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Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

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verfallenen Schlössern an und auf dem Hartz.
werden. Wenn man nun durch die vor gedachte steinerne Durch-
Fahrt wieder ausgehet/ und noch höher auf den Felsen hinauf steiget/
gelanget man oben auf das Schloß/ und dessen Tach/ so von keinem
Holtz-Werck gemachet/ sondern nichts anders als der blosse Stein-
Fels ist/ hierauf kan man herum gehen/ und bey gutem Wetter
sich weit und breit umsehen/ zur Rechten aber stehet hart am Schlos-
se der anfänglich gemeldete Thurm/ so von Back- oder Brannt-
Steinen aufgemauert ist. Ferner siehet man gantz oben auf der
Höhe nach der Quedlinburger Strasse zu/ welche unten bey dem
Schloß vorbey gehet/ ein von Erde nach der alten Fortifications-
Art aufgeworffenes Boll-Werck/ und ist an der Seite des Schlos-
ses/ wo es vonnöthen/ und der Felsen nicht stickel genug gewesen/
der Natur/ zu mehrer Befestigung dieses Orts/ mit etwas Mauer-
Werck geholffen worden. Von dieser Höhe gehet man auf lauter
Felsen wieder herunter/ und kömmet auf der Seite gegen Blancken-
burg zu bey einem ziemlich hohen felsigten Wall und Graben/ und
sind in den Wall Stuffen gehauen/ auf welchen man in den untern
Schloß-Platz hinunter steigen kan; weiter hinunter stehet ein Fels
gantz alleine/ darinnen eine Höle oder Kammer ist/ welche die
Führer das Huren-Haus nennen/ weilen/ ihren Gedancken nach/
vor Zeiten die Räuber hierinn mit denen geraubeten Frauen-Volck
sollen Unzucht getrieben haben. Endlich sind noch tieffer hinab auf
dieser Seiten/ wie auch nach Wernigerode zu/ lauter hohe und
stickele Stein-Felsen vorhanden. Hieraus kan nun ein ieder erse-
hen/ wie dieses Schloß/ theils von der Natur/ theils von der
Kunst/ sehr feste gemachet worden/ und ist leichtlich daraus zu
muhtmassen/ daß solches auch eine überaus grosse Arbeit und un-
sägliche Unkosten erfodert habe/ ehe es zur Perfection kommen sey.
Es soll aber dieses Schloß von einem Grafen von Reinstein/ dessen
Stamm nunmehro gäntzlich abgestorben/ erbauet/ und von dem
letzten dieses Nahmens eine geraume Zeit als ein Raub-Schloß ge-
brauchet worden seyn. Weilen man nun demselben/ in diesen Vor-
Zeiten fast unüberwindlichen Orte/ mit Gewalt nichts hat anhaben

und
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verfallenen Schloͤſſern an und auf dem Hartz.
werden. Wenn man nun durch die vor gedachte ſteinerne Durch-
Fahrt wieder ausgehet/ und noch hoͤher auf den Felſen hinauf ſteiget/
gelanget man oben auf das Schloß/ und deſſen Tach/ ſo von keinem
Holtz-Werck gemachet/ ſondern nichts anders als der bloſſe Stein-
Fels iſt/ hierauf kan man herum gehen/ und bey gutem Wetter
ſich weit und breit umſehen/ zur Rechten aber ſtehet hart am Schloſ-
ſe der anfaͤnglich gemeldete Thurm/ ſo von Back- oder Brannt-
Steinen aufgemauert iſt. Ferner ſiehet man gantz oben auf der
Hoͤhe nach der Quedlinburger Straſſe zu/ welche unten bey dem
Schloß vorbey gehet/ ein von Erde nach der alten Fortifications-
Art aufgeworffenes Boll-Werck/ und iſt an der Seite des Schloſ-
ſes/ wo es vonnoͤthen/ und der Felſen nicht ſtickel genug geweſen/
der Natur/ zu mehrer Befeſtigung dieſes Orts/ mit etwas Mauer-
Werck geholffen worden. Von dieſer Hoͤhe gehet man auf lauter
Felſen wieder herunter/ und koͤmmet auf der Seite gegen Blancken-
burg zu bey einem ziemlich hohen felſigten Wall und Graben/ und
ſind in den Wall Stuffen gehauen/ auf welchen man in den untern
Schloß-Platz hinunter ſteigen kan; weiter hinunter ſtehet ein Fels
gantz alleine/ darinnen eine Hoͤle oder Kammer iſt/ welche die
Fuͤhrer das Huren-Haus nennen/ weilen/ ihren Gedancken nach/
vor Zeiten die Raͤuber hierinn mit denen geraubeten Frauen-Volck
ſollen Unzucht getrieben haben. Endlich ſind noch tieffer hinab auf
dieſer Seiten/ wie auch nach Wernigerode zu/ lauter hohe und
ſtickele Stein-Felſen vorhanden. Hieraus kan nun ein ieder erſe-
hen/ wie dieſes Schloß/ theils von der Natur/ theils von der
Kunſt/ ſehr feſte gemachet worden/ und iſt leichtlich daraus zu
muhtmaſſen/ daß ſolches auch eine uͤberaus groſſe Arbeit und un-
ſaͤgliche Unkoſten erfodert habe/ ehe es zur Perfection kommen ſey.
Es ſoll aber dieſes Schloß von einem Grafen von Reinſtein/ deſſen
Stamm nunmehro gaͤntzlich abgeſtorben/ erbauet/ und von dem
letzten dieſes Nahmens eine geraume Zeit als ein Raub-Schloß ge-
brauchet worden ſeyn. Weilen man nun demſelben/ in dieſen Vor-
Zeiten faſt unuͤberwindlichen Orte/ mit Gewalt nichts hat anhaben

