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Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.

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Neunter Abschnitt.
nen kleinen Beytrag zur Geschichte der Euro-
päischen Moden einzuschalten, ohne dafür den
geringsten Dank von dem zu verlangen, der
dergleichen Nachrichten für unwichtig hält.
Nicht selten werden, bey nicht näherer Ver-
anlassung, gelehrte Recherches beygebracht,
die der Welt nichts mehr nützen, als folgen-
de, und die dennoch nicht ohne Beyfall blei-
ben. -- Falscher oder fremder Haare be-
dienten sich bereits Griechen und Römer, auch
hatten sie eine Art Puder. Lampridius be-
schreibt die Parucke des Kaysers Commodus,
die mit Goldstaub gepudert, und mit wohl-
riechenden Salben beschmiert war, damit der
Staub darauf haften möchte. Unter Ludwig
XIII fieng man an, die damals gebräuchlichen
Deckelhauben für haarlose Personen mit frem-
dem Haare zu besetzen. Dieß gab Gelegen-
heit zu dem Einfall, Haare in ein leinenes
Tuch, wie auch in Franzen zu weben, die ei-
ne Zeitlang unter dem Namen Mayländischer
Spitzen
im Gebrauche gewesen sind. Man
nähete dieses Geweb reihenweise auf die plat-
ten Hauben selbst, wozu man nun ein dün-
neres Schaffell nahm, und diese Tracht hieß
eine Peruque, und bey den Deutschen Parucke.
Endlich verfertigte man eine Art dreydrätiger
Tressen, die man auf Bänder oder andere
Zeuge nähete, welche man ausspannete, und
auf hölzernen Köpfen zusammen fügte. Dieß
ist die Entstehung unserer heutigen Parucken,
deren Verfertigung, Unterhaltung, nebst dem
Frisiren, allein in Göttingen jetzt 25 Meister,
15 Gesellen und 27 Lehrjungen, also 67 Men-
schen, ohne die Frauen und Kinder der erstern
zu rechnen, ernährt. Der erste, der eine
Parucke trug, war ein Abbe, namens La
Rivie-
Neunter Abſchnitt.
nen kleinen Beytrag zur Geſchichte der Euro-
paͤiſchen Moden einzuſchalten, ohne dafuͤr den
geringſten Dank von dem zu verlangen, der
dergleichen Nachrichten fuͤr unwichtig haͤlt.
Nicht ſelten werden, bey nicht naͤherer Ver-
anlaſſung, gelehrte Recherches beygebracht,
die der Welt nichts mehr nuͤtzen, als folgen-
de, und die dennoch nicht ohne Beyfall blei-
ben. — Falſcher oder fremder Haare be-
dienten ſich bereits Griechen und Roͤmer, auch
hatten ſie eine Art Puder. Lampridius be-
ſchreibt die Parucke des Kayſers Commodus,
die mit Goldſtaub gepudert, und mit wohl-
riechenden Salben beſchmiert war, damit der
Staub darauf haften moͤchte. Unter Ludwig
XIII fieng man an, die damals gebraͤuchlichen
Deckelhauben fuͤr haarloſe Perſonen mit frem-
dem Haare zu beſetzen. Dieß gab Gelegen-
heit zu dem Einfall, Haare in ein leinenes
Tuch, wie auch in Franzen zu weben, die ei-
ne Zeitlang unter dem Namen Maylaͤndiſcher
Spitzen
im Gebrauche geweſen ſind. Man
naͤhete dieſes Geweb reihenweiſe auf die plat-
ten Hauben ſelbſt, wozu man nun ein duͤn-
neres Schaffell nahm, und dieſe Tracht hieß
eine Peruque, und bey den Deutſchen Parucke.
Endlich verfertigte man eine Art dreydraͤtiger
Treſſen, die man auf Baͤnder oder andere
Zeuge naͤhete, welche man ausſpannete, und
auf hoͤlzernen Koͤpfen zuſammen fuͤgte. Dieß
iſt die Entſtehung unſerer heutigen Parucken,
deren Verfertigung, Unterhaltung, nebſt dem
Friſiren, allein in Goͤttingen jetzt 25 Meiſter,
15 Geſellen und 27 Lehrjungen, alſo 67 Men-
ſchen, ohne die Frauen und Kinder der erſtern
zu rechnen, ernaͤhrt. Der erſte, der eine
Parucke trug, war ein Abbe, namens La
Rivie-
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[122/0182] Neunter Abſchnitt. nen kleinen Beytrag zur Geſchichte der Euro- paͤiſchen Moden einzuſchalten, ohne dafuͤr den geringſten Dank von dem zu verlangen, der dergleichen Nachrichten fuͤr unwichtig haͤlt. Nicht ſelten werden, bey nicht naͤherer Ver- anlaſſung, gelehrte Recherches beygebracht, die der Welt nichts mehr nuͤtzen, als folgen- de, und die dennoch nicht ohne Beyfall blei- ben. — Falſcher oder fremder Haare be- dienten ſich bereits Griechen und Roͤmer, auch hatten ſie eine Art Puder. Lampridius be- ſchreibt die Parucke des Kayſers Commodus, die mit Goldſtaub gepudert, und mit wohl- riechenden Salben beſchmiert war, damit der Staub darauf haften moͤchte. Unter Ludwig XIII fieng man an, die damals gebraͤuchlichen Deckelhauben fuͤr haarloſe Perſonen mit frem- dem Haare zu beſetzen. Dieß gab Gelegen- heit zu dem Einfall, Haare in ein leinenes Tuch, wie auch in Franzen zu weben, die ei- ne Zeitlang unter dem Namen Maylaͤndiſcher Spitzen im Gebrauche geweſen ſind. Man naͤhete dieſes Geweb reihenweiſe auf die plat- ten Hauben ſelbſt, wozu man nun ein duͤn- neres Schaffell nahm, und dieſe Tracht hieß eine Peruque, und bey den Deutſchen Parucke. Endlich verfertigte man eine Art dreydraͤtiger Treſſen, die man auf Baͤnder oder andere Zeuge naͤhete, welche man ausſpannete, und auf hoͤlzernen Koͤpfen zuſammen fuͤgte. Dieß iſt die Entſtehung unſerer heutigen Parucken, deren Verfertigung, Unterhaltung, nebſt dem Friſiren, allein in Goͤttingen jetzt 25 Meiſter, 15 Geſellen und 27 Lehrjungen, alſo 67 Men- ſchen, ohne die Frauen und Kinder der erſtern zu rechnen, ernaͤhrt. Der erſte, der eine Parucke trug, war ein Abbe, namens La Rivie-

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Zitationshilfe: Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/182>, abgerufen am 21.11.2024.