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Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.

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Stärkemacherey. §. 8.
Riviere. Es war einmal eine Zeit, da die-
ser Kopfputz so dick, so voll Haar und so lang
war, daß er bis auf die Hüfte hieng, und
einige Pfunde schwer war. Ein Mensch, der
ein etwas mageres Gesicht hatte, ward durch
diese Wolke ganz versteckt. Man trug auch
das Vordertheil der Parucke sehr hoch; das
hieß devant a la Fontagne, weil der Marquis
von Fontagne, zu den Zeiten Ludwigs XIV,
es aufgebracht hatte. Ein gewisser Ervais
erfand endlich die Kunst, die Parucken zu cre-
piren
oder kraus zu Kämmen, wodurch sie
auch bey wenig Haaren viel besetzter und vol-
ler scheinen, als sie selbst mit weit mehr Haa-
ren seyn konten. Die Beutel-Parucken sind
die neuesten; man nennete sie anfangs perru-
ques a la regence,
weil sie unter der Regent-
schaft des Herzogs von Orleans aufgekommen
waren. Vor dem Kayser Carl VI durfte man
sich nicht ohne Parucke mit zween Zöpfen se-
hen lassen. Neuer als jener Haarputz ist un-
ser jetziger Puder aus Kraftmehl. Unter Lud-
wig
XIV war er noch nicht allgemein, und
dieser König hassete anfänglich diese Mode.
Man sagt, die Comödianten hätten zuerst
die Haare gepudert, solche aber noch lange
jedesmal wieder gereinigt, wann sie vom
Theater zurück gekommen wären.
2. Damit der Puder desto leichter zerstäube, feuch-
tet man ihn mit Weingeist an, und läßt ihn
langsam trocknen, wodurch er auch das star-
ke Knirschen beym Zerdrücken erhält. Eini-
ge machen daraus noch ein Geheimniß. Von
der Kunst den Puder zu färben, s. Physikal.
ökonom. Biblioth.
VII S. 400.
3. Stat des Kraftmehls hat man in neuern Zei-
ten, ohne Erfolg, weisse Torfasche, weisse
Thon-
Staͤrkemacherey. §. 8.
Riviere. Es war einmal eine Zeit, da die-
ſer Kopfputz ſo dick, ſo voll Haar und ſo lang
war, daß er bis auf die Huͤfte hieng, und
einige Pfunde ſchwer war. Ein Menſch, der
ein etwas mageres Geſicht hatte, ward durch
dieſe Wolke ganz verſteckt. Man trug auch
das Vordertheil der Parucke ſehr hoch; das
hieß devant à la Fontagne, weil der Marquis
von Fontagne, zu den Zeiten Ludwigs XIV,
es aufgebracht hatte. Ein gewiſſer Ervais
erfand endlich die Kunſt, die Parucken zu cre-
piren
oder kraus zu Kaͤmmen, wodurch ſie
auch bey wenig Haaren viel beſetzter und vol-
ler ſcheinen, als ſie ſelbſt mit weit mehr Haa-
ren ſeyn konten. Die Beutel-Parucken ſind
die neueſten; man nennete ſie anfangs perru-
ques à la regence,
weil ſie unter der Regent-
ſchaft des Herzogs von Orleans aufgekommen
waren. Vor dem Kayſer Carl VI durfte man
ſich nicht ohne Parucke mit zween Zoͤpfen ſe-
hen laſſen. Neuer als jener Haarputz iſt un-
ſer jetziger Puder aus Kraftmehl. Unter Lud-
wig
XIV war er noch nicht allgemein, und
dieſer Koͤnig haſſete anfaͤnglich dieſe Mode.
Man ſagt, die Comoͤdianten haͤtten zuerſt
die Haare gepudert, ſolche aber noch lange
jedesmal wieder gereinigt, wann ſie vom
Theater zuruͤck gekommen waͤren.
2. Damit der Puder deſto leichter zerſtaͤube, feuch-
tet man ihn mit Weingeiſt an, und laͤßt ihn
langſam trocknen, wodurch er auch das ſtar-
ke Knirſchen beym Zerdruͤcken erhaͤlt. Eini-
ge machen daraus noch ein Geheimniß. Von
der Kunſt den Puder zu faͤrben, ſ. Phyſikal.
oͤkonom. Biblioth.
VII S. 400.
3. Stat des Kraftmehls hat man in neuern Zei-
ten, ohne Erfolg, weiſſe Torfaſche, weiſſe
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[123/0183] Staͤrkemacherey. §. 8. Riviere. Es war einmal eine Zeit, da die- ſer Kopfputz ſo dick, ſo voll Haar und ſo lang war, daß er bis auf die Huͤfte hieng, und einige Pfunde ſchwer war. Ein Menſch, der ein etwas mageres Geſicht hatte, ward durch dieſe Wolke ganz verſteckt. Man trug auch das Vordertheil der Parucke ſehr hoch; das hieß devant à la Fontagne, weil der Marquis von Fontagne, zu den Zeiten Ludwigs XIV, es aufgebracht hatte. Ein gewiſſer Ervais erfand endlich die Kunſt, die Parucken zu cre- piren oder kraus zu Kaͤmmen, wodurch ſie auch bey wenig Haaren viel beſetzter und vol- ler ſcheinen, als ſie ſelbſt mit weit mehr Haa- ren ſeyn konten. Die Beutel-Parucken ſind die neueſten; man nennete ſie anfangs perru- ques à la regence, weil ſie unter der Regent- ſchaft des Herzogs von Orleans aufgekommen waren. Vor dem Kayſer Carl VI durfte man ſich nicht ohne Parucke mit zween Zoͤpfen ſe- hen laſſen. Neuer als jener Haarputz iſt un- ſer jetziger Puder aus Kraftmehl. Unter Lud- wig XIV war er noch nicht allgemein, und dieſer Koͤnig haſſete anfaͤnglich dieſe Mode. Man ſagt, die Comoͤdianten haͤtten zuerſt die Haare gepudert, ſolche aber noch lange jedesmal wieder gereinigt, wann ſie vom Theater zuruͤck gekommen waͤren. 2. Damit der Puder deſto leichter zerſtaͤube, feuch- tet man ihn mit Weingeiſt an, und laͤßt ihn langſam trocknen, wodurch er auch das ſtar- ke Knirſchen beym Zerdruͤcken erhaͤlt. Eini- ge machen daraus noch ein Geheimniß. Von der Kunſt den Puder zu faͤrben, ſ. Phyſikal. oͤkonom. Biblioth. VII S. 400. 3. Stat des Kraftmehls hat man in neuern Zei- ten, ohne Erfolg, weiſſe Torfaſche, weiſſe Thon-

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Zitationshilfe: Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/183>, abgerufen am 21.11.2024.