Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Der Stille Ocean.
spritzte weisser Gischt thurmhoch in die Luft. Der Pulverdampf
wälzte sich in schweren weissen Wolken über das Wasser der
chinesischen Küste zu, die westlich im rosigen Dufte lag, -- unsere
Zerstörungsgelüste contrastirten sonderbar mit der milden warmen
Herrlichkeit der Natur.

Am dreissigsten Nachmittags hielten abermals einige grosse30. August.
Dschunken auf die Fregatte zu. Capitän Jachmann liess diesmal die
Stückpforten schliessen, um die Piraten zum Angriff zu verlocken;
sie müssen aber ihren Irrthum frühzeitig gemerkt haben, denn die
Dschunken änderten schon in grosser Entfernung plötzlich ihren
Cours und suchten das Weite.

Am 31. August liefen wir unter leichter Nordbrise aus der31. August.
Fukian-Strasse heraus, kamen aber in den folgenden Tagen wenig
vorwärts. Das Wetter war schwül und drückend, der Wind ver-
änderlich und schwach. Am 2. September eine kleine Böe mit
Gewitter, in der Ferne einige Wasserhosen; die vulcanischen Inseln
Tiaogu-su und Hoapin-su in Sicht. Am fünften ging der Wind
durch Osten nach Süden herum, und am sechsten früh segelten6. Septbr.
wir zwischen den hohen Inseln Yokosima und Kaminone südlich
und Takorasima nördlich durch unter 29° 12' n. Br. und 130° 32'
östl. L. in den Stillen Ocean. Hier zeigte sich bei frischem
nördlichen Winde eine starke Dünung aus Osten, das Schiff stampfte
und arbeitete unerträglich und machte wenig Fahrt. An demselben
Tage sank das Barometer plötzlich bedeutend, und man glaubte es
sei ein Orkan im Anzug; die Segel wurden gerefft und das Schiff
sturmfertig gemacht. Am siebenten und achten wehte es noch
heftiger, so dass die Pforten der Batteriekammern an Backbord
zugeschraubt werden mussten. Dadurch war uns Passagieren alles
Licht entzogen, und wir lebten bei Kerzenschein in keiner ange-
nehmen Atmosphäre; denn durch die Ritzen der nicht ganz dicht
schliessenden Stückpforte rieselte das Seewasser herein, und die
kühlere Luft condensirte die Feuchtigkeit an den durchhitzten Schiffs-
wänden, die wie ein Ofen Wärme strahlten. Es war wie ein mit
tausend lieblichen Gerüchen gewürztes russisches Bad, und damit
es auch an der Douche nicht fehle, spritzte hin und wieder von
Steuerbord eine See in die Batterie. Das Zwischendeck aber glich
einem Backofen.

Vom neunten bis zum elften herrschte wieder Windstille bei9. Septbr.
starker Dünung und bewölktem Himmel, so dass keine genauen

II. Der Stille Ocean.
spritzte weisser Gischt thurmhoch in die Luft. Der Pulverdampf
wälzte sich in schweren weissen Wolken über das Wasser der
chinesischen Küste zu, die westlich im rosigen Dufte lag, — unsere
Zerstörungsgelüste contrastirten sonderbar mit der milden warmen
Herrlichkeit der Natur.

Am dreissigsten Nachmittags hielten abermals einige grosse30. August.
Dschunken auf die Fregatte zu. Capitän Jachmann liess diesmal die
Stückpforten schliessen, um die Piraten zum Angriff zu verlocken;
sie müssen aber ihren Irrthum frühzeitig gemerkt haben, denn die
Dschunken änderten schon in grosser Entfernung plötzlich ihren
Cours und suchten das Weite.

Am 31. August liefen wir unter leichter Nordbrise aus der31. August.
Fukian-Strasse heraus, kamen aber in den folgenden Tagen wenig
vorwärts. Das Wetter war schwül und drückend, der Wind ver-
änderlich und schwach. Am 2. September eine kleine Böe mit
Gewitter, in der Ferne einige Wasserhosen; die vulcanischen Inseln
Tiaogu-su und Hoapin-su in Sicht. Am fünften ging der Wind
durch Osten nach Süden herum, und am sechsten früh segelten6. Septbr.
wir zwischen den hohen Inseln Yokosima und Kaminone südlich
und Takorasima nördlich durch unter 29° 12′ n. Br. und 130° 32′
östl. L. in den Stillen Ocean. Hier zeigte sich bei frischem
nördlichen Winde eine starke Dünung aus Osten, das Schiff stampfte
und arbeitete unerträglich und machte wenig Fahrt. An demselben
Tage sank das Barometer plötzlich bedeutend, und man glaubte es
sei ein Orkan im Anzug; die Segel wurden gerefft und das Schiff
sturmfertig gemacht. Am siebenten und achten wehte es noch
heftiger, so dass die Pforten der Batteriekammern an Backbord
zugeschraubt werden mussten. Dadurch war uns Passagieren alles
Licht entzogen, und wir lebten bei Kerzenschein in keiner ange-
nehmen Atmosphäre; denn