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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Bootsfahrt. II.
sich der ganzen Mannschaft. Das Verdeck und die Schiffswände
werden glühend heiss, die Zersetzung des Seewassers in den unteren
Räumen und die dichte Bevölkerung erzeugen bei dem Mangel an
Luftzug eine wahrhaft fürchterliche Atmosphäre. Der Körper findet
nirgend Erfrischung, denn Baden wäre der Haifische wegen gefährlich.
Auch das Essen und Schlafen, sonst zwei Hauptbeschäftigungen
des Seefahrers, werden zur Qual, das Peinigendste aber ist der
unlöschbare Durst.

Solche Zeit erlebten wir im südchinesischen Meere. Nur Mor-
gens und Abends konnte man auf Deck sein; den Tag über brannte
die senkrechte Sonne unerträglich, und auch die Luft im Schiffs-
raume war erstickend.

17. August.Am 17. August liess Capitän Jachmann, da sich kein Wind
in der Luft zeigte, für Herrn von Martens ein Boot bemannen
um Seethiere zu fangen; mehrere andere Passagiere schlossen
sich an. Man entfernte sich mit langsamen Ruderschlägen vom
Schiffe; die Fluth war spiegelglatt, dunkelblau, krystallklar und
durchsichtig; noch aus grossen Tiefen strahlten die Seethiere
in köstlichem Farbenspiel glitzernd das Sonnenlicht zurück. Hier
und da schwammen Cocosnüsse und verfaulende Baumstämme herum,
voll von Holothurien und anderem Seegewürm, darunter, anschei-
nend den Schatten, wahrscheinlich aber Nahrung suchend, tum-
melten sich Schwärme kleiner bunter Fische, in allen Farben des
Regenbogens glänzend. Herr von Martens fing Krabben, See-
wanzen, Fische, Muscheln, Würmer; vor allen aber galt die Jagd
den Seeschlangen, an welchen diese Meere reich sind. Sie schlän-
geln sich mit grosser Behendigkeit an der Oberfläche des Wassers
hin, und tauchen unter, sobald man sich nähert; doch gelang es
einige zu fangen, die grösste beinah drei Fuss lang. Diese Schlan-
gen sind giftig. Eine grössere Art, die gegen sechs Fuss lang
und gelb und braun geringelt ist, vereitelte alle Nachstellungen; sie
tauchten schon in grosser Entfernung vor dem Boot unter, und
schwammen tief unter dem Wasserspiegel wenn man zur Stelle
gelangte. Die Jäger entfernten sich weiter und weiter von der
Fregatte, und es war ein sonderbares Gefühl, auf der unabsehbaren
Fläche in dem kleinen Boote herumzutreiben, am ganzen Horizont
keine Spur von Leben ausser den weissen Segeln unserer Thetis.
Die unendliche Weite des Meeres erscheint bei Windstille beson-
ders grossartig. Diese Excursion dauerte mehrere Stunden und

Bootsfahrt. II.
sich der ganzen Mannschaft. Das Verdeck und die Schiffswände
werden glühend heiss, die Zersetzung des Seewassers in den unteren
Räumen und die dichte Bevölkerung erzeugen bei dem Mangel an
Luftzug eine wahrhaft fürchterliche Atmosphäre. Der Körper findet
nirgend Erfrischung, denn Baden wäre der Haifische wegen gefährlich.
Auch das Essen und Schlafen, sonst zwei Hauptbeschäftigungen
des Seefahrers, werden zur Qual, das Peinigendste aber ist der
unlöschbare Durst.

Solche Zeit erlebten wir im südchinesischen Meere. Nur Mor-
gens und Abends konnte man auf Deck sein; den Tag über brannte
die senkrechte Sonne unerträglich, und auch die Luft im Schiffs-
raume war erstickend.

