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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Specielle Beschuldigungen.
annehmen, dass die Niederländer das Loos der Portugiesen getheilt
hätten, wenn sie sich in den Jahren 1638, 1639 und 1640 nicht in
Alles fügten. Die Uebersiedelung nach Desima, die als Alternative
der gänzlichen Verbannung gestellt wurde, versetzte sie schon an
sich auf immer in die Lage von Leuten, welche man nur aus Gnade
im Lande duldete.

Von den schlimmsten gegen die Holländer laut gewordenen
Vorwürfen lässt sich beweisen, dass sie auf böswilliger Erfindung
und gefälschter Darstellung der Thatsachen beruhen. Dies gilt
besonders von den Beschuldigungen, dass sie die Vertreibung der
Portugiesen und Spanier und den Untergang des Christenthumes
in Japan veranlasst, und dass sie selbst das Christenthum ver-
leugnet hätten.

Was den ersten Punct betrifft, so weiss man zunächst, dass
das Religionsedict des Taiko-sama vom Jahre 1587 datirt und
nachher niemals widerrufen worden ist. Alle späteren Maassregeln
waren nur Ausführung und Verschärfung dieses Erlasses. Ferner
ist notorisch, dass die Spanier und Portugiesen bei der ersten
Ankunft der Holländer und nachher, so lange sie in Ansehn standen,
allen ihren Einfluss aufgeboten haben, um Jene zu verdrängen: das
beweisen, wenn man das Zeugniss des Adams nicht gelten lassen
will, die ausdrücklichen Bekenntnisse des spanischen Gouverneurs
der Philippinen, -- welcher 1609, also mit den Holländern ungefähr
zugleich nach Japan kam, -- er habe ihre Verbannung wiederholt
auf das nachdrücklichste gefordert. Dies ist bei dem Nationalhass
zwischen den Spaniern und Holländern und bei der verfolgenden
Stellung, welche die katholische Kirche gegen die protestantische
damals überall einnahm, nicht zu verwundern; ebenso natürlich aber
scheint es, dass die Holländer Jenen mit Gleichem vergalten.

Wenn nun den Holländern vorgeworfen wird, dass sie durch
die zur Unterdrückung des Aufstandes in Arima geleistete Hülfe das
Christenthum in Japan ausgerottet hätten, so geschieht das ebenfalls
mit Unrecht. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Japaner
auch ohne Koekebakker's Kanonen nicht nur mit den Christen in
Arima, sondern mit allen Christen des Reiches fertig geworden wären,
wenn sie sich einmüthig und zu gleicher Zeit erhoben hätten. Der
Dynastie des Jyeyas konnten sie nicht mehr furchtbar sein. Die
Aufständischen in Arima aber waren in eine verfallene Festung
zurückgedrängt, von der Landseite vollständig cernirt, und konnten

Specielle Beschuldigungen.
annehmen, dass die Niederländer das Loos der Portugiesen getheilt
hätten, wenn sie sich in den Jahren 1638, 1639 und 1640 nicht in
Alles fügten. Die Uebersiedelung nach Desima, die als Alternative
der gänzlichen Verbannung gestellt wurde, versetzte sie schon an
sich auf immer in die Lage von Leuten, welche man nur aus Gnade
im Lande duldete.

Von den schlimmsten gegen die Holländer laut gewordenen
Vorwürfen lässt sich beweisen, dass sie auf böswilliger Erfindung
und gefälschter Darstellung der Thatsachen beruhen. Dies gilt
besonders von den Beschuldigungen, dass sie die Vertreibung der
Portugiesen und Spanier und den Untergang des Christenthumes
in Japan veranlasst, und dass sie selbst das Christenthum ver-
leugnet hätten.

