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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Herrschaft des Jyeyas.
die stärkere, aber ihre Uneinigkeit gab dem Gegner leichtes Spiel.
Jeder arbeitete nur für sich selbst, und so wurden sie alle geschla-
gen; zuletzt fiel Osaka durch Verrath. Der Sieger wüthete diesmal1600.
mit rücksichtsloser Grausamkeit unter seinen Feinden, die meisten
gaben sich selbst den Tod, der Fürst von Fiugo und andere wurden
hingerichtet76). Ihre Besitzungen gab Jyeyas seinen Getreuen, wies
aber auch die ihm ergebenen Fürsten wieder in ihr früheres
Abhängigkeitsverhältniss zurück und verband die angesehensten
Geschlechter seinem Hause durch Wechselheirathen. Ihre Kassen
waren erschöpft und sie mussten sich in Alles fügen. Dem Jyeyas
dagegen waren alle Umstände günstig: die eben entdeckten Gold-
minen der Insel Sando lieferten ihm unermessliche Schätze; seine
Macht, sein Ansehn im Lande scheinen unbegrenzt gewesen zu
sein. Bei alledem fuhr er fort, die Herrschaft im Namen und als
Vormund des Fide-yori zu üben, welchen das Land noch immer
als rechtmässigen Erben der Macht ansah -- so hatten sich die
Verhältnisse unter Taiko-sama consolidirt. Er liess ihm vom Mikado
von Zeit zu Zeit die seinem Alter gebührenden Titel und Würden
verleihen, und begnügte sich im übrigen seine vom Vater ererbten
Schätze durch grosse Bauten zu erschöpfen. Fide-yori musste
das Mausoleum des Taiko-sama und den von letzterem angefangenen,
aber durch ein Erdbeben zerstörten Tempel des Dai-Buds bauen;
beide werden von Augenzeugen, unter anderen von dem Gouverneur
der Philippinen Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, der 1609 in
Miako war, als Werke von maassloser Pracht und Grösse beschrie-
ben. -- Wenn Jyeyas im Jahre 1603 sich selbst und zwei Jahre
später seinen Sohn Fide-tada zum Siogun ernennen liess, so war
dies kein Eingriff in die Rechte des Fide-yori, denn auch dessen
Vater hatte diesen Titel nicht geführt, der ein Erbtheil der Minamoto
war und an sich durchaus keinen Anspruch auf die Herrschaft verlieh.
Jyeyas wollte offenbar dem Schicksal nicht vorgreifen: starb Fide-
yori
vor seiner Grossjährigkeit, so fielen ihm dessen Rechte von
selbst zu, ohne dass er als Usurpator erschienen wäre. Jener aber
entwickelte unter der Leitung seiner Mutter ausgezeichnete Gaben
und besass die allgemeine Gunst. Yododono war an Klugheit und

76) Die Missionare rühmen die Standhaftigkeit des Fürsten von Fiugo und anderer
christlicher Krieger, welche lieber den entehrenden Tod einer qualvollen Hinrichtung
duldeten, als dass sie Hand an sich gelegt hätten, wie es ihnen nach japanischen
Begriffen die Ehre vorschrieb.

Die Herrschaft des Jyeyas.
die stärkere, aber ihre Uneinigkeit gab dem Gegner leichtes Spiel.
Jeder arbeitete nur für sich selbst, und so wurden sie alle geschla-
gen; zuletzt fiel Osaka durch Verrath. Der Sieger wüthete diesmal1600.
mit rücksichtsloser Grausamkeit unter seinen Feinden, die meisten
gaben sich selbst den Tod, der Fürst von Fiugo und andere wurden
hingerichtet76). Ihre Besitzungen gab Jyeyas seinen Getreuen, wies
aber auch die ihm ergebenen Fürsten wieder in ihr früheres
Abhängigkeitsverhältniss zurück und verband die angesehensten
Geschlechter seinem Hause durch Wechselheirathen. Ihre Kassen
waren erschöpft und sie mussten sich in Alles fügen. Dem Jyeyas
dagegen waren alle Umstände günstig: die eben entdeckten Gold-
minen der Insel Sando lieferten ihm unermessliche Schätze; seine
Macht, sein Ansehn im Lande scheinen unbegrenzt gewesen zu
sein. Bei alledem fuhr er fort, die Herrschaft im Namen und als
Vormund des Fide-yori zu üben, welchen das Land noch immer
als rechtmässigen Erben der Macht ansah — so hatten sich die
Verhältnisse unter Taïko-sama consolidirt. Er liess ihm vom Mikado
von Zeit zu Zeit die seinem Alter gebührenden Titel und Würden
verleihen, und begnügte sich im übrigen seine vom Vater ererbten
Schätze durch grosse Bauten zu erschöpfen. Fide-yori musste
das Mausoleum des Taïko-sama und den von letzterem angefangenen,
aber durch ein Erdbeben zerstörten Tempel des Daï-Buds bauen;
beide werden von Augenzeugen, unter anderen von dem Gouverneur
der Philippinen Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, der 1609 in
Miako war, als Werke von maassloser Pracht und Grösse beschrie-
ben. — Wenn Jyeyas im Jahre 1603 sich selbst und zwei Jahre
später seinen Sohn Fide-tada zum Siogun ernennen liess, so war
dies kein Eingriff in die Rechte des Fide-yori, denn auch dessen
Vater hatte diesen Titel nicht geführt, der ein Erbtheil der Minamoto
war und an sich durchaus keinen Anspruch auf die Herrschaft verlieh.
Jyeyas wollte offenbar dem Schicksal nicht vorgreifen: starb Fide-
yori
vor seiner Grossjährigkeit, so fielen ihm dessen Rechte von
selbst zu, ohne dass er als Usurpator erschienen wäre. Jener aber
entwickelte unter der Leitung seiner Mutter ausgezeichnete Gaben
und besass die allgemeine Gunst. Yododono war an Klugheit und

