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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Grausame Christenverfolgung.
ganze Reich war eine Art von Inquisition organisirt, welche die
Christen aufspüren und zur Abschwörung des Glaubens vermögen
sollte. Anfangs brauchte man gelinde Maassregeln: die Christen
blühender Districte wurden in entlegene Landschaften versetzt, die
Beamten suchten durch Drohungen und Einschüchterungen zu wirken.
Gewalt wandte die Obrigkeit auch später nur an, wo sie dem Wider-
stande begegnete, und doch hat vielleicht die Weltgeschichte nichts
Aehnliches an ausgesuchter, überlegter Grausamkeit aufzuweisen;
denn der Widerstand war fast allgemein, und da die Verfolger
nicht den Zweck hatten, die Christen umzubringen, sondern sie
zur Abschwörung des Glaubens zu treiben, so marterten sie ihre
Opfer langsam zu Tode. Die Freudigkeit, mit der die Bekenner in
den Tod gingen, ihre Standhaftigkeit unter den unsäglichsten Qualen
gewann ihnen selbst und dem Christenthum bei der Menge grosses
Ansehn und erbitterte die Obrigkeit immer mehr, der Trotz musste
gebrochen werden 87). Es soll damals eine Verordnung erschienen
sein, welche den Märtyrertod der Christen verbot: der Sinn ist,
dass die Widerspänstigen so lange, bis die Gefahr des Todes ein-
träte, gefoltert und dann wieder gepflegt werden sollten, bis der
Körper fähig wäre, neue Martern zu ertragen. Zuletzt erreichte
die Regierung ihren Zweck, denn die Meisten konnten die entsetz-
lichen Qualen auf die Länge nicht aushalten.

Von den spanischen und portugiesischen Geistlichen starben
jährlich mehrere den Märtyrertod; auch bei ihnen wandte man

87) Man darf weder die todesmuthige Festigkeit der japanischen Christen noch
die Grausamkeit ihrer Verfolger ganz nach dem Maasse europäischen Gefühls
beurtheilen. Ohne der Glaubenstreue der Bekenner zu nahe treten oder die Rohheit
ihrer Henker beschönigen zu wollen, muss hier doch gesagt werden, dass bei allen
ostasiatischen Völkern, zum Theil gewiss in Folge der buddistischen Lehren, der
Tod und alle körperlichen Leiden als geringe Uebel angesehen werden, -- ferner,
dass das Nervensystem dieser Völker ein ganz anderes ist, als das unsere, und dass
sie Verletzungen mit Gleichmuth ertragen, bei welchen den meisten Europäern die
Sinne schwinden würden. Dies ist rein körperlich. Die Freude an Grausamkeiten
gegen Menschen und Thiere ist eine angeborene Eigenschaft der roheren Classen in
Japan und China. Die Classe der Gerber, aus welcher die Scharfrichter genommen
werden, ist, wie alle, deren Gewerbe es mit sich bringt, verwesende Stoffe zu be-
rühren, in Japan von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Sie bilden eine
besondere Kaste, wohnen abgesondert, dürfen nicht in andere Classen heirathen,
und werden gradezu als nicht zum japanischen Volke gehörig angesehen. Ihre Be-
rührung macht unrein.

Grausame Christenverfolgung.
ganze Reich war eine Art von Inquisition organisirt, welche die
Christen aufspüren und zur Abschwörung des Glaubens vermögen
sollte. Anfangs brauchte man gelinde Maassregeln: die Christen
blühender Districte wurden in entlegene Landschaften versetzt, die
Beamten suchten durch Drohungen und Einschüchterungen zu wirken.
Gewalt wandte die Obrigkeit auch später nur an, wo sie dem Wider-
stande begegnete, und doch hat vielleicht die Weltgeschichte nichts
Aehnliches an ausgesuchter, überlegter Grausamkeit aufzuweisen;
denn der Widerstand war fast allgemein, und da die Verfolger
nicht den Zweck hatten, die Christen umzubringen, sondern sie
zur Abschwörung des Glaubens zu treiben, so marterten sie ihre
Opfer langsam zu Tode. Die Freudigkeit, mit der die Bekenner in
den Tod gingen, ihre Standhaftigkeit unter den unsäglichsten Qualen
gewann ihnen selbst und dem Christenthum bei der Menge grosses
Ansehn und erbitterte die Obrigkeit immer mehr, der Trotz musste
gebrochen werden 87). Es soll damals eine Verordnung erschienen
sein, welche den Märtyrertod der Christen verbot: der Sinn ist,
dass die Widerspänstigen so lange, bis die Gefahr des Todes ein-
träte, gefoltert und dann wieder gepflegt werden sollten, bis der
Körper fähig wäre, neue Martern zu ertragen. Zuletzt erreichte
die Regierung ihren Zweck, denn die Meisten konnten die entsetz-
lichen Qualen auf die Länge nicht aushalten.

