[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Verhältniss des Siogun zu den Daimio's. auf dem Lande sind, müssen ihre Familien als Geissel in der Haupt-stadt bleiben; auf allen dahin führenden Landstrassen sind Schlag- bäume aufgestellt, wo die Daimio's bei ihrem Auszuge von Yeddo anhalten und ihr Gepäck untersuchen lassen müssen, ob etwa Frauen darin versteckt sind. Während des Landaufenthaltes darf kein weibliches Wesen über ihre Schwelle kommen. In der Hauptstadt selbst war es nur mit einander verwandten Daimio's erlaubt sich gegenseitig zu besuchen; man sorgte dafür, dass Nachbar- besitzer sich niemals zu gleicher Zeit in Yeddo oder auf dem Lande aufhielten. Sie haben zwar auf ihren Besitzungen und in ihren Palästen zu Yeddo die absolute Gewalt über ihre Unterthanen -- und es wird als etwas ganz Gewöhnliches erzählt, dass Daimio's ihre Untergebenen für geringe Vergehen ohne Weiteres auf dem Hofe ihrer Wohnung köpfen lassen -- aber sie sind für die gute Ver- waltung und überhaupt für Alles, was auf ihren Besitzungen vorgeht, mit dem Leben verantwortlich und werden sogar für die Fehler und Nachlässigkeiten ihrer Unterthanen bestraft. Der Siogun kann die Daimio's zu Gefängniss, Verbannung und zum Tode verurtheilen, kann sie zur Abtretung der Herrschaft an ihre Erben zwingen und sogar ganze Familien auf immer aus ihrem Besitze verstossen. Nur zu der Entsetzung seiner Titularbrüder und einiger der vornehmsten Lehnsfürsten 114) soll in neuerer Zeit die Einwilligung des Mikado erforderlich gewesen sein. Das Leben der Daimio's auf dem Lande ist streng geregelt, 114) Als solche werden die Fürsten von Kanga, Satsuma, Muts, Yetsisen, Oomi und Osio genannt. -- Im Jahre 1773 befahl der Siogun einem der kaiserlichen Prinzen, dem Fürsten von Kii, welcher jähzornigen Charakters und grausam gegen seine Untergebenen war, sich zu entleiben. Tsuna-yosi ertheilte denselben Befehl seinem eigenen Bruder, der sich dem Trunke ergeben hatte und ein unwürdiges Leben führte. 115) Sie durften z. B. noch bis ganz vor kurzem keinen Ausländer bei sich
empfangen -- auch in Yeddo in ihren Häusern nicht, -- ohne specielle Erlaubniss der Regierung, deren Aufpasser dann bei allen Unterredungen gegenwärtig sein mussten. So bedurften sie auch zum Ankauf von Dampfschiffen, Kriegsbedarf u. s. w. der besonderen Genehmigung des Siogun. Verhältniss des Siogun zu den Daïmio’s. auf dem Lande sind, müssen ihre Familien als Geissel in der Haupt-stadt bleiben; auf allen dahin führenden Landstrassen sind Schlag- bäume aufgestellt, wo die Daïmio’s bei ihrem Auszuge von Yeddo anhalten und ihr Gepäck untersuchen lassen müssen, ob etwa Frauen darin versteckt sind. Während des Landaufenthaltes darf kein weibliches Wesen über ihre Schwelle kommen. In der Hauptstadt selbst war es nur mit einander verwandten Daïmio’s erlaubt sich gegenseitig zu besuchen; man sorgte dafür, dass Nachbar- besitzer sich niemals zu gleicher Zeit in Yeddo oder auf dem Lande aufhielten. Sie haben zwar auf ihren Besitzungen und in ihren Palästen zu Yeddo die absolute Gewalt über ihre Unterthanen — und es wird als etwas ganz Gewöhnliches erzählt, dass Daïmio’s ihre Untergebenen für geringe Vergehen ohne Weiteres auf dem Hofe ihrer Wohnung köpfen lassen — aber sie sind für die gute Ver- waltung und überhaupt für Alles, was auf ihren Besitzungen vorgeht, mit dem Leben verantwortlich und werden sogar für die Fehler und Nachlässigkeiten ihrer Unterthanen bestraft. Der Siogun kann die Daïmio’s zu Gefängniss, Verbannung und zum Tode verurtheilen, kann sie zur Abtretung der Herrschaft an ihre Erben zwingen und sogar ganze Familien auf immer aus ihrem Besitze verstossen. Nur zu der Entsetzung seiner Titularbrüder und einiger der vornehmsten Lehnsfürsten 114) soll in neuerer Zeit die Einwilligung des Mikado erforderlich gewesen sein. Das Leben der Daïmio’s auf dem Lande ist streng geregelt, 114) Als solche werden die Fürsten von Kaṅga, Satsuma, Muts, Yetsisen, Oomi und Osio genannt. — Im Jahre 1773 befahl der Siogun einem der kaiserlichen Prinzen, dem Fürsten von Kii, welcher jähzornigen Charakters und grausam gegen seine Untergebenen war, sich zu entleiben. Tsuna-yosi ertheilte denselben Befehl seinem eigenen Bruder, der sich dem Trunke ergeben hatte und ein unwürdiges Leben führte. 115) Sie durften z. B. noch bis ganz vor kurzem keinen Ausländer bei sich
