Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.Theil I. Cap. I. Satz 18. narius nicht bey der Schrift? Denn diese stel-let uns zwar JEsum in seiner Menschheit, und seine Menschheit in ihrer Niedrigkeit sehr nachdrücklich vor: sie behält aber samt der Wahrheit den Wohlstand auf das genaueste. Ausschweiffende Familiaritaet wird eine Grob- heit. Lucas sagt von Maria: Sie gebar ih- ren erstgebornen Sohn, und wickelte Ihn in Windeln: da das griechische Wort, (Vergl. Weish. 7, 4.) keine zerrissene Bettel-Windeln bedeutet. Bey der Beschneidung überhaupt war es um das Abnehmen der Vorhaut, und übrigens um keine Wunde und Vergiessung des Blutes zu thun. Der Name JEsus wird in Weihenachts-Betrachtungen lieblich aus- gedrüket, JEsulein, als ein Nomen propri- um: aber die Namen des Amtes und der Würde, König, HErr, Heiland, (§ 61.) lassen sich nicht zu Diminutivis machen. Mar- cus meldet ein einiges mal, wie die Leute zu Nazareth, als sie sich an JEsu ärgerten, Ihn tektona, fabrum, genannt haben, welches Wort diese oder jene Arbeit in Holz, Stein oder Metall bedeutet: daher beschreibt man bey der neumährischen Gemeine unaufhörlich den HErrn, als einen Zimmerjungen, Zim- mergesellen, Zimmermeister, wie Zunftmässig, als ob er acht zehen Jahr bey diesem Handwerk gewesen wäre. Wie gering der Heiland bey der Versuchung in der Wüsten, (welche doch nicht die vierzig Tage über währete, sondern hernach in drey Gängen überstanden war,) ge- macht
Theil I. Cap. I. Satz 18. narius nicht bey der Schrift? Denn dieſe ſtel-let uns zwar JEſum in ſeiner Menſchheit, und ſeine Menſchheit in ihrer Niedrigkeit ſehr nachdruͤcklich vor: ſie behaͤlt aber ſamt der Wahrheit den Wohlſtand auf das genaueſte. Ausſchweiffende Familiaritæt wird eine Grob- heit. Lucas ſagt von Maria: Sie gebar ih- ren erſtgebornen Sohn, und wickelte Ihn in Windeln: da das griechiſche Wort, (Vergl. Weiſh. 7, 4.) keine zerriſſene Bettel-Windeln bedeutet. Bey der Beſchneidung uͤberhaupt war es um das Abnehmen der Vorhaut, und uͤbrigens um keine Wunde und Vergieſſung des Blutes zu thun. Der Name JEſus wird in Weihenachts-Betrachtungen lieblich aus- gedruͤket, JEſulein, als ein Nomen propri- um: aber die Namen des Amtes und der Wuͤrde, Koͤnig, HErr, Heiland, (§ 61.) laſſen ſich nicht zu Diminutivis machen. Mar- cus meldet ein einiges mal, wie die Leute zu Nazareth, als ſie ſich an JEſu aͤrgerten, Ihn τέκτονα, fabrum, genannt haben, welches Wort dieſe oder jene Arbeit in Holz, Stein oder Metall bedeutet: daher beſchreibt man bey der neumaͤhriſchen Gemeine unaufhoͤrlich den HErrn, als einen Zimmerjungen, Zim- mergeſellen, Zimmermeiſter, wie Zunftmaͤſſig, als ob er acht zehen Jahr bey dieſem Handwerk geweſen waͤre. Wie gering der Heiland bey der Verſuchung in der Wuͤſten, (welche doch nicht die vierzig Tage uͤber waͤhrete, ſondern hernach in drey Gaͤngen uͤberſtanden war,) ge- macht
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Theil I. Cap. I. Satz 18.
narius nicht bey der Schrift? Denn dieſe ſtel-
let uns zwar JEſum in ſeiner Menſchheit, und
ſeine Menſchheit in ihrer Niedrigkeit ſehr
nachdruͤcklich vor: ſie behaͤlt aber ſamt der
Wahrheit den Wohlſtand auf das genaueſte.
Ausſchweiffende Familiaritæt wird eine Grob-
heit. Lucas ſagt von Maria: Sie gebar ih-
ren erſtgebornen Sohn, und wickelte Ihn
in Windeln: da das griechiſche Wort, (Vergl.
Weiſh. 7, 4.) keine zerriſſene Bettel-Windeln
bedeutet. Bey der Beſchneidung uͤberhaupt
war es um das Abnehmen der Vorhaut, und
uͤbrigens um keine Wunde und Vergieſſung
des Blutes zu thun. Der Name JEſus wird
in Weihenachts-Betrachtungen lieblich aus-
gedruͤket, JEſulein, als ein Nomen propri-
um: aber die Namen des Amtes und der
Wuͤrde, Koͤnig, HErr, Heiland, (§ 61.)
laſſen ſich nicht zu Diminutivis machen. Mar-
cus meldet ein einiges mal, wie die Leute zu
Nazareth, als ſie ſich an JEſu aͤrgerten, Ihn
τέκτονα, fabrum, genannt haben, welches
Wort dieſe oder jene Arbeit in Holz, Stein
oder Metall bedeutet: daher beſchreibt man
bey der neumaͤhriſchen Gemeine unaufhoͤrlich
den HErrn, als einen Zimmerjungen, Zim-
mergeſellen, Zimmermeiſter, wie Zunftmaͤſſig,
als ob er acht zehen Jahr bey dieſem Handwerk
geweſen waͤre. Wie gering der Heiland bey
der Verſuchung in der Wuͤſten, (welche doch
nicht die vierzig Tage uͤber waͤhrete, ſondern
hernach in drey Gaͤngen uͤberſtanden war,) ge-
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