Was den ersten Punct betrifft, so weiss man zunächst, dass
das Religionsedict des Taïko-sama vom Jahre 1587 datirt und
nachher niemals widerrufen worden ist. Alle späteren Maassregeln
waren nur Ausführung und Verschärfung dieses Erlasses. Ferner
ist notorisch, dass die Spanier und Portugiesen bei der ersten
Ankunft der Holländer und nachher, so lange sie in Ansehn standen,
allen ihren Einfluss aufgeboten haben, um Jene zu verdrängen: das
beweisen, wenn man das Zeugniss des Adams nicht gelten lassen
will, die ausdrücklichen Bekenntnisse des spanischen Gouverneurs
der Philippinen, — welcher 1609, also mit den Holländern ungefähr
zugleich nach Japan kam, — er habe ihre Verbannung wiederholt
auf das nachdrücklichste gefordert. Dies ist bei dem Nationalhass
zwischen den Spaniern und Holländern und bei der verfolgenden
Stellung, welche die katholische Kirche gegen die protestantische
damals überall einnahm, nicht zu verwundern; ebenso natürlich aber
scheint es, dass die Holländer Jenen mit Gleichem vergalten.

Wenn nun den Holländern vorgeworfen wird, dass sie durch
die zur Unterdrückung des Aufstandes in Arima geleistete Hülfe das
Christenthum in Japan ausgerottet hätten, so geschieht das ebenfalls
mit Unrecht. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Japaner
auch ohne Koekebakker’s Kanonen nicht nur mit den Christen in
Arima, sondern mit allen Christen des Reiches fertig geworden wären,
wenn sie sich einmüthig und zu gleicher Zeit erhoben hätten. Der
Dynastie des Jyeyas konnten sie nicht mehr furchtbar sein. Die
Aufständischen in Arima aber waren in eine verfallene Festung
zurückgedrängt, von der Landseite vollständig cernirt, und konnten

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[102/0132] Specielle Beschuldigungen. annehmen, dass die Niederländer das Loos der Portugiesen getheilt hätten, wenn sie sich in den Jahren 1638, 1639 und 1640 nicht in Alles fügten. Die Uebersiedelung nach Desima, die als Alternative der gänzlichen Verbannung gestellt wurde, versetzte sie schon an sich auf immer in die Lage von Leuten, welche man nur aus Gnade im Lande duldete. Von den schlimmsten gegen die Holländer laut gewordenen Vorwürfen lässt sich beweisen, dass sie auf böswilliger Erfindung und gefälschter Darstellung der Thatsachen beruhen. Dies gilt besonders von den Beschuldigungen, dass sie die Vertreibung der Portugiesen und Spanier und den Untergang des Christenthumes in Japan veranlasst, und dass sie selbst das Christenthum ver- leugnet hätten. Was den ersten Punct betrifft, so weiss man zunächst, dass das Religionsedict des Taïko-sama vom Jahre 1587 datirt und nachher niemals widerrufen worden ist. Alle späteren Maassregeln waren nur Ausführung und Verschärfung dieses Erlasses. Ferner ist notorisch, dass die Spanier und Portugiesen bei der ersten Ankunft der Holländer und nachher, so lange sie in Ansehn standen, allen ihren Einfluss aufgeboten haben, um Jene zu verdrängen: das beweisen, wenn man das Zeugniss des Adams nicht gelten lassen will, die ausdrücklichen Bekenntnisse des spanischen Gouverneurs der Philippinen, — welcher 1609, also mit den Holländern ungefähr zugleich nach Japan kam, — er habe ihre Verbannung wiederholt auf das nachdrücklichste gefordert. Dies ist bei dem Nationalhass zwischen den Spaniern und Holländern und bei der verfolgenden Stellung, welche die katholische Kirche gegen die protestantische damals überall einnahm, nicht zu verwundern; ebenso natürlich aber scheint es, dass die Holländer Jenen mit Gleichem vergalten. Wenn nun den Holländern vorgeworfen wird, dass sie durch die zur Unterdrückung des Aufstandes in Arima geleistete Hülfe das Christenthum in Japan ausgerottet hätten, so geschieht das ebenfalls mit Unrecht. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Japaner auch ohne Koekebakker’s Kanonen nicht nur mit den Christen in Arima, sondern mit allen Christen des Reiches fertig geworden wären, wenn sie sich einmüthig und zu gleicher Zeit erhoben hätten. Der Dynastie des Jyeyas konnten sie nicht mehr furchtbar sein. Die Aufständischen in Arima aber waren in eine verfallene Festung zurückgedrängt, von der Landseite vollständig cernirt, und konnten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/132>, abgerufen am 18.05.2024.