzte Masten für Schiffe, für elektrische Beleuchtung und zur Stromzuführung an elektrische Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestänge- röhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserröhren für Lokomotiv- und Schiffskessel, Stahlflaschen, ferner durch Kaltziehen hergestellte dünnwandige Stahlröhren (Präzisionsröhren), besonders für Fahrräder. Für militärische Zwecke fauden Mannesmannröhren für Granathülsen und für Lanzenschäfte Verwendung. Die Fabrikation hat sich fortschreitend entwickelt. Anfänglich glaubte man alles auf dem oben skizzierten Schrägwalzwerk, dem sogenannten Blockapparat, erreichen zu müssen. Bald aber überzeugte man sich, daſs nur die Vorarbeit, die erste Anfertigung dickwandiger Röhren, vorteilhaft auf dem Blockapparat geschieht, die weiteren Arbeiten, wie besonders das Aufweiten, Umbördlen u. s. w., auf besonderen Apparaten aus- zuführen seien.
Hierfür erfand Reinhard Mannesmann jun. (1890 bis 1895) sein sogenanntes „Pilgerwalzwerk“ (D. R. P. Nr. 84778) für schritt- förmiges Walzen durch eigenartige Bewegung der Arbeitswalzen; mit
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Die Walzwerke.
Von diesen war das zu Komotau das gröſste. Es war aus einem
älteren Werk entstanden, das 1887 von der „Kommanditgesellschaft
Mannesmann“ nach der Erteilung des österreichischen Patentes er-
worben und für den Zweck eingerichtet worden war; 1895 beschäftigte
das Werk 700 Arbeiter. Es erzeugt Röhren aller Art, besonders Siede-
röhren für die österreichischen Bahnen. Bous an der Saar, das
jüngste und kleinste der Werke, lieferte als Spezialität Stahlflaschen
für komprimierte Kohlensäure und andere verdichtete Gase, sowie
Präzisionsröhren. Erst 1892 erschien das Werk mit seinen Stahlflaschen
auf dem Markt. Die Mannesmann-Röhrenwalzwerksgesellschaft hat
schweres Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie zu einem geregelten Betriebe
kam. Wohl hatte sie die Erfindung und die Ausführung der Erfindung
erworben, aber die dritte schwere Aufgabe, das neue Produkt mit
Vorteil herzustellen und zu vertreiben, muſste erst gelöst werden.
Viele Jahre hindurch arbeitete die Gesellschaft ohne Nutzen und
muſste viele Millionen ihres Kapitalvermögens zusetzen. — Anfangs
wollte man die mannigfaltigsten Artikel, namentlich auch Gegen-
stände für das Kunstgewerbe, hohle Eisenbahnschienen und Träger u. s. w.
herstellen. Erst allmählich überzeugte man sich, daſs nur in der
Röhrenfabrikation für bestimmte Zwecke die Möglichkeit eines gewinn-
bringenden Betriebes liege. Die jetzt von den Mannesmannwerken
ausschlieſslich hergestellten Artikel sind: Leitungsröhren, besonders
für Hochdruckleitungen, stufenförmig abgesetzte Masten für Schiffe,
für elektrische Beleuchtung und zur Stromzuführung an elektrische
Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestänge-
röhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserröhren für Lokomotiv-
und Schiffskessel, Stahlflaschen, ferner durch Kaltziehen hergestellte
dünnwandige Stahlröhren (Präzisionsröhren), besonders für Fahrräder.
Für militärische Zwecke fauden Mannesmannröhren für Granathülsen
und für Lanzenschäfte Verwendung. Die Fabrikation hat sich
fortschreitend entwickelt. Anfänglich glaubte man alles auf dem
oben skizzierten Schrägwalzwerk, dem sogenannten Blockapparat,
erreichen zu müssen. Bald aber überzeugte man sich, daſs nur die
Vorarbeit, die erste Anfertigung dickwandiger Röhren, vorteilhaft auf
dem Blockapparat geschieht, die weiteren Arbeiten, wie besonders
das Aufweiten, Umbördlen u. s. w., auf besonderen Apparaten aus-
zuführen seien.
Hierfür erfand Reinhard Mannesmann jun. (1890 bis 1895)
sein sogenanntes „Pilgerwalzwerk“ (D. R. P. Nr. 84778) für schritt-
förmiges Walzen durch eigenartige Bewegung der Arbeitswalzen; mit
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/823>, abgerufen am 22.11.2024.
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