[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Die Hofreise. Audienzen. ihre Zahl wurde von den Japanern immer mehr und zuletzt auf dreibeschränkt -- begaben sich zu Lande nach Kokura, von da zu Schiffe nach Simonoseki und Osaka, und weiter zu Lande nach Yeddo, und kehrten nach kurzem Aufenthalt in der Hauptstadt wieder zurück. Die Handelsvorsteher genossen auf diesen Reisen gleicher Ehren wie die Landesfürsten: sie bedienten sich derselben Art Sänften, übernachteten in denselben Herbergen, und liessen sich statt der bei Jenen üblichen Hellebarden und Piken einen Degen und einen Rohrstock als Insignien der Würde vorauftragen; ihre Quartiere wurden nach Landesgewohnheit mit Schanztüchern be- hängt, auf denen das Wappen der ostindischen Compagnie prangte, auch musste ihnen die Bevölkerung dieselbe Ehrfurcht erweisen wie den Daimio's -- aber sie wurden von den sie begleitenden japani- schen Beamten wie Gefangene bewacht, und an jedem Verkehr mit den Eingeborenen verhindert. In Osaka, Miako und Yeddo durften sie ihre Herberge nur zu der Audienz und den vorgeschriebenen Besuchen verlassen, und mit den sie besuchenden einheimischen Beamten, Gelehrten und Kaufleuten nur unter Aufsicht und in Gegen- wart der ihnen beigegebenen Regierungsspione verkehren. Die Audienz im kaiserlichen Palast war sehr kurz und bestand nur in einer Verbeugung nach Landesart, welche dem Handelsvorsteher, der allein zur Gegenwart des Siogun Zutritt erhielt, von den Hof- beamten vorher sorgfältig eingeübt wurde147). Seine Begleiter blieben gewöhnlich in einem Vorsaal; Alle mussten am Portal des Palastes ihre Degen abgeben und aus den Sänften steigen. Vor der Audienz durften die Holländer weder ihre Herberge verlassen noch Besuche empfangen, um desto mehr wurden sie nachher von Neugierigen bedrängt, namentlich die Aerzte, welche regelmässig die Hofreise mitmachten und den japanischen Gelehrten tausend Fragen natur- wissenschaftlichen und medicinischen Inhalts beantworten mussten. Viele dieser Gelehrten sprachen holländisch. Bald nach der Audienz 147) Zur Zeit des Tsuna-yosi wurden nach der feierlichen Audienz des Handels-
vorstehers auch seine Begleiter tiefer in den Palast in ein Gemach geführt, wo hinter einem Gitterschirm der Siogun mit seiner Gemalin sass. Kämpfer beschreibt, wie sie bei dieser Gelegenheit auf kaiserlichen Befehl "ordentliche Affenpossen ausüben mussten; man hiess sie u. a. aufstehen und hin- und herspazieren, bald einander komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Mann vorstellen, japanisch stammeln, malen, holländisch und deutsch lesen, singen, die Mäntel ab- und wieder wegthun u. dgl." Der Handelsvorsteher allein "blieb von diesen Sprüngen verschont". Die Hofreise. Audienzen. ihre Zahl wurde von den Japanern immer mehr und zuletzt auf dreibeschränkt — begaben sich zu Lande nach Kokŭra, von da zu Schiffe nach Simonoseki und Osaka, und weiter zu Lande nach Yeddo, und kehrten nach kurzem Aufenthalt in der Hauptstadt wieder zurück. Die Handelsvorsteher genossen auf diesen Reisen gleicher Ehren wie die Landesfürsten: sie bedienten sich derselben Art Sänften, übernachteten in denselben Herbergen, und liessen sich statt der bei Jenen üblichen Hellebarden und Piken einen Degen und einen Rohrstock als Insignien der Würde vorauftragen; ihre Quartiere wurden nach Landesgewohnheit mit Schanztüchern be- hängt, auf denen das Wappen der ostindischen Compagnie prangte, auch musste ihnen die Bevölkerung dieselbe Ehrfurcht erweisen wie den Daïmio’s — aber sie wurden von den sie begleitenden japani- schen Beamten wie Gefangene bewacht, und an jedem Verkehr mit den Eingeborenen verhindert. In Osaka, Miako und Yeddo durften sie ihre Herberge nur zu der Audienz und den vorgeschriebenen Besuchen verlassen, und mit den sie besuchenden einheimischen Beamten, Gelehrten und Kaufleuten nur unter Aufsicht und in Gegen- wart der ihnen beigegebenen Regierungsspione verkehren. Die Audienz im kaiserlichen Palast war sehr kurz und bestand nur in einer Verbeugung nach Landesart, welche dem Handelsvorsteher, der allein zur Gegenwart des Siogun Zutritt erhielt, von den Hof- beamten vorher sorgfältig eingeübt wurde147). Seine Begleiter blieben gewöhnlich in einem Vorsaal; Alle mussten am Portal des Palastes ihre Degen abgeben und aus den Sänften steigen. Vor der Audienz durften die Holländer weder ihre Herberge verlassen noch Besuche empfangen, um desto mehr wurden sie nachher von Neugierigen bedrängt, namentlich die Aerzte, welche regelmässig die Hofreise mitmachten und den japanischen Gelehrten tausend Fragen natur- wissenschaftlichen und medicinischen Inhalts beantworten mussten. Viele dieser Gelehrten sprachen holländisch. Bald nach der Audienz 147) Zur Zeit des Tsuna-yosi wurden nach der feierlichen Audienz des Handels-