empfangen — auch in Yeddo in ihren Häusern nicht, — ohne specielle Erlaubniss der Regierung, deren Aufpasser dann bei allen Unterredungen gegenwärtig sein mussten. So bedurften sie auch zum Ankauf von Dampfschiffen, Kriegsbedarf u. s. w. der besonderen Genehmigung des Siogun. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0147" n="117"/><fw place="top" type="header">Verhältniss des <hi rendition="#k">Siogun</hi> zu den <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s.</fw><lb/> auf dem Lande sind, müssen ihre Familien als Geissel in der Haupt-<lb/> stadt bleiben; auf allen dahin führenden Landstrassen sind Schlag-<lb/> bäume aufgestellt, wo die <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s bei ihrem Auszuge von <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi><lb/> anhalten und ihr Gepäck untersuchen lassen müssen, ob etwa<lb/> Frauen darin versteckt sind. Während des Landaufenthaltes<lb/> darf kein weibliches Wesen über ihre Schwelle kommen. In der<lb/> Hauptstadt selbst war es nur mit einander verwandten <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s<lb/> erlaubt sich gegenseitig zu besuchen; man sorgte dafür, dass Nachbar-<lb/> besitzer sich niemals zu gleicher Zeit in <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> oder auf dem Lande<lb/> aufhielten. Sie haben zwar auf ihren Besitzungen und in ihren<lb/> Palästen zu <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> die absolute Gewalt über ihre Unterthanen —<lb/> und es wird als etwas ganz Gewöhnliches erzählt, dass <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s ihre<lb/> Untergebenen für geringe Vergehen ohne Weiteres auf dem Hofe<lb/> ihrer Wohnung köpfen lassen — aber sie sind für die gute Ver-<lb/> waltung und überhaupt für Alles, was auf ihren Besitzungen vorgeht,<lb/> mit dem Leben verantwortlich und werden sogar für die Fehler und<lb/> Nachlässigkeiten ihrer Unterthanen bestraft. Der <hi rendition="#k">Siogun</hi> kann die<lb/><hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s zu Gefängniss, Verbannung und zum Tode verurtheilen,<lb/> kann sie zur Abtretung der Herrschaft an ihre Erben zwingen und<lb/> sogar ganze Familien auf immer aus ihrem Besitze verstossen. Nur<lb/> zu der Entsetzung seiner Titularbrüder und einiger der vornehmsten<lb/> Lehnsfürsten <note place="foot" n="114)">Als solche werden die Fürsten von <hi rendition="#k"><placeName>Kaṅga</placeName>, <placeName>Satsuma</placeName>, <placeName>Muts</placeName>, <placeName>Yetsisen</placeName>,<lb/><placeName>Oomi</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Osio</placeName></hi> genannt. — Im Jahre 1773 befahl der <hi rendition="#k">Siogun</hi> einem der kaiserlichen<lb/> Prinzen, dem Fürsten von <hi rendition="#k"><placeName>Kii</placeName></hi>, welcher jähzornigen Charakters und grausam gegen<lb/> seine Untergebenen war, sich zu entleiben. <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/132595265">Tsuna-yosi</persName></hi> ertheilte denselben Befehl<lb/> seinem eigenen Bruder, der sich dem Trunke ergeben hatte und ein unwürdiges<lb/> Leben führte.</note> soll in neuerer Zeit die Einwilligung des <hi rendition="#k">Mikado</hi><lb/> erforderlich gewesen sein.</p><lb/> <p>Das Leben der <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s auf dem Lande ist streng geregelt,<lb/> zu jedem aussergewöhnlichen Schritte bedürfen sie der Erlaubniss<lb/> des <hi rendition="#k">Siogun</hi> <note place="foot" n="115)">Sie durften z. B. noch bis ganz vor kurzem keinen Ausländer bei sich<lb/> empfangen — auch in <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> in ihren Häusern nicht, — ohne specielle Erlaubniss<lb/> der Regierung, deren Aufpasser dann bei allen Unterredungen gegenwärtig sein<lb/> mussten. So bedurften sie auch zum Ankauf von Dampfschiffen, Kriegsbedarf u. s. w.<lb/> der besonderen Genehmigung des <hi rendition="#k">Siogun</hi>.</note>. Jedem der vornehmeren Lehnsadligen sind zu seiner<lb/> Ueberwachung von Seiten der Regierung zwei officielle Secretäre<lb/> beigegeben, die sich von sechs zu sechs Monaten im Amte ablösen,<lb/> ihre Familien aber bleibend in <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> lassen müssen. Sie haben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0147]
Verhältniss des Siogun zu den Daïmio’s.
