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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Koekebakker's Wirksamkeit.
sich auf keine Weise halten. Dass die 425 Schüsse, welche
Koekebakker von seinem Schiffe aus gegen die Festung feuerte,
den Ausschlag gegeben haben sollten, wird Niemand glauben, der
die Wirkung einer Kanonade -- und noch dazu aus Geschützen
des siebzehnten Jahrhunderts -- zu beurtheilen vermag. -- Man
kann fast mit Sicherheit annehmen, dass die Regierung durch ihre
Forderungen an Koekebakker die Holländer auf die Probe stellen
wollte; die Japaner kannten sie als Christen und trauten ihnen
deshalb nicht. Wenn nun auch der Aufstand in Arima von Ur-
sprung kein Religionskrieg war -- das beweisen seine Anfänge und
der Umstand, dass die Aufrührer sich dem Siogun, der notorisch
das Christenthum mit der grausamsten Härte verfolgte, auf Gnade
und Ungnade ergeben wollten -- so nahm er doch in der Folge den
Charakter eines solchen an. Man hatte das Banner des Kreuzes auf-
gepflanzt und es ist wohl zu vermuthen, dass der wiedererwachende
Glauben den Bedrängten Trost und Stärke verliehen habe, und als
edleres Motiv bei Vielen zur Hauptsache geworden sei. -- Wie
wenig Koekebakker's zögernd geleistete Hülfe den Japanern genügte,
wie wenig sie ihr Misstrauen beschwichtigte, beweist seine schlechte
Aufnahme in Yeddo und die Ereignisse der folgenden Jahre. Traurig
ist es, wenn einzelne holländische Schriftsteller behaupten, sein
Benehmen erfülle nicht nur die Forderungen der Ehre und Pflicht,
sondern auch die der Staatsklugheit, wenn sie sogar als Protestanten
die Verfolgung wehrloser katholischer Christen für gerechtfertigt
erklären; -- man kann aber vermuthen, dass Männer seines Schlages
aus anderen Nationen unter gleichen Umständen ähnlich gehandelt
hätten.

Es scheint, dass man zur Zeit der Ereignisse selbst den
Holländern keinen Vorwurf aus ihrem Benehmen gemacht hat.
Mandelslo, ein deutscher Edelmann, der im Jahre 1639 Goa be-
suchte und in freundschaftlichem Verkehr mit den dortigen Jesuiten
stand, berichtet viel von den Schrecknissen der japanischen Christen-
verfolgung, deren Schilderung er aus ihrem Munde vernahm, sagt
aber nicht, dass sie die Holländer irgendwie beschuldigt hätten.
Die ersten Schmähungen finden sich in den Büchern des Tavernier,
eines französischen Abentheurers, der lange in Ostindien war und
im Auftrage der französischen Regierung geschrieben zu haben
scheint. Colbert nämlich hatte den Gedanken gefasst, eine fran-
zösich-ostindische Handelsgesellschaft zu gründen, die auch mit

Koekebakker’s Wirksamkeit.
sich auf keine Weise halten. Dass die 425 Schüsse, welche
Koekebakker von seinem Schiffe aus gegen die Festung feuerte,
den Ausschlag gegeben haben sollten, wird Niemand glauben, der
die Wirkung einer Kanonade — und noch dazu aus Geschützen
des siebzehnten Jahrhunderts — zu beurtheilen vermag. — Man
kann fast mit Sicherheit annehmen, dass die Regierung durch ihre
Forderungen an Koekebakker die Holländer auf die Probe stellen
wollte; die Japaner kannten sie als Christen und trauten ihnen
deshalb nicht. Wenn nun auch der Aufstand in Arima von Ur-
sprung kein Religionskrieg war — das beweisen seine Anfänge und
der Umstand, dass die Aufrührer sich dem Siogun, der notorisch
das Christenthum mit der grausamsten Härte verfolgte, auf Gnade
und Ungnade ergeben wollten — so nahm er doch in der Folge den
Charakter eines solchen an. Man hatte das Banner des Kreuzes auf-
gepflanzt und es ist wohl zu vermuthen, dass der wiedererwachende
Glauben den Bedrängten Trost und Stärke verliehen habe, und als
edleres Motiv bei Vielen zur Hauptsache geworden sei. — Wie
wenig Koekebakker’s zögernd geleistete Hülfe den Japanern genügte,
wie wenig sie ihr Misstrauen beschwichtigte, beweist seine schlechte
Aufnahme in Yeddo und die Ereignisse der folgenden Jahre. Traurig
ist es, wenn einzelne holländische Schriftsteller behaupten, sein
Benehmen erfülle nicht nur die Forderungen der Ehre und Pflicht,
sondern auch die der Staatsklugheit, wenn sie sogar als Protestanten
die Verfolgung wehrloser katholischer Christen für gerechtfertigt
erklären; — man kann aber vermuthen, dass Männer seines Schlages
aus anderen Nationen unter gleichen Umständen ähnlich gehandelt
hätten.