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[161/0173] verfallenen Schloͤſſern an und auf dem Hartz. werden. Wenn man nun durch die vor gedachte ſteinerne Durch- Fahrt wieder ausgehet/ und noch hoͤher auf den Felſen hinauf ſteiget/ gelanget man oben auf das Schloß/ und deſſen Tach/ ſo von keinem Holtz-Werck gemachet/ ſondern nichts anders als der bloſſe Stein- Fels iſt/ hierauf kan man herum gehen/ und bey gutem Wetter ſich weit und breit umſehen/ zur Rechten aber ſtehet hart am Schloſ- ſe der anfaͤnglich gemeldete Thurm/ ſo von Back- oder Brannt- Steinen aufgemauert iſt. Ferner ſiehet man gantz oben auf der Hoͤhe nach der Quedlinburger Straſſe zu/ welche unten bey dem Schloß vorbey gehet/ ein von Erde nach der alten Fortifications- Art aufgeworffenes Boll-Werck/ und iſt an der Seite des Schloſ- ſes/ wo es vonnoͤthen/ und der Felſen nicht ſtickel genug geweſen/ der Natur/ zu mehrer Befeſtigung dieſes Orts/ mit etwas Mauer- Werck geholffen worden. Von dieſer Hoͤhe gehet man auf lauter Felſen wieder herunter/ und koͤmmet auf der Seite gegen Blancken- burg zu bey einem ziemlich hohen felſigten Wall und Graben/ und ſind in den Wall Stuffen gehauen/ auf welchen man in den untern Schloß-Platz hinunter ſteigen kan; weiter hinunter ſtehet ein Fels gantz alleine/ darinnen eine Hoͤle oder Kammer iſt/ welche die Fuͤhrer das Huren-Haus nennen/ weilen/ ihren Gedancken nach/ vor Zeiten die Raͤuber hierinn mit denen geraubeten Frauen-Volck ſollen Unzucht getrieben haben. Endlich ſind noch tieffer hinab auf dieſer Seiten/ wie auch nach Wernigerode zu/ lauter hohe und ſtickele Stein-Felſen vorhanden. Hieraus kan nun ein ieder erſe- hen/ wie dieſes Schloß/ theils von der Natur/ theils von der Kunſt/ ſehr feſte gemachet worden/ und iſt leichtlich daraus zu muhtmaſſen/ daß ſolches auch eine uͤberaus groſſe Arbeit und un- ſaͤgliche Unkoſten erfodert habe/ ehe es zur Perfection kommen ſey. Es ſoll aber dieſes Schloß von einem Grafen von Reinſtein/ deſſen Stamm nunmehro gaͤntzlich abgeſtorben/ erbauet/ und von dem letzten dieſes Nahmens eine geraume Zeit als ein Raub-Schloß ge- brauchet worden ſeyn. Weilen man nun demſelben/ in dieſen Vor- Zeiten faſt unuͤberwindlichen Orte/ mit Gewalt nichts hat anhaben und X

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Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/173>, abgerufen am 21.11.2024.