Von den spanischen und portugiesischen Geistlichen starben
jährlich mehrere den Märtyrertod; auch bei ihnen wandte man

87) Man darf weder die todesmuthige Festigkeit der japanischen Christen noch
die Grausamkeit ihrer Verfolger ganz nach dem Maasse europäischen Gefühls
beurtheilen. Ohne der Glaubenstreue der Bekenner zu nahe treten oder die Rohheit
ihrer Henker beschönigen zu wollen, muss hier doch gesagt werden, dass bei allen
ostasiatischen Völkern, zum Theil gewiss in Folge der buddistischen Lehren, der
Tod und alle körperlichen Leiden als geringe Uebel angesehen werden, — ferner,
dass das Nervensystem dieser Völker ein ganz anderes ist, als das unsere, und dass
sie Verletzungen mit Gleichmuth ertragen, bei welchen den meisten Europäern die
Sinne schwinden würden. Dies ist rein körperlich. Die Freude an Grausamkeiten
gegen Menschen und Thiere ist eine angeborene Eigenschaft der roheren Classen in
Japan und China. Die Classe der Gerber, aus welcher die Scharfrichter genommen
werden, ist, wie alle, deren Gewerbe es mit sich bringt, verwesende Stoffe zu be-
rühren, in Japan von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Sie bilden eine
besondere Kaste, wohnen abgesondert, dürfen nicht in andere Classen heirathen,
und werden gradezu als nicht zum japanischen Volke gehörig angesehen. Ihre Be-
rührung macht unrein.
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[84/0114] Grausame Christenverfolgung. ganze Reich war eine Art von Inquisition organisirt, welche die Christen aufspüren und zur Abschwörung des Glaubens vermögen sollte. Anfangs brauchte man gelinde Maassregeln: die Christen blühender Districte wurden in entlegene Landschaften versetzt, die Beamten suchten durch Drohungen und Einschüchterungen zu wirken. Gewalt wandte die Obrigkeit auch später nur an, wo sie dem Wider- stande begegnete, und doch hat vielleicht die Weltgeschichte nichts Aehnliches an ausgesuchter, überlegter Grausamkeit aufzuweisen; denn der Widerstand war fast allgemein, und da die Verfolger nicht den Zweck hatten, die Christen umzubringen, sondern sie zur Abschwörung des Glaubens zu treiben, so marterten sie ihre Opfer langsam zu Tode. Die Freudigkeit, mit der die Bekenner in den Tod gingen, ihre Standhaftigkeit unter den unsäglichsten Qualen gewann ihnen selbst und dem Christenthum bei der Menge grosses Ansehn und erbitterte die Obrigkeit immer mehr, der Trotz musste gebrochen werden 87). Es soll damals eine Verordnung erschienen sein, welche den Märtyrertod der Christen verbot: der Sinn ist, dass die Widerspänstigen so lange, bis die Gefahr des Todes ein- träte, gefoltert und dann wieder gepflegt werden sollten, bis der Körper fähig wäre, neue Martern zu ertragen. Zuletzt erreichte die Regierung ihren Zweck, denn die Meisten konnten die entsetz- lichen Qualen auf die Länge nicht aushalten. Von den spanischen und portugiesischen Geistlichen starben jährlich mehrere den Märtyrertod; auch bei ihnen wandte man 87) Man darf weder die todesmuthige Festigkeit der japanischen Christen noch die Grausamkeit ihrer Verfolger ganz nach dem Maasse europäischen Gefühls beurtheilen. Ohne der Glaubenstreue der Bekenner zu nahe treten oder die Rohheit ihrer Henker beschönigen zu wollen, muss hier doch gesagt werden, dass bei allen ostasiatischen Völkern, zum Theil gewiss in Folge der buddistischen Lehren, der Tod und alle körperlichen Leiden als geringe Uebel angesehen werden, — ferner, dass das Nervensystem dieser Völker ein ganz anderes ist, als das unsere, und dass sie Verletzungen mit Gleichmuth ertragen, bei welchen den meisten Europäern die Sinne schwinden würden. Dies ist rein körperlich. Die Freude an Grausamkeiten gegen Menschen und Thiere ist eine angeborene Eigenschaft der roheren Classen in Japan und China. Die Classe der Gerber, aus welcher die Scharfrichter genommen werden, ist, wie alle, deren Gewerbe es mit sich bringt, verwesende Stoffe zu be- rühren, in Japan von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Sie bilden eine besondere Kaste, wohnen abgesondert, dürfen nicht in andere Classen heirathen, und werden gradezu als nicht zum japanischen Volke gehörig angesehen. Ihre Be- rührung macht unrein.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/114>, abgerufen am 24.11.2024.