auf dem Lande sind, müssen ihre Familien als Geissel in der Haupt-
stadt bleiben; auf allen dahin führenden Landstrassen sind Schlag-
bäume aufgestellt, wo die Daïmio’s bei ihrem Auszuge von Yeddo
anhalten und ihr Gepäck untersuchen lassen müssen, ob etwa
Frauen darin versteckt sind. Während des Landaufenthaltes
darf kein weibliches Wesen über ihre Schwelle kommen. In der
Hauptstadt selbst war es nur mit einander verwandten Daïmio’s
erlaubt sich gegenseitig zu besuchen; man sorgte dafür, dass Nachbar-
besitzer sich niemals zu gleicher Zeit in Yeddo oder auf dem Lande
aufhielten. Sie haben zwar auf ihren Besitzungen und in ihren
Palästen zu Yeddo die absolute Gewalt über ihre Unterthanen —
und es wird als etwas ganz Gewöhnliches erzählt, dass Daïmio’s ihre
Untergebenen für geringe Vergehen ohne Weiteres auf dem Hofe
ihrer Wohnung köpfen lassen — aber sie sind für die gute Ver-
waltung und überhaupt für Alles, was auf ihren Besitzungen vorgeht,
mit dem Leben verantwortlich und werden sogar für die Fehler und
Nachlässigkeiten ihrer Unterthanen bestraft. Der Siogun kann die
Daïmio’s zu Gefängniss, Verbannung und zum Tode verurtheilen,
kann sie zur Abtretung der Herrschaft an ihre Erben zwingen und
sogar ganze Familien auf immer aus ihrem Besitze verstossen. Nur
zu der Entsetzung seiner Titularbrüder und einiger der vornehmsten
Lehnsfürsten 114) soll in neuerer Zeit die Einwilligung des Mikado
erforderlich gewesen sein.
Das Leben der Daïmio’s auf dem Lande ist streng geregelt,
zu jedem aussergewöhnlichen Schritte bedürfen sie der Erlaubniss
des Siogun 115). Jedem der vornehmeren Lehnsadligen sind zu seiner
Ueberwachung von Seiten der Regierung zwei officielle Secretäre
beigegeben, die sich von sechs zu sechs Monaten im Amte ablösen,
ihre Familien aber bleibend in Yeddo lassen müssen. Sie haben
114) Als solche werden die Fürsten von Kaṅga, Satsuma, Muts, Yetsisen,
Oomi und Osio genannt. — Im Jahre 1773 befahl der Siogun einem der kaiserlichen
Prinzen, dem Fürsten von Kii, welcher jähzornigen Charakters und grausam gegen
seine Untergebenen war, sich zu entleiben. Tsuna-yosi ertheilte denselben Befehl
seinem eigenen Bruder, der sich dem Trunke ergeben hatte und ein unwürdiges
Leben führte.
115) Sie durften z. B. noch bis ganz vor kurzem keinen Ausländer bei sich
empfangen — auch in Yeddo in ihren Häusern nicht, — ohne specielle Erlaubniss
der Regierung, deren Aufpasser dann bei allen Unterredungen gegenwärtig sein
mussten. So bedurften sie auch zum Ankauf von Dampfschiffen, Kriegsbedarf u. s. w.
der besonderen Genehmigung des Siogun.
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