76) Die Missionare rühmen die Standhaftigkeit des Fürsten von Fiugo und anderer
christlicher Krieger, welche lieber den entehrenden Tod einer qualvollen Hinrichtung
duldeten, als dass sie Hand an sich gelegt hätten, wie es ihnen nach japanischen
Begriffen die Ehre vorschrieb.
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[73/0103] Die Herrschaft des Jyeyas. die stärkere, aber ihre Uneinigkeit gab dem Gegner leichtes Spiel. Jeder arbeitete nur für sich selbst, und so wurden sie alle geschla- gen; zuletzt fiel Osaka durch Verrath. Der Sieger wüthete diesmal mit rücksichtsloser Grausamkeit unter seinen Feinden, die meisten gaben sich selbst den Tod, der Fürst von Fiugo und andere wurden hingerichtet 76). Ihre Besitzungen gab Jyeyas seinen Getreuen, wies aber auch die ihm ergebenen Fürsten wieder in ihr früheres Abhängigkeitsverhältniss zurück und verband die angesehensten Geschlechter seinem Hause durch Wechselheirathen. Ihre Kassen waren erschöpft und sie mussten sich in Alles fügen. Dem Jyeyas dagegen waren alle Umstände günstig: die eben entdeckten Gold- minen der Insel Sando lieferten ihm unermessliche Schätze; seine Macht, sein Ansehn im Lande scheinen unbegrenzt gewesen zu sein. Bei alledem fuhr er fort, die Herrschaft im Namen und als Vormund des Fide-yori zu üben, welchen das Land noch immer als rechtmässigen Erben der Macht ansah — so hatten sich die Verhältnisse unter Taïko-sama consolidirt. Er liess ihm vom Mikado von Zeit zu Zeit die seinem Alter gebührenden Titel und Würden verleihen, und begnügte sich im übrigen seine vom Vater ererbten Schätze durch grosse Bauten zu erschöpfen. Fide-yori musste das Mausoleum des Taïko-sama und den von letzterem angefangenen, aber durch ein Erdbeben zerstörten Tempel des Daï-Buds bauen; beide werden von Augenzeugen, unter anderen von dem Gouverneur der Philippinen Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, der 1609 in Miako war, als Werke von maassloser Pracht und Grösse beschrie- ben. — Wenn Jyeyas im Jahre 1603 sich selbst und zwei Jahre später seinen Sohn Fide-tada zum Siogun ernennen liess, so war dies kein Eingriff in die Rechte des Fide-yori, denn auch dessen Vater hatte diesen Titel nicht geführt, der ein Erbtheil der Minamoto war und an sich durchaus keinen Anspruch auf die Herrschaft verlieh. Jyeyas wollte offenbar dem Schicksal nicht vorgreifen: starb Fide- yori vor seiner Grossjährigkeit, so fielen ihm dessen Rechte von selbst zu, ohne dass er als Usurpator erschienen wäre. Jener aber entwickelte unter der Leitung seiner Mutter ausgezeichnete Gaben und besass die allgemeine Gunst. Yododono war an Klugheit und 1600. 76) Die Missionare rühmen die Standhaftigkeit des Fürsten von Fiugo und anderer christlicher Krieger, welche lieber den entehrenden Tod einer qualvollen Hinrichtung duldeten, als dass sie Hand an sich gelegt hätten, wie es ihnen nach japanischen Begriffen die Ehre vorschrieb.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/103>, abgerufen am 24.05.2024.