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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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gefährliche Dinge fern halten. Ja es fragt sich, ob es nicht
besser wäre, es spränge alle hundert Jahre ein Pulvermagazin
in die Luft, statt daß langsam und schleichend alle Tage Hun-
derte und Tausende dahin serbeln. Aber so ist's. Man sieht
nur auf's Kopfabhauen und in die Luft springen. Das lang-
same, viel schmählichere und sicherere Hinsterben und Hinmorden
beachtet man nicht; es kracht eben nicht und blutet nicht. Es
nimmt nur so allmälig ab; man kann dabei doch hübsch still
in Ruhe bleiben. Der Staat hat das Recht und die Pflicht
gewisse Forderungen der Reinlichkeit zu stellen, das Ueberfüllen
der Wohnungen, das Durcheinanderleben der Geschlechter zu
verbieten. Wer als Eigenthümer schlecht wohnen will, der hat
dazu das Recht; aber sobald er der Umgebung Schaden oder
Gefahr bringt, so klopfe man ihm auf die Finger. Wer Häuser
vermiethet, der tritt damit in die Reihe der Kaufleute und Spe-
kulanten. Wie man bei Lebensmittelhändlern eine gewisse Ga-
rantie fordert, unreife Früchte wegnimmt, verfälschte giftige Ge-
tränke ausschüttet und den Verkäufer noch obendrein bestraft,
so ist auch der Häuservermiether einer Controlle zu unterwerfen.
Warum soll der Menschen massenweise in schlechte ungesunde
Winkel zusammen pfropfen dürfen? Warum soll der mit macht-
losen, wehrlosen armen Leuten, die gezwungen sind, verfahren
dürfen wie mit der elendesten gemeinsten Waare! Wenn Metzger
Kälber auf die Wagen unmenschlich zusammen laden, so verachtet
oder straft man sie. Es werden oft Menschen nicht besser zu-
sammengepackt; denn was die Kälber eine kurze Zeit lang
schlechter dran sind, muß dagegen der arme Mensch Tag und
Nacht, Jahre lang in seiner ungesunden Wohnung sein. Der
Staat sieht bis jetzt an vielen Orten in den Häusern nur darauf
nach, ob Feuersgefahr vorhanden sei. Man sollte die Häuser
auch darauf ansehen, ob Lebensgefahr vorhanden sei. Und
wenn man auch im Anfang nur einschreiten könnte, wo in
flagranter Weise gesündigt wird, und in den meisten Fällen
nur rathen und ermuntern: es würde nach und nach schon
besser kommen. Für das, was unsere Haut berührt, unser
Leben, sind wir ziemlich empfänglich. Da nähmen wir gute
Lehre besser an, als wenn man etwa einen Radikalen conservativ

gefährliche Dinge fern halten. Ja es fragt ſich, ob es nicht
beſſer wäre, es ſpränge alle hundert Jahre ein Pulvermagazin
in die Luft, ſtatt daß langſam und ſchleichend alle Tage Hun-
derte und Tauſende dahin ſerbeln. Aber ſo iſt's. Man ſieht
nur auf's Kopfabhauen und in die Luft ſpringen. Das lang-
ſame, viel ſchmählichere und ſicherere Hinſterben und Hinmorden
beachtet man nicht; es kracht eben nicht und blutet nicht. Es
nimmt nur ſo allmälig ab; man kann dabei doch hübſch ſtill
in Ruhe bleiben. Der Staat hat das Recht und die Pflicht
gewiſſe Forderungen der Reinlichkeit zu ſtellen, das Ueberfüllen
der Wohnungen, das Durcheinanderleben der Geſchlechter zu
verbieten. Wer als Eigenthümer ſchlecht wohnen will, der hat
dazu das Recht; aber ſobald er der Umgebung Schaden oder
Gefahr bringt, ſo klopfe man ihm auf die Finger. Wer Häuſer
vermiethet, der tritt damit in die Reihe der Kaufleute und Spe-
kulanten. Wie man bei Lebensmittelhändlern eine gewiſſe Ga-
rantie fordert, unreife Früchte wegnimmt, verfälſchte giftige Ge-
tränke ausſchüttet und den Verkäufer noch obendrein beſtraft,
ſo iſt auch der Häuſervermiether einer Controlle zu unterwerfen.
Warum ſoll der Menſchen maſſenweiſe in ſchlechte ungeſunde
Winkel zuſammen pfropfen dürfen? Warum ſoll der mit macht-
loſen, wehrloſen armen Leuten, die gezwungen ſind, verfahren
dürfen wie mit der elendeſten gemeinſten Waare! Wenn Metzger
Kälber auf die Wagen unmenſchlich zuſammen laden, ſo verachtet
oder ſtraft man ſie. Es werden oft Menſchen nicht beſſer zu-
ſammengepackt; denn was die Kälber eine kurze Zeit lang
ſchlechter dran ſind, muß dagegen der arme Menſch Tag und
Nacht, Jahre lang in ſeiner ungeſunden Wohnung ſein. Der
Staat ſieht bis jetzt an vielen Orten in den Häuſern nur darauf
nach, ob Feuersgefahr vorhanden ſei. Man ſollte die Häuſer
auch darauf anſehen, ob Lebensgefahr vorhanden ſei. Und
wenn man auch im Anfang nur einſchreiten könnte, wo in
flagranter Weiſe geſündigt wird, und in den meiſten Fällen
nur rathen und ermuntern: es würde nach und nach ſchon
beſſer kommen. Für das, was unſere Haut berührt, unſer
Leben, ſind wir ziemlich empfänglich. Da nähmen wir gute
Lehre beſſer an, als wenn man etwa einen Radikalen conſervativ

