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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Besoldung. Die Daimio's und Siomio's.
Der Sold wird meist in Reis bezahlt; da sich nun seit dem sieb-
zehnten Jahrhundert sowohl die Bevölkerung als die Fruchtbarkeit
des Landes bedeutend gehoben hat und da jeder Sohn eines Samrai
wieder Soldat werden muss, -- da ferner das Einkommen des
Siogun und der Daimio's sich nach dem Bodenertrage richtet, so
kann man annehmen, dass mit der Productionskraft des Landes
und der Bevölkerung im Allgemeinen auch die Zahl der Soldaten
wächst, welche von den Fürsten unterhalten werden, und dass das
japanische Kriegesheer heute noch viel zahlreicher ist als zu
Caron's Zeiten.

Den Namen Daimio führen die vornehmeren unter den Lehns-
fürsten; Siomio heisst der minderbegüterte oder, wie andere wollen,
der neuere Adel. Jyeyas räumte nach dem Regentenkriege und
wahrscheinlich noch mehr nach der Besiegung des Fide-yori unter
den ihm feindlichen Familien stark auf, zerstückte ihren Besitz in
viele kleine Theile, mit denen er seine Getreuen belehnte, und
schuf sich dadurch eine mächtige, ihm selbst aber wegen der Klein-
heit des Einzelnbesitzes ungefährliche Parthei: dieser Adel des Jyeyas
soll vorzugsweise mit dem Namen Siomio bezeichnet werden.

Titel und Besitz vererben in den Familien des Lehnsadels
auf einen unter den Söhnen oder Agnaten ausgewählten Nachfolger;
in Ermangelung eines solchen wird der Erbe aus einer ebenbürtigen
Familie unter der Sanction des Siogun adoptirt, welcher auch die
Heirathen des höheren Adels schliesst. Die Daimio's sollen es sich
besonders angelegen sein lassen, immer den fähigsten unter ihren
Söhnen zum Nachfolger zu ernennen und häufig sogar, wenn es
den natürlichen Erben an Begabung fehlt, mit Uebergehung der-
selben einem Fremden durch Adoptirung die Succession zuwenden.
So finden hervorragende Eigenschaften meistens ihre Stellung, der
japanische Lehnsadel soll fast durchweg aus tüchtigen Männern
bestehen. Was aus den nichterbenden Söhnen der Grossen wird, ist
unbekannt; Töchter scheinen in Japan überhaupt nicht mitzuerben.

Der Einfluss auf die Heirathen und die Succession des Lehns-
adels, die Zerspaltung des Reiches in viele Gebiete von ungleicher
Grösse und die Eifersucht der Familien untereinander geben an sich
dem Siogun schon grosse Macht über dieselben, aber ihre Be-
schränkung geht noch viel weiter. Schon 1625 erschien die wichtige
Verordnung, dass alle Daimio's sich in Yeddo Paläste bauen und
ein um das andere Jahr dort zubringen sollten. Während sie selbst

Besoldung. Die Daïmio’s und Siomio’s.
Der Sold wird meist in Reis bezahlt; da sich nun seit dem sieb-
zehnten Jahrhundert sowohl die Bevölkerung als die Fruchtbarkeit
des Landes bedeutend gehoben hat und da jeder Sohn eines Samraï
wieder Soldat werden muss, — da ferner das Einkommen des
Siogun und der Daïmio’s sich nach dem Bodenertrage richtet, so
kann man annehmen, dass mit der Productionskraft des Landes
und der Bevölkerung im Allgemeinen auch die Zahl der Soldaten
wächst, welche von den Fürsten unterhalten werden, und dass das
japanische Kriegesheer heute noch viel zahlreicher ist als zu
Caron’s Zeiten.

Den Namen Daïmio führen die vornehmeren unter den Lehns-
fürsten; Siomio heisst der minderbegüterte oder, wie andere wollen,
der neuere Adel. Jyeyas räumte nach dem Regentenkriege und
wahrscheinlich noch mehr nach der Besiegung des Fide-yori unter
den ihm feindlichen Familien stark auf, zerstückte ihren Besitz in
viele kleine Theile, mit denen er seine Getreuen belehnte, und
schuf sich dadurch eine mächtige, ihm selbst aber wegen der Klein-
heit des Einzelnbesitzes ungefährliche Parthei: dieser Adel des Jyeyas
soll vorzugsweise mit dem Namen Siomio bezeichnet werden.

Titel und Besitz vererben in den Familien des Lehnsadels
auf einen unter den Söhnen oder Agnaten ausgewählten Nachfolger;
in Ermangelung eines solchen wird der Erbe aus einer ebenbürtigen
Familie unter der Sanction des Siogun adoptirt, welcher auch die
Heirathen des höheren Adels schliesst. Die Daïmio’s sollen es sich
besonders angelegen sein lassen, immer den fähigsten unter ihren
Söhnen zum Nachfolger zu ernennen und häufig sogar, wenn es
den natürlichen Erben an Begabung fehlt, mit Uebergehung der-
selben einem Fremden durch Adoptirung die Succession zuwenden.
So finden hervorragende Eigenschaften meistens ihre Stellung, der
japanische Lehnsadel soll fast durchweg aus tüchtigen Männern
bestehen. Was aus den nichterbenden Söhnen der Grossen wird, ist
unbekannt; Töchter scheinen in Japan überhaupt nicht mitzuerben.

Der Einfluss auf die Heirathen und die Succession des Lehns-
adels, die Zerspaltung des Reiches in viele Gebiete von ungleicher
Grösse und die Eifersucht der Familien untereinander geben an sich
dem Siogun schon grosse Macht über dieselben, aber ihre Be-
schränkung geht noch viel weiter. Schon 1625 erschien die wichtige
Verordnung, dass alle Daïmio’s sich in Yeddo Paläste bauen und
ein um das andere Jahr dort zubringen sollten. Während sie selbst

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[116/0146] Besoldung. Die Daïmio’s und Siomio’s. Der Sold wird meist in Reis bezahlt; da sich nun seit dem sieb- zehnten Jahrhundert sowohl die Bevölkerung als die Fruchtbarkeit des Landes bedeutend gehoben hat und da jeder Sohn eines Samraï wieder Soldat werden muss, — da ferner das Einkommen des Siogun und der Daïmio’s sich nach dem Bodenertrage richtet, so kann man annehmen, dass mit der Productionskraft des Landes und der Bevölkerung im Allgemeinen auch die Zahl der Soldaten wächst, welche von den Fürsten unterhalten werden, und dass das japanische Kriegesheer heute noch viel zahlreicher ist als zu Caron’s Zeiten. Den Namen Daïmio führen die vornehmeren unter den Lehns- fürsten; Siomio heisst der minderbegüterte oder, wie andere wollen, der neuere Adel. Jyeyas räumte nach dem Regentenkriege und wahrscheinlich noch mehr nach der Besiegung des Fide-yori unter den ihm feindlichen Familien stark auf, zerstückte ihren Besitz in viele kleine Theile, mit denen er seine Getreuen belehnte, und schuf sich dadurch eine mächtige, ihm selbst aber wegen der Klein- heit des Einzelnbesitzes ungefährliche Parthei: dieser Adel des Jyeyas soll vorzugsweise mit dem Namen Siomio bezeichnet werden. Titel und Besitz vererben in den Familien des Lehnsadels auf einen unter den Söhnen oder Agnaten ausgewählten Nachfolger; in Ermangelung eines solchen wird der Erbe aus einer ebenbürtigen Familie unter der Sanction des Siogun adoptirt, welcher auch die Heirathen des höheren Adels schliesst. Die Daïmio’s sollen es sich besonders angelegen sein lassen, immer den fähigsten unter ihren Söhnen zum Nachfolger zu ernennen und häufig sogar, wenn es den natürlichen Erben an Begabung fehlt, mit Uebergehung der- selben einem Fremden durch Adoptirung die Succession zuwenden. So finden hervorragende Eigenschaften meistens ihre Stellung, der japanische Lehnsadel soll fast durchweg aus tüchtigen Männern bestehen. Was aus den nichterbenden Söhnen der Grossen wird, ist unbekannt; Töchter scheinen in Japan überhaupt nicht mitzuerben. Der Einfluss auf die Heirathen und die Succession des Lehns- adels, die Zerspaltung des Reiches in viele Gebiete von ungleicher Grösse und die Eifersucht der Familien untereinander geben an sich dem Siogun schon grosse Macht über dieselben, aber ihre Be- schränkung geht noch viel weiter. Schon 1625 erschien die wichtige Verordnung, dass alle Daïmio’s sich in Yeddo Paläste bauen und ein um das andere Jahr dort zubringen sollten. Während sie selbst

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/146>, abgerufen am 23.05.2024.