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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Formalitäten beim Einlaufen der holländischen Schiffe.
den Niederländern auch das Begräbniss am Lande verwehren, und
liess ihre Todten ausserhalb der Bai in die See werfen; später
wurden sie auf einem am Eingange der Bucht gelegenen Grund-
stück eingescharrt. Japanische Boote holten die Särge von Desima
ab, kein Holländer durfte sie geleiten. Die Zahl der in der
Factorei zugelassenen Niederländer war von der japanischen Regie-
rung festgesetzt und auf die zur Betreibung des Handels unbedingt
nothwendigen Personen beschränkt; Frauen durften sie gar nicht
mitbringen. Auf den holländischen Schiffen sollten sich keine
Passagiere befinden; die Musterrolle wurde genau geprüft und dem
Berufe eines Jeden nachgespürt144).

Auf den Höhen am Eingange der Bai wurde ein beständiger
Auslug auf die See gehalten; sobald von da aus die Wachen ein
fremdes Schiff meldeten, ging ein Boot mit einigen Holländern von
der Factorei hinaus, welche dem Capitän eine versiegelte Instruction
brachten, wie er sich beim Einlaufen zu verhalten habe; die sie be-
gleitenden japanischen Beamten und Dolmetscher nahmen ihm das
Verzeichniss seiner Ladung, die Liste der Mannschaft und alle
Briefe der Compagnie ab. Das Schiff salutirte beim Einlaufen die
den Eingang der Bucht beherrschenden "Kaiserwachen"145), und
ging dann vor Desima, einen Flintenschuss von der Wasserpforte,
zu Anker; zwei Wachtbarken mit Soldaten legten sich daneben, und
bewachten es während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit. Zu-
nächst nahmen dann die japanischen Beamten die Geschütze, Waffen
und Munition in Empfang, welche mit dem sogenannten Bibel-
tönnchen, in das alle Andachtsbücher, Crucifixe und Heiligenbilder,
selbst alle europäischen Münzen mit dem Zeichen des Kreuzes
verpackt werden mussten, am Lande bis zur Abfahrt aufbe-
wahrt wurden. Dann stellten sie in Gegenwart des holländischen

144) Das Misstrauen der Japaner ging so weit, dass die Holländer der Factorei
keine Briefe mit den chinesischen Dschunken absenden durften, ohne den Japanern
Copie davon zu lassen. Alle solche Briefpackete wurden in doppelten Exemplaren
den japanischen Behörden übergeben, welche dann -- nach ihrer Auswahl -- das
eine abschickten und das andere behielten. Die mit den holländischen Schiffen ab-
gehenden Privatbriefe wurden mit der Connivenz der Behörden heimlich fortgebracht,
alle officiellen Schreiben aber, ankommende wie abgehende, mussten dem Statthalter
vorgelegt werden. S. Kämpfer.
145) So heissen bei den Holländern zwei militärische Posten am Eingange der
Bucht, deren Batterieen das enge Fahrwasser bestrichen. Sie standen unter Befehl
und Verantwortlichkeit des Fürsten von Fidsen.

Formalitäten beim Einlaufen der holländischen Schiffe.
den Niederländern auch das Begräbniss am Lande verwehren, und
liess ihre Todten ausserhalb der Bai in die See werfen; später
wurden sie auf einem am Eingange der Bucht gelegenen Grund-
stück eingescharrt. Japanische Boote holten die Särge von Desima
ab, kein Holländer durfte sie geleiten. Die Zahl der in der
Factorei zugelassenen Niederländer war von der japanischen Regie-
rung festgesetzt und auf die zur Betreibung des Handels unbedingt
nothwendigen Personen beschränkt; Frauen durften sie gar nicht
mitbringen. Auf den holländischen Schiffen sollten sich keine
Passagiere befinden; die Musterrolle wurde genau geprüft und dem
Berufe eines Jeden nachgespürt144).

Auf den Höhen am Eingange der Bai wurde ein beständiger
Auslug auf die See gehalten; sobald von da aus die Wachen ein
fremdes Schiff meldeten, ging ein Boot mit einigen Holländern von
der Factorei hinaus, welche dem Capitän eine versiegelte Instruction
brachten, wie er sich beim Einlaufen zu verhalten habe; die sie be-
gleitenden japanischen Beamten und Dolmetscher nahmen ihm das
Verzeichniss seiner Ladung, die Liste der Mannschaft und alle
Briefe der Compagnie ab. Das Schiff salutirte beim Einlaufen die
den Eingang der Bucht beherrschenden »Kaiserwachen«145), und
ging dann vor Desima, einen Flintenschuss von der Wasserpforte,
zu Anker; zwei Wachtbarken mit Soldaten legten sich daneben, und
bewachten es während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit. Zu-
nächst nahmen dann die japanischen Beamten die Geschütze, Waffen
und Munition in Empfang, welche mit dem sogenannten Bibel-
tönnchen, in das alle Andachtsbücher, Crucifixe und Heiligenbilder,
selbst alle europäischen Münzen mit dem Zeichen des Kreuzes
verpackt werden mussten, am Lande bis zur Abfahrt aufbe-
wahrt wurden. Dann stellten sie in Gegenwart des holländischen