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[55/0055] gefährliche Dinge fern halten. Ja es fragt ſich, ob es nicht beſſer wäre, es ſpränge alle hundert Jahre ein Pulvermagazin in die Luft, ſtatt daß langſam und ſchleichend alle Tage Hun- derte und Tauſende dahin ſerbeln. Aber ſo iſt's. Man ſieht nur auf's Kopfabhauen und in die Luft ſpringen. Das lang- ſame, viel ſchmählichere und ſicherere Hinſterben und Hinmorden beachtet man nicht; es kracht eben nicht und blutet nicht. Es nimmt nur ſo allmälig ab; man kann dabei doch hübſch ſtill in Ruhe bleiben. Der Staat hat das Recht und die Pflicht gewiſſe Forderungen der Reinlichkeit zu ſtellen, das Ueberfüllen der Wohnungen, das Durcheinanderleben der Geſchlechter zu verbieten. Wer als Eigenthümer ſchlecht wohnen will, der hat dazu das Recht; aber ſobald er der Umgebung Schaden oder Gefahr bringt, ſo klopfe man ihm auf die Finger. Wer Häuſer vermiethet, der tritt damit in die Reihe der Kaufleute und Spe- kulanten. Wie man bei Lebensmittelhändlern eine gewiſſe Ga- rantie fordert, unreife Früchte wegnimmt, verfälſchte giftige Ge- tränke ausſchüttet und den Verkäufer noch obendrein beſtraft, ſo iſt auch der Häuſervermiether einer Controlle zu unterwerfen. Warum ſoll der Menſchen maſſenweiſe in ſchlechte ungeſunde Winkel zuſammen pfropfen dürfen? Warum ſoll der mit macht- loſen, wehrloſen armen Leuten, die gezwungen ſind, verfahren dürfen wie mit der elendeſten gemeinſten Waare! Wenn Metzger Kälber auf die Wagen unmenſchlich zuſammen laden, ſo verachtet oder ſtraft man ſie. Es werden oft Menſchen nicht beſſer zu- ſammengepackt; denn was die Kälber eine kurze Zeit lang ſchlechter dran ſind, muß dagegen der arme Menſch Tag und Nacht, Jahre lang in ſeiner ungeſunden Wohnung ſein. Der Staat ſieht bis jetzt an vielen Orten in den Häuſern nur darauf nach, ob Feuersgefahr vorhanden ſei. Man ſollte die Häuſer auch darauf anſehen, ob Lebensgefahr vorhanden ſei. Und wenn man auch im Anfang nur einſchreiten könnte, wo in flagranter Weiſe geſündigt wird, und in den meiſten Fällen nur rathen und ermuntern: es würde nach und nach ſchon beſſer kommen. Für das, was unſere Haut berührt, unſer Leben, ſind wir ziemlich empfänglich. Da nähmen wir gute Lehre beſſer an, als wenn man etwa einen Radikalen conſervativ

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/55>, abgerufen am 22.11.2024.