[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.Kurzweiliger einer Creutz-Seule solle vorüber ge-gangen seyn/ derowegen entschloß ich mich/ den armen Sünder im Gefäng- nüß zu besuchen/ und zu sehen/ wie er sich zum End-Urtheil anstelle. Der Stu- dent war ein halber Stern- und Hand- Gucker/ deßwegen hatte er sonderliches Verlangen die Phisiognomie des male- ficanten zu betrachten/ leistete mir also Gesellschaft/ und es schlugen sich noch zwey andere zu uns/ von welchen man gesaget/ daß sie schon ins dritte mal sollen den Staup-Besen bekomen haben. Wir ließen es immer gut seyn/ und giengen also vergesellschaftet in die Custodie/ musten aber gleichwol dem Schergen ein Trink-Geld geben/ daß er uns zu dem armen Sünder gefüh- ret. Der elende und zu einem so schmerz- lichen Tod verdammte Mensch saße in einer finstern Ecke auf Stroh an Hän- den und Füßen mit sehr starken Ketten geschloßen/ er hatte vor sich ein Gebet- Buch ligen/ dahero hatte ich sehr gutes Vertrauen zu seiner Bekehrung/ und fragte ihn: Woher er wäre/ und wie er in dieses große Unglück gerathen? Lieber
Kurzweiliger einer Creutz-Seule ſolle voruͤber ge-gangen ſeyn/ derowegen entſchloß ich mich/ den armen Suͤnder im Gefaͤng- nuͤß zu beſuchen/ und zu ſehen/ wie er ſich zum End-Urtheil anſtelle. Der Stu- dent war ein halber Stern- und Hand- Gucker/ deßwegen hatte er ſonderliches Verlangen die Phiſiognomie des male- ficanten zu betrachten/ leiſtete mir alſo Geſellſchaft/ und es ſchlugen ſich noch zwey andere zu uns/ von welchen man geſaget/ daß ſie ſchon ins dritte mal ſollen den Staup-Beſen bekomen haben. Wir ließen es immer gut ſeyn/ und giengen alſo vergeſellſchaftet in die Cuſtodie/ muſten aber gleichwol dem Schergen ein Trink-Geld geben/ daß er uns zu dem armen Suͤnder gefuͤh- ret. Der elende und zu einem ſo ſchmerz- lichen Tod verdam̃te Menſch ſaße in einer finſtern Ecke auf Stroh an Haͤn- den und Fuͤßen mit ſehr ſtarken Ketten geſchloßen/ er hatte vor ſich ein Gebet- Buch ligen/ dahero hatte ich ſehr gutes Vertrauen zu ſeiner Bekehrung/ und fragte ihn: Woher er waͤre/ und wie er in dieſes große Ungluͤck gerathen? Lieber
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Kurzweiliger
einer Creutz-Seule ſolle voruͤber ge-
gangen ſeyn/ derowegen entſchloß ich
mich/ den armen Suͤnder im Gefaͤng-
nuͤß zu beſuchen/ und zu ſehen/ wie er ſich
zum End-Urtheil anſtelle. Der Stu-
dent war ein halber Stern- und Hand-
Gucker/ deßwegen hatte er ſonderliches
Verlangen die Phiſiognomie des male-
ficanten zu betrachten/ leiſtete mir alſo
Geſellſchaft/ und es ſchlugen ſich
noch zwey andere zu uns/ von welchen
man geſaget/ daß ſie ſchon ins dritte
mal ſollen den Staup-Beſen bekomen
haben. Wir ließen es immer gut ſeyn/
und giengen alſo vergeſellſchaftet in die
Cuſtodie/ muſten aber gleichwol dem
Schergen ein Trink-Geld geben/ daß
er uns zu dem armen Suͤnder gefuͤh-
ret. Der elende und zu einem ſo ſchmerz-
lichen Tod verdam̃te Menſch ſaße in
einer finſtern Ecke auf Stroh an Haͤn-
den und Fuͤßen mit ſehr ſtarken Ketten
geſchloßen/ er hatte vor ſich ein Gebet-
Buch ligen/ dahero hatte ich ſehr gutes
Vertrauen zu ſeiner Bekehrung/ und
fragte ihn: Woher er waͤre/ und wie
er in dieſes große Ungluͤck gerathen?
Lieber
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