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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Japanische Bildung. Spuren des Christenthumes.
es giebt Bildungsanstalten der verschiedensten Grade. So schwer
und mühselig die mannigfachen Arten der japanischen Schrift zu
erlernen sind, so ist doch die Schreibekunst auch unter den niederen
Ständen ganz allgemein verbreitet. Das Lesen bildet eine Haupt-
beschäftigung der Japaner aller Classen in ihren Mussestunden;
Buchläden, wo nicht nur japanische und chinesische Schriften,
sondern auch Uebersetzungen europäischer Werke über Länder- und
Völkerkunde, Astronomie und fast alle Zweige der Naturwissen-
schaft, über Medicin, Taktik, Waffenkunde u. s. w. zu haben sind,
finden sich in allen Strassen, und die Bücher sind so unglaublich
wohlfeil, dass man einen grossen Verbrauch voraussetzen muss.
Nur solchen Schriften, welche von der Geschichte und Verfassung
europäischer Länder handeln, ferner allen, welche das specifisch
japanische Wesen umbilden und im Volke äussere oder innere Be-
dürfnisse hätten erwecken können, die dem Lande und seiner natio-
nalen Gesittung fremd waren, besonders allen Werken religiösen
und philosophischen Inhalts versagte die Regierung während der
Zeit der Abschliessung den Eingang 132).

Dass das Christenthum, nachdem es achtzig Jahre lang in
Japan geblüht, wenn auch nachher äusserlich mit Stumpf und Stiel
ausgerottet, bei den Japanern einen tiefen Eindruck hinterlassen,
dass die Aussaat ihnen selbst unbewusst in den Jahrhunderten der
Abschliessung fortgekeimt und im Verborgenen ihre Früchte ge-
tragen, dass die Thätigkeit der Bekehrer einen bleibenden Einfluss
auf die japanische Gesittung geübt habe, ist kaum zu bezweifeln,
denn die innere Wirkung grosser Wahrheiten bleibt, wo sie einmal
Wurzel geschlagen haben, unvertilgbare Thatsache. Vielleicht
werden sich bei näherer Bekanntschaft die Spuren des Christen-
glaubens in der japanischen Gesittung an deutlichen Merkmalen
erkennen lassen; im Allgemeinen glaubt man sie schon jetzt aus dem
Volkscharakter herausfühlen zu können, denn die Japaner haben
Tugenden und Anschauungen, die man sonst gewohnt ist als Folgen
christlicher Gesittung zu betrachten. Wer die Schriften der
Holländer und Anderer durchblättert, die mit den Japanern in nahe
Berührung gekommen sind, kann dort unzählige Beispiele treuer

132) Noch in neuester Zeit ist die Regierung in dieser Beziehung sehr streng
gewesen. So wurde gegen einen der japanischen Schüler des Herrn von Siebold
eine Untersuchung eingeleitet, weil er eine chinesische Uebersetzung des Alten
Testamentes besass.
9*

Japanische Bildung. Spuren des Christenthumes.
es giebt Bildungsanstalten der verschiedensten Grade. So schwer
und mühselig die mannigfachen Arten der japanischen Schrift zu
erlernen sind, so ist doch die Schreibekunst auch unter den niederen
Ständen ganz allgemein verbreitet. Das Lesen bildet eine Haupt-
beschäftigung der Japaner aller Classen in ihren Mussestunden;
Buchläden, wo nicht nur japanische und chinesische Schriften,
sondern auch Uebersetzungen europäischer Werke über Länder- und
Völkerkunde, Astronomie und fast alle Zweige der Naturwissen-
schaft, über Medicin, Taktik, Waffenkunde u. s. w. zu haben sind,
finden sich in allen Strassen, und die Bücher sind so unglaublich
wohlfeil, dass man einen grossen Verbrauch voraussetzen muss.
Nur solchen Schriften, welche von der Geschichte und Verfassung
europäischer Länder handeln, ferner allen, welche das specifisch
japanische Wesen umbilden und im Volke äussere oder innere Be-
dürfnisse hätten erwecken können, die dem Lande und seiner natio-
nalen Gesittung fremd waren, besonders allen Werken religiösen
und philosophischen Inhalts versagte die Regierung während der
Zeit der Abschliessung den Eingang 132).