144) Das Misstrauen der Japaner ging so weit, dass die Holländer der Factorei
keine Briefe mit den chinesischen Dschunken absenden durften, ohne den Japanern
Copie davon zu lassen. Alle solche Briefpackete wurden in doppelten Exemplaren
den japanischen Behörden übergeben, welche dann — nach ihrer Auswahl — das
eine abschickten und das andere behielten. Die mit den holländischen Schiffen ab-
gehenden Privatbriefe wurden mit der Connivenz der Behörden heimlich fortgebracht,
alle officiellen Schreiben aber, ankommende wie abgehende, mussten dem Statthalter
vorgelegt werden. S. Kämpfer.
145) So heissen bei den Holländern zwei militärische Posten am Eingange der
Bucht, deren Batterieen das enge Fahrwasser bestrichen. Sie standen unter Befehl
und Verantwortlichkeit des Fürsten von Fidsen.
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[140/0170] Formalitäten beim Einlaufen der holländischen Schiffe. den Niederländern auch das Begräbniss am Lande verwehren, und liess ihre Todten ausserhalb der Bai in die See werfen; später wurden sie auf einem am Eingange der Bucht gelegenen Grund- stück eingescharrt. Japanische Boote holten die Särge von Desima ab, kein Holländer durfte sie geleiten. Die Zahl der in der Factorei zugelassenen Niederländer war von der japanischen Regie- rung festgesetzt und auf die zur Betreibung des Handels unbedingt nothwendigen Personen beschränkt; Frauen durften sie gar nicht mitbringen. Auf den holländischen Schiffen sollten sich keine Passagiere befinden; die Musterrolle wurde genau geprüft und dem Berufe eines Jeden nachgespürt 144). Auf den Höhen am Eingange der Bai wurde ein beständiger Auslug auf die See gehalten; sobald von da aus die Wachen ein fremdes Schiff meldeten, ging ein Boot mit einigen Holländern von der Factorei hinaus, welche dem Capitän eine versiegelte Instruction brachten, wie er sich beim Einlaufen zu verhalten habe; die sie be- gleitenden japanischen Beamten und Dolmetscher nahmen ihm das Verzeichniss seiner Ladung, die Liste der Mannschaft und alle Briefe der Compagnie ab. Das Schiff salutirte beim Einlaufen die den Eingang der Bucht beherrschenden »Kaiserwachen« 145), und ging dann vor Desima, einen Flintenschuss von der Wasserpforte, zu Anker; zwei Wachtbarken mit Soldaten legten sich daneben, und bewachten es während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit. Zu- nächst nahmen dann die japanischen Beamten die Geschütze, Waffen und Munition in Empfang, welche mit dem sogenannten Bibel- tönnchen, in das alle Andachtsbücher, Crucifixe und Heiligenbilder, selbst alle europäischen Münzen mit dem Zeichen des Kreuzes verpackt werden mussten, am Lande bis zur Abfahrt aufbe- wahrt wurden. Dann stellten sie in Gegenwart des holländischen 144) Das Misstrauen der Japaner ging so weit, dass die Holländer der Factorei keine Briefe mit den chinesischen Dschunken absenden durften, ohne den Japanern Copie davon zu lassen. Alle solche Briefpackete wurden in doppelten Exemplaren den japanischen Behörden übergeben, welche dann — nach ihrer Auswahl — das eine abschickten und das andere behielten. Die mit den holländischen Schiffen ab- gehenden Privatbriefe wurden mit der Connivenz der Behörden heimlich fortgebracht, alle officiellen Schreiben aber, ankommende wie abgehende, mussten dem Statthalter vorgelegt werden. S. Kämpfer. 145) So heissen bei den Holländern zwei militärische Posten am Eingange der Bucht, deren Batterieen das enge Fahrwasser bestrichen. Sie standen unter Befehl und Verantwortlichkeit des Fürsten von Fidsen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/170>, abgerufen am 27.11.2024.