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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Beaufsichtigung der Daimio's.
den ihrer Aufsicht befohlenen Daimio auf Schritt und Tritt zu be-
gleiten und jede seiner Handlungen nach Hofe zu berichten. Ausser
diesen officiellen Aufpassern unterhält die Regierung im ganzen Lande
viele geheime Spione, die Niemand als solche kennt; sie werden aus
den angesehensten Familien des Hofes genommen, und müssen sich
oft dazu hergeben, in geringer Verkleidung -- als Handwerker,
Tagelöhner u. s. w. -- viele Jahre unter den schwierigsten und un-
bequemsten Verhältnissen zuzubringen 116). Diese Stellungen sind
sehr gefährlich, aber in Japan darf sich Niemand unterstehen, ein
übertragenes Amt auszuschlagen, seine Ehre wäre verloren und
damit sein Leben. Grade das Amt des geheimen Spions fordert die
grösste Zuverlässigkeit und Geschicklichkeit und wird meist nur vor-
züglichen Männern vertraut. Damit nun aber auch die geheimen
Aufpasser controllirt werden können, sind überall im Lande öffent-
liche Briefkasten für die Beschwerden des Volkes aufgestellt; die
Klagschriften werden in Yeddo geöffnet und müssen, um berück-
sichtigt zu werden, mit dem Namen des Klägers unterzeichnet sein,
der in schwere Strafen fällt, wenn seine Angaben sich als unrichtig
erweisen.

Die ganze Existenz der Daimio's ist so zugeschnitten, dass
selbst die reichsten niemals über grosse Geldmittel verfügen können.
Ihre Hofhaltung und Kriegsmacht verschlingen den grössten Theil
ihrer Einkünfte -- zudem ist es hergebracht, dass vornehme Leute
ihrem Stande gemäss Alles weit über dem Werth bezahlen, und bei
ihren Hofreisen müssen sie dem Siogun jedesmal werthvolle Geschenke
überreichen. Sammelt trotzdem ein Daimio viel baares Geld, so ladet
sich der Siogun bei ihm zum Frühstück ein, oder lässt ihm von dem
Mikado einen ausserordentlichen Titel verleihen; beides sind so
kostbare Ehren, dass die Kassen der davon betroffenen auf lange
Zeit hinaus erschöpft werden.

Dies war ungefähr die Stellung des Lehnsadels in den
Jahrhunderten der Abschliessung. Natürlich gab es darin viel-
fache Modificationen, wie sie locale Umstände, die Stellung der
einzelnen Fürsten zu ihren Unterthanen, die Lage und eigenthüm-
liche Verfassung und die Entfernung ihrer Herrschaften von der

116) Ein Gouverneur von Hakodade wurde plötzlich seines Postens enthoben.
Als Nachfolger trat in sein Amt ein Mann, welchen man mehrere Jahre lang als
Arbeiter eines Tabakshändlers dort gekannt hatte. Er gehörte einer vornehmen Hof-
Familie an, und war als geheimer Spion nach Hakodade gesandt worden.

Beaufsichtigung der Daïmio’s.
den ihrer Aufsicht befohlenen Daïmio auf Schritt und Tritt zu be-
gleiten und jede seiner Handlungen nach Hofe zu berichten. Ausser
diesen officiellen Aufpassern unterhält die Regierung im ganzen Lande
viele geheime Spione, die Niemand als solche kennt; sie werden aus
den angesehensten Familien des Hofes genommen, und müssen sich
oft dazu hergeben, in geringer Verkleidung — als Handwerker,
Tagelöhner u. s. w. — viele Jahre unter den schwierigsten und un-
bequemsten Verhältnissen zuzubringen 116). Diese Stellungen sind
sehr gefährlich, aber in Japan darf sich Niemand unterstehen, ein
übertragenes Amt auszuschlagen, seine Ehre wäre verloren und
damit sein Leben. Grade das Amt des geheimen Spions fordert die
grösste Zuverlässigkeit und Geschicklichkeit und wird meist nur vor-
züglichen Männern vertraut. Damit nun aber auch die geheimen
Aufpasser controllirt werden können, sind überall im Lande öffent-
liche Briefkasten für die Beschwerden des Volkes aufgestellt; die
Klagschriften werden in Yeddo geöffnet und müssen, um berück-
sichtigt zu werden, mit dem Namen des Klägers unterzeichnet sein,
der in schwere Strafen fällt, wenn seine Angaben sich als unrichtig
erweisen.