vorstehers auch seine Begleiter tiefer in den Palast in ein Gemach geführt, wo hinter einem Gitterschirm der Siogun mit seiner Gemalin sass. Kämpfer beschreibt, wie sie bei dieser Gelegenheit auf kaiserlichen Befehl »ordentliche Affenpossen ausüben mussten; man hiess sie u. a. aufstehen und hin- und herspazieren, bald einander komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Mann vorstellen, japanisch stammeln, malen, holländisch und deutsch lesen, singen, die Mäntel ab- und wieder wegthun u. dgl.« Der Handelsvorsteher allein »blieb von diesen Sprüngen verschont«. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0172" n="142"/><fw place="top" type="header">Die Hofreise. Audienzen.</fw><lb/> ihre Zahl wurde von den Japanern immer mehr und zuletzt auf drei<lb/> beschränkt — begaben sich zu Lande nach <hi rendition="#k"><placeName>Kokŭra</placeName></hi>, von da zu<lb/> Schiffe nach <hi rendition="#k"><placeName>Simonoseki</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Osaka</placeName></hi>, und weiter zu Lande nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi>, und kehrten nach kurzem Aufenthalt in der Hauptstadt<lb/> wieder zurück. Die Handelsvorsteher genossen auf diesen Reisen<lb/> gleicher Ehren wie die Landesfürsten: sie bedienten sich derselben<lb/> Art Sänften, übernachteten in denselben Herbergen, und liessen<lb/> sich statt der bei Jenen üblichen Hellebarden und Piken einen Degen<lb/> und einen Rohrstock als Insignien der Würde vorauftragen; ihre<lb/> Quartiere wurden nach Landesgewohnheit mit Schanztüchern be-<lb/> hängt, auf denen das Wappen der ostindischen Compagnie prangte,<lb/> auch musste ihnen die Bevölkerung dieselbe Ehrfurcht erweisen wie<lb/> den <hi rendition="#k">Daïmio</hi>’s — aber sie wurden von den sie begleitenden japani-<lb/> schen Beamten wie Gefangene bewacht, und an jedem Verkehr mit<lb/> den Eingeborenen verhindert. In <hi rendition="#k"><placeName>Osaka</placeName>, <placeName>Miako</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> durften<lb/> sie ihre Herberge nur zu der Audienz und den vorgeschriebenen<lb/> Besuchen verlassen, und mit den sie besuchenden einheimischen<lb/> Beamten, Gelehrten und Kaufleuten nur unter Aufsicht und in Gegen-<lb/> wart der ihnen beigegebenen Regierungsspione verkehren. Die<lb/> Audienz im kaiserlichen Palast war sehr kurz und bestand nur in<lb/> einer Verbeugung nach Landesart, welche dem Handelsvorsteher,<lb/> der allein zur Gegenwart des <hi rendition="#k">Siogun</hi> Zutritt erhielt, von den Hof-<lb/> beamten vorher sorgfältig eingeübt wurde<note place="foot" n="147)">Zur Zeit des <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/132595265">Tsuna-yosi</persName></hi> wurden nach der feierlichen Audienz des Handels-<lb/> vorstehers auch seine Begleiter tiefer in den Palast in ein Gemach geführt, wo hinter<lb/> einem Gitterschirm der <hi rendition="#k">Siogun</hi> mit seiner Gemalin sass. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118559168">Kämpfer</persName> beschreibt, wie<lb/> sie bei dieser Gelegenheit auf kaiserlichen Befehl »ordentliche Affenpossen ausüben<lb/> mussten; man hiess sie u. a. aufstehen und hin- und herspazieren, bald einander<lb/> komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Mann vorstellen, japanisch<lb/> stammeln, malen, holländisch und deutsch lesen, singen, die Mäntel ab- und wieder<lb/> wegthun u. dgl.« Der Handelsvorsteher allein »blieb von diesen Sprüngen verschont«.</note>. Seine Begleiter blieben<lb/> gewöhnlich in einem Vorsaal; Alle mussten am Portal des Palastes<lb/> ihre Degen abgeben und aus den Sänften steigen. Vor der Audienz<lb/> durften die Holländer weder ihre Herberge verlassen noch Besuche<lb/> empfangen, um desto mehr wurden sie nachher von Neugierigen<lb/> bedrängt, namentlich die Aerzte, welche regelmässig die Hofreise<lb/> mitmachten und den japanischen Gelehrten tausend Fragen natur-<lb/> wissenschaftlichen und medicinischen Inhalts beantworten mussten.<lb/> Viele dieser Gelehrten sprachen holländisch. Bald nach der Audienz<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0172]
Die Hofreise. Audienzen.
ihre Zahl wurde von den Japanern immer mehr und zuletzt auf drei
beschränkt — begaben sich zu Lande nach Kokŭra, von da zu
Schiffe nach Simonoseki und Osaka, und weiter zu Lande nach
Yeddo, und kehrten nach kurzem Aufenthalt in der Hauptstadt
wieder zurück. Die Handelsvorsteher genossen auf diesen Reisen
gleicher Ehren wie die Landesfürsten: sie bedienten sich derselben
Art Sänften, übernachteten in denselben Herbergen, und liessen
sich statt der bei Jenen üblichen Hellebarden und Piken einen Degen
und einen Rohrstock als Insignien der Würde vorauftragen; ihre
Quartiere wurden nach Landesgewohnheit mit Schanztüchern be-
hängt, auf denen das Wappen der ostindischen Compagnie prangte,
auch musste ihnen die Bevölkerung dieselbe Ehrfurcht erweisen wie
den Daïmio’s — aber sie wurden von den sie begleitenden japani-
schen Beamten wie Gefangene bewacht, und an jedem Verkehr mit
den Eingeborenen verhindert. In Osaka, Miako und Yeddo durften
sie ihre Herberge nur zu der Audienz und den vorgeschriebenen
Besuchen verlassen, und mit den sie besuchenden einheimischen
Beamten, Gelehrten und Kaufleuten nur unter Aufsicht und in Gegen-
wart der ihnen beigegebenen Regierungsspione verkehren. Die
Audienz im kaiserlichen Palast war sehr kurz und bestand nur in
einer Verbeugung nach Landesart, welche dem Handelsvorsteher,
der allein zur Gegenwart des Siogun Zutritt erhielt, von den Hof-
beamten vorher sorgfältig eingeübt wurde 147). Seine Begleiter blieben
gewöhnlich in einem Vorsaal; Alle mussten am Portal des Palastes
ihre Degen abgeben und aus den Sänften steigen. Vor der Audienz
durften die Holländer weder ihre Herberge verlassen noch Besuche
empfangen, um desto mehr wurden sie nachher von Neugierigen
bedrängt, namentlich die Aerzte, welche regelmässig die Hofreise
mitmachten und den japanischen Gelehrten tausend Fragen natur-
wissenschaftlichen und medicinischen Inhalts beantworten mussten.
Viele dieser Gelehrten sprachen holländisch. Bald nach der Audienz
147) Zur Zeit des Tsuna-yosi wurden nach der feierlichen Audienz des Handels-
vorstehers auch seine Begleiter tiefer in den Palast in ein Gemach geführt, wo hinter
einem Gitterschirm der Siogun mit seiner Gemalin sass. Kämpfer beschreibt, wie
sie bei dieser Gelegenheit auf kaiserlichen Befehl »ordentliche Affenpossen ausüben
mussten; man hiess sie u. a. aufstehen und hin- und herspazieren, bald einander
komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Mann vorstellen, japanisch
stammeln, malen, holländisch und deutsch lesen, singen, die Mäntel ab- und wieder
wegthun u. dgl.« Der Handelsvorsteher allein »blieb von diesen Sprüngen verschont«.
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