Es scheint, dass man zur Zeit der Ereignisse selbst den
Holländern keinen Vorwurf aus ihrem Benehmen gemacht hat.
Mandelslo, ein deutscher Edelmann, der im Jahre 1639 Goa be-
suchte und in freundschaftlichem Verkehr mit den dortigen Jesuiten
stand, berichtet viel von den Schrecknissen der japanischen Christen-
verfolgung, deren Schilderung er aus ihrem Munde vernahm, sagt
aber nicht, dass sie die Holländer irgendwie beschuldigt hätten.
Die ersten Schmähungen finden sich in den Büchern des Tavernier,
eines französischen Abentheurers, der lange in Ostindien war und
im Auftrage der französischen Regierung geschrieben zu haben
scheint. Colbert nämlich hatte den Gedanken gefasst, eine fran-
zösich-ostindische Handelsgesellschaft zu gründen, die auch mit

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[103/0133] Koekebakker’s Wirksamkeit. sich auf keine Weise halten. Dass die 425 Schüsse, welche Koekebakker von seinem Schiffe aus gegen die Festung feuerte, den Ausschlag gegeben haben sollten, wird Niemand glauben, der die Wirkung einer Kanonade — und noch dazu aus Geschützen des siebzehnten Jahrhunderts — zu beurtheilen vermag. — Man kann fast mit Sicherheit annehmen, dass die Regierung durch ihre Forderungen an Koekebakker die Holländer auf die Probe stellen wollte; die Japaner kannten sie als Christen und trauten ihnen deshalb nicht. Wenn nun auch der Aufstand in Arima von Ur- sprung kein Religionskrieg war — das beweisen seine Anfänge und der Umstand, dass die Aufrührer sich dem Siogun, der notorisch das Christenthum mit der grausamsten Härte verfolgte, auf Gnade und Ungnade ergeben wollten — so nahm er doch in der Folge den Charakter eines solchen an. Man hatte das Banner des Kreuzes auf- gepflanzt und es ist wohl zu vermuthen, dass der wiedererwachende Glauben den Bedrängten Trost und Stärke verliehen habe, und als edleres Motiv bei Vielen zur Hauptsache geworden sei. — Wie wenig Koekebakker’s zögernd geleistete Hülfe den Japanern genügte, wie wenig sie ihr Misstrauen beschwichtigte, beweist seine schlechte Aufnahme in Yeddo und die Ereignisse der folgenden Jahre. Traurig ist es, wenn einzelne holländische Schriftsteller behaupten, sein Benehmen erfülle nicht nur die Forderungen der Ehre und Pflicht, sondern auch die der Staatsklugheit, wenn sie sogar als Protestanten die Verfolgung wehrloser katholischer Christen für gerechtfertigt erklären; — man kann aber vermuthen, dass Männer seines Schlages aus anderen Nationen unter gleichen Umständen ähnlich gehandelt hätten. Es scheint, dass man zur Zeit der Ereignisse selbst den Holländern keinen Vorwurf aus ihrem Benehmen gemacht hat. Mandelslo, ein deutscher Edelmann, der im Jahre 1639 Goa be- suchte und in freundschaftlichem Verkehr mit den dortigen Jesuiten stand, berichtet viel von den Schrecknissen der japanischen Christen- verfolgung, deren Schilderung er aus ihrem Munde vernahm, sagt aber nicht, dass sie die Holländer irgendwie beschuldigt hätten. Die ersten Schmähungen finden sich in den Büchern des Tavernier, eines französischen Abentheurers, der lange in Ostindien war und im Auftrage der französischen Regierung geschrieben zu haben scheint. Colbert nämlich hatte den Gedanken gefasst, eine fran- zösich-ostindische Handelsgesellschaft zu gründen, die auch mit

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/133>, abgerufen am 18.05.2024.