Die ganze Existenz der Daïmio’s ist so zugeschnitten, dass
selbst die reichsten niemals über grosse Geldmittel verfügen können.
Ihre Hofhaltung und Kriegsmacht verschlingen den grössten Theil
ihrer Einkünfte — zudem ist es hergebracht, dass vornehme Leute
ihrem Stande gemäss Alles weit über dem Werth bezahlen, und bei
ihren Hofreisen müssen sie dem Siogun jedesmal werthvolle Geschenke
überreichen. Sammelt trotzdem ein Daïmio viel baares Geld, so ladet
sich der Siogun bei ihm zum Frühstück ein, oder lässt ihm von dem
Mikado einen ausserordentlichen Titel verleihen; beides sind so
kostbare Ehren, dass die Kassen der davon betroffenen auf lange
Zeit hinaus erschöpft werden.

Dies war ungefähr die Stellung des Lehnsadels in den
Jahrhunderten der Abschliessung. Natürlich gab es darin viel-
fache Modificationen, wie sie locale Umstände, die Stellung der
einzelnen Fürsten zu ihren Unterthanen, die Lage und eigenthüm-
liche Verfassung und die Entfernung ihrer Herrschaften von der

116) Ein Gouverneur von Hakodade wurde plötzlich seines Postens enthoben.
Als Nachfolger trat in sein Amt ein Mann, welchen man mehrere Jahre lang als
Arbeiter eines Tabakshändlers dort gekannt hatte. Er gehörte einer vornehmen Hof-
Familie an, und war als geheimer Spion nach Hakodade gesandt worden.
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[118/0148] Beaufsichtigung der Daïmio’s. den ihrer Aufsicht befohlenen Daïmio auf Schritt und Tritt zu be- gleiten und jede seiner Handlungen nach Hofe zu berichten. Ausser diesen officiellen Aufpassern unterhält die Regierung im ganzen Lande viele geheime Spione, die Niemand als solche kennt; sie werden aus den angesehensten Familien des Hofes genommen, und müssen sich oft dazu hergeben, in geringer Verkleidung — als Handwerker, Tagelöhner u. s. w. — viele Jahre unter den schwierigsten und un- bequemsten Verhältnissen zuzubringen 116). Diese Stellungen sind sehr gefährlich, aber in Japan darf sich Niemand unterstehen, ein übertragenes Amt auszuschlagen, seine Ehre wäre verloren und damit sein Leben. Grade das Amt des geheimen Spions fordert die grösste Zuverlässigkeit und Geschicklichkeit und wird meist nur vor- züglichen Männern vertraut. Damit nun aber auch die geheimen Aufpasser controllirt werden können, sind überall im Lande öffent- liche Briefkasten für die Beschwerden des Volkes aufgestellt; die Klagschriften werden in Yeddo geöffnet und müssen, um berück- sichtigt zu werden, mit dem Namen des Klägers unterzeichnet sein, der in schwere Strafen fällt, wenn seine Angaben sich als unrichtig erweisen. Die ganze Existenz der Daïmio’s ist so zugeschnitten, dass selbst die reichsten niemals über grosse Geldmittel verfügen können. Ihre Hofhaltung und Kriegsmacht verschlingen den grössten Theil ihrer Einkünfte — zudem ist es hergebracht, dass vornehme Leute ihrem Stande gemäss Alles weit über dem Werth bezahlen, und bei ihren Hofreisen müssen sie dem Siogun jedesmal werthvolle Geschenke überreichen. Sammelt trotzdem ein Daïmio viel baares Geld, so ladet sich der Siogun bei ihm zum Frühstück ein, oder lässt ihm von dem Mikado einen ausserordentlichen Titel verleihen; beides sind so kostbare Ehren, dass die Kassen der davon betroffenen auf lange Zeit hinaus erschöpft werden. Dies war ungefähr die Stellung des Lehnsadels in den Jahrhunderten der Abschliessung. Natürlich gab es darin viel- fache Modificationen, wie sie locale Umstände, die Stellung der einzelnen Fürsten zu ihren Unterthanen, die Lage und eigenthüm- liche Verfassung und die Entfernung ihrer Herrschaften von der 116) Ein Gouverneur von Hakodade wurde plötzlich seines Postens enthoben. Als Nachfolger trat in sein Amt ein Mann, welchen man mehrere Jahre lang als Arbeiter eines Tabakshändlers dort gekannt hatte. Er gehörte einer vornehmen Hof- Familie an, und war als geheimer Spion nach Hakodade gesandt worden.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/148>, abgerufen am 24.11.2024.