Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Grossbritannien.
erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt.
Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung
des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein
dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres
Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerprozess unbrauchbar
waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren
nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur
noch eine Firma, Brown, Bayley & Dixon in Sheffield, den
basischen Konverterprozess auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt-
erzeugung von Thomasstahl in Grossbritannien in diesem Jahre betrug
nur 1150 Tonnen.

Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in
Grossbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen
und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein-
führung kamen, vorführen.

Die Tiegel-Gussstahlfabrikation hatte durch die Einführung der
von Siemens konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen
Aufschwung erfahren. -- Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von
Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram-
stahl nach Mushets Patent stellte die Titanic Forest Steel Company
in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. Brown & Co. in Sheffield
die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von Baur in Brooklyn
ein, während 1878 Seebohm & Dickstahl in Sheffield Chromstahl
nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte James
Riley
das Verfahren von Pourcel in Terre-Noire zur Herstellung
dichter Güsse in England ein.

Von grosser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem
Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Giessverfahrens,
wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgiessen von
Flussstahl auf erwärmte Flusseisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte
der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl-
werk von Cammell & Co. nach dem Verfahren von A. Wilson und
bei J. Brown & Co. nach J. H. Ellis' Erfindung. Der Inflexible war
das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde.

Tresidder gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit
Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter
Stahlgüsse war Sir Jos. Whitworths Giessen unter starkem Druck,
wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte.

Die Verarbeitung des Flusseisens führte zu zahlreichen Ver-

Groſsbritannien.
erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt.
Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung
des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein
dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres
Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerprozeſs unbrauchbar
waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren
nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur
noch eine Firma, Brown, Bayley & Dixon in Sheffield, den
basischen Konverterprozeſs auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt-
erzeugung von Thomasstahl in Groſsbritannien in diesem Jahre betrug
nur 1150 Tonnen.

Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in
Groſsbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen
und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein-
führung kamen, vorführen.

Die Tiegel-Guſsstahlfabrikation hatte durch die Einführung der
von Siemens konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen
Aufschwung erfahren. — Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von
Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram-
stahl nach Mushets Patent stellte die Titanic Forest Steel Company
in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. Brown & Co. in Sheffield
die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von Baur in Brooklyn
ein, während 1878 Seebohm & Dickstahl in Sheffield Chromstahl
nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte James
Riley
das Verfahren von Pourcel in Terre-Noire zur Herstellung
dichter Güsse in England ein.

Von groſser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem
Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Gieſsverfahrens,
wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgieſsen von
Fluſsstahl auf erwärmte Fluſseisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte
der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl-
werk von Cammell & Co. nach dem Verfahren von A. Wilson und
bei J. Brown & Co. nach J. H. Ellis’ Erfindung. Der Inflexible war
das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde.

Tresidder gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit
Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter
Stahlgüsse war Sir Jos. Whitworths Gieſsen unter starkem Druck,
wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte.

Die Verarbeitung des Fluſseisens führte zu zahlreichen Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0943" n="927"/><fw place="top" type="header">Gro&#x017F;sbritannien.</fw><lb/>
erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt.<lb/>
Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung<lb/>
des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein<lb/>
dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres<lb/>
Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerproze&#x017F;s unbrauchbar<lb/>
waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren<lb/>
nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur<lb/>
noch eine Firma, <hi rendition="#g">Brown, Bayley &amp; Dixon</hi> in Sheffield, den<lb/>
basischen Konverterproze&#x017F;s auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt-<lb/>
erzeugung von Thomasstahl in Gro&#x017F;sbritannien in diesem Jahre betrug<lb/>
nur 1150 Tonnen.</p><lb/>
          <p>Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in<lb/>
Gro&#x017F;sbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen<lb/>
und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein-<lb/>
führung kamen, vorführen.</p><lb/>
          <p>Die Tiegel-Gu&#x017F;sstahlfabrikation hatte durch die Einführung der<lb/>
von <hi rendition="#g">Siemens</hi> konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen<lb/>
Aufschwung erfahren. &#x2014; Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von<lb/>
Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram-<lb/>
stahl nach <hi rendition="#g">Mushets</hi> Patent stellte die Titanic Forest Steel Company<lb/>
in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. <hi rendition="#g">Brown &amp; Co</hi>. in Sheffield<lb/>
die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von <hi rendition="#g">Baur</hi> in Brooklyn<lb/>
ein, während 1878 <hi rendition="#g">Seebohm &amp; Dickstahl</hi> in Sheffield Chromstahl<lb/>
nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte <hi rendition="#g">James<lb/>
Riley</hi> das Verfahren von <hi rendition="#g">Pourcel</hi> in Terre-Noire zur Herstellung<lb/>
dichter Güsse in England ein.</p><lb/>
          <p>Von gro&#x017F;ser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem<lb/>
Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Gie&#x017F;sverfahrens,<lb/>
wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgie&#x017F;sen von<lb/>
Flu&#x017F;sstahl auf erwärmte Flu&#x017F;seisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte<lb/>
der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl-<lb/>
werk von <hi rendition="#g">Cammell &amp; Co</hi>. nach dem Verfahren von A. <hi rendition="#g">Wilson</hi> und<lb/>
bei J. <hi rendition="#g">Brown &amp; Co</hi>. nach J. H. <hi rendition="#g">Ellis&#x2019;</hi> Erfindung. Der Inflexible war<lb/>
das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Tresidder</hi> gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit<lb/>
Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter<lb/>
Stahlgüsse war Sir <hi rendition="#g">Jos. Whitworths</hi> Gie&#x017F;sen unter starkem Druck,<lb/>
wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte.</p><lb/>
          <p>Die Verarbeitung des Flu&#x017F;seisens führte zu zahlreichen Ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[927/0943] Groſsbritannien. erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt. Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerprozeſs unbrauchbar waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur noch eine Firma, Brown, Bayley & Dixon in Sheffield, den basischen Konverterprozeſs auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt- erzeugung von Thomasstahl in Groſsbritannien in diesem Jahre betrug nur 1150 Tonnen. Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in Groſsbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein- führung kamen, vorführen. Die Tiegel-Guſsstahlfabrikation hatte durch die Einführung der von Siemens konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen Aufschwung erfahren. — Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram- stahl nach Mushets Patent stellte die Titanic Forest Steel Company in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. Brown & Co. in Sheffield die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von Baur in Brooklyn ein, während 1878 Seebohm & Dickstahl in Sheffield Chromstahl nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte James Riley das Verfahren von Pourcel in Terre-Noire zur Herstellung dichter Güsse in England ein. Von groſser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Gieſsverfahrens, wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgieſsen von Fluſsstahl auf erwärmte Fluſseisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl- werk von Cammell & Co. nach dem Verfahren von A. Wilson und bei J. Brown & Co. nach J. H. Ellis’ Erfindung. Der Inflexible war das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde. Tresidder gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter Stahlgüsse war Sir Jos. Whitworths Gieſsen unter starkem Druck, wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte. Die Verarbeitung des Fluſseisens führte zu zahlreichen Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/943
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/943>, abgerufen am 22.11.2024.