17. August.Am 17. August liess Capitän Jachmann, da sich kein Wind
in der Luft zeigte, für Herrn von Martens ein Boot bemannen
um Seethiere zu fangen; mehrere andere Passagiere schlossen
sich an. Man entfernte sich mit langsamen Ruderschlägen vom
Schiffe; die Fluth war spiegelglatt, dunkelblau, krystallklar und
durchsichtig; noch aus grossen Tiefen strahlten die Seethiere
in köstlichem Farbenspiel glitzernd das Sonnenlicht zurück. Hier
und da schwammen Cocosnüsse und verfaulende Baumstämme herum,
voll von Holothurien und anderem Seegewürm, darunter, anschei-
nend den Schatten, wahrscheinlich aber Nahrung suchend, tum-
melten sich Schwärme kleiner bunter Fische, in allen Farben des
Regenbogens glänzend. Herr von Martens fing Krabben, See-
wanzen, Fische, Muscheln, Würmer; vor allen aber galt die Jagd
den Seeschlangen, an welchen diese Meere reich sind. Sie schlän-
geln sich mit grosser Behendigkeit an der Oberfläche des Wassers
hin, und tauchen unter, sobald man sich nähert; doch gelang es
einige zu fangen, die grösste beinah drei Fuss lang. Diese Schlan-
gen sind giftig. Eine grössere Art, die gegen sechs Fuss lang
und gelb und braun geringelt ist, vereitelte alle Nachstellungen; sie
tauchten schon in grosser Entfernung vor dem Boot unter, und
schwammen tief unter dem Wasserspiegel wenn man zur Stelle
gelangte. Die Jäger entfernten sich weiter und weiter von der
Fregatte, und es war ein sonderbares Gefühl, auf der unabsehbaren
Fläche in dem kleinen Boote herumzutreiben, am ganzen Horizont
keine Spur von Leben ausser den weissen Segeln unserer Thetis.
Die unendliche Weite des Meeres erscheint bei Windstille beson-
ders grossartig. Diese Excursion dauerte mehrere Stunden und

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[232/0262] Bootsfahrt. II. sich der ganzen Mannschaft. Das Verdeck und die Schiffswände werden glühend heiss, die Zersetzung des Seewassers in den unteren Räumen und die dichte Bevölkerung erzeugen bei dem Mangel an Luftzug eine wahrhaft fürchterliche Atmosphäre. Der Körper findet nirgend Erfrischung, denn Baden wäre der Haifische wegen gefährlich. Auch das Essen und Schlafen, sonst zwei Hauptbeschäftigungen des Seefahrers, werden zur Qual, das Peinigendste aber ist der unlöschbare Durst. Solche Zeit erlebten wir im südchinesischen Meere. Nur Mor- gens und Abends konnte man auf Deck sein; den Tag über brannte die senkrechte Sonne unerträglich, und auch die Luft im Schiffs- raume war erstickend. Am 17. August liess Capitän Jachmann, da sich kein Wind in der Luft zeigte, für Herrn von Martens ein Boot bemannen um Seethiere zu fangen; mehrere andere Passagiere schlossen sich an. Man entfernte sich mit langsamen Ruderschlägen vom Schiffe; die Fluth war spiegelglatt, dunkelblau, krystallklar und durchsichtig; noch aus grossen Tiefen strahlten die Seethiere in köstlichem Farbenspiel glitzernd das Sonnenlicht zurück. Hier und da schwammen Cocosnüsse und verfaulende Baumstämme herum, voll von Holothurien und anderem Seegewürm, darunter, anschei- nend den Schatten, wahrscheinlich aber Nahrung suchend, tum- melten sich Schwärme kleiner bunter Fische, in allen Farben des Regenbogens glänzend. Herr von Martens fing Krabben, See- wanzen, Fische, Muscheln, Würmer; vor allen aber galt die Jagd den Seeschlangen, an welchen diese Meere reich sind. Sie schlän- geln sich mit grosser Behendigkeit an der Oberfläche des Wassers hin, und tauchen unter, sobald man sich nähert; doch gelang es einige zu fangen, die grösste beinah drei Fuss lang. Diese Schlan- gen sind giftig. Eine grössere Art, die gegen sechs Fuss lang und gelb und braun geringelt ist, vereitelte alle Nachstellungen; sie tauchten schon in grosser Entfernung vor dem Boot unter, und schwammen tief unter dem Wasserspiegel wenn man zur Stelle gelangte. Die Jäger entfernten sich weiter und weiter von der Fregatte, und es war ein sonderbares Gefühl, auf der unabsehbaren Fläche in dem kleinen Boote herumzutreiben, am ganzen Horizont keine Spur von Leben ausser den weissen Segeln unserer Thetis. Die unendliche Weite des Meeres erscheint bei Windstille beson- ders grossartig. Diese Excursion dauerte mehrere Stunden und 17. August.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/262>, abgerufen am 01.06.2024.