Dass das Christenthum, nachdem es achtzig Jahre lang in
Japan geblüht, wenn auch nachher äusserlich mit Stumpf und Stiel
ausgerottet, bei den Japanern einen tiefen Eindruck hinterlassen,
dass die Aussaat ihnen selbst unbewusst in den Jahrhunderten der
Abschliessung fortgekeimt und im Verborgenen ihre Früchte ge-
tragen, dass die Thätigkeit der Bekehrer einen bleibenden Einfluss
auf die japanische Gesittung geübt habe, ist kaum zu bezweifeln,
denn die innere Wirkung grosser Wahrheiten bleibt, wo sie einmal
Wurzel geschlagen haben, unvertilgbare Thatsache. Vielleicht
werden sich bei näherer Bekanntschaft die Spuren des Christen-
glaubens in der japanischen Gesittung an deutlichen Merkmalen
erkennen lassen; im Allgemeinen glaubt man sie schon jetzt aus dem
Volkscharakter herausfühlen zu können, denn die Japaner haben
Tugenden und Anschauungen, die man sonst gewohnt ist als Folgen
christlicher Gesittung zu betrachten. Wer die Schriften der
Holländer und Anderer durchblättert, die mit den Japanern in nahe
Berührung gekommen sind, kann dort unzählige Beispiele treuer

132) Noch in neuester Zeit ist die Regierung in dieser Beziehung sehr streng
gewesen. So wurde gegen einen der japanischen Schüler des Herrn von Siebold
eine Untersuchung eingeleitet, weil er eine chinesische Uebersetzung des Alten
Testamentes besass.
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[131/0161] Japanische Bildung. Spuren des Christenthumes. es giebt Bildungsanstalten der verschiedensten Grade. So schwer und mühselig die mannigfachen Arten der japanischen Schrift zu erlernen sind, so ist doch die Schreibekunst auch unter den niederen Ständen ganz allgemein verbreitet. Das Lesen bildet eine Haupt- beschäftigung der Japaner aller Classen in ihren Mussestunden; Buchläden, wo nicht nur japanische und chinesische Schriften, sondern auch Uebersetzungen europäischer Werke über Länder- und Völkerkunde, Astronomie und fast alle Zweige der Naturwissen- schaft, über Medicin, Taktik, Waffenkunde u. s. w. zu haben sind, finden sich in allen Strassen, und die Bücher sind so unglaublich wohlfeil, dass man einen grossen Verbrauch voraussetzen muss. Nur solchen Schriften, welche von der Geschichte und Verfassung europäischer Länder handeln, ferner allen, welche das specifisch japanische Wesen umbilden und im Volke äussere oder innere Be- dürfnisse hätten erwecken können, die dem Lande und seiner natio- nalen Gesittung fremd waren, besonders allen Werken religiösen und philosophischen Inhalts versagte die Regierung während der Zeit der Abschliessung den Eingang 132). Dass das Christenthum, nachdem es achtzig Jahre lang in Japan geblüht, wenn auch nachher äusserlich mit Stumpf und Stiel ausgerottet, bei den Japanern einen tiefen Eindruck hinterlassen, dass die Aussaat ihnen selbst unbewusst in den Jahrhunderten der Abschliessung fortgekeimt und im Verborgenen ihre Früchte ge- tragen, dass die Thätigkeit der Bekehrer einen bleibenden Einfluss auf die japanische Gesittung geübt habe, ist kaum zu bezweifeln, denn die innere Wirkung grosser Wahrheiten bleibt, wo sie einmal Wurzel geschlagen haben, unvertilgbare Thatsache. Vielleicht werden sich bei näherer Bekanntschaft die Spuren des Christen- glaubens in der japanischen Gesittung an deutlichen Merkmalen erkennen lassen; im Allgemeinen glaubt man sie schon jetzt aus dem Volkscharakter herausfühlen zu können, denn die Japaner haben Tugenden und Anschauungen, die man sonst gewohnt ist als Folgen christlicher Gesittung zu betrachten. Wer die Schriften der Holländer und Anderer durchblättert, die mit den Japanern in nahe Berührung gekommen sind, kann dort unzählige Beispiele treuer 132) Noch in neuester Zeit ist die Regierung in dieser Beziehung sehr streng gewesen. So wurde gegen einen der japanischen Schüler des Herrn von Siebold eine Untersuchung eingeleitet, weil er eine chinesische Uebersetzung des Alten Testamentes besass. 9*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/161>, abgerufen am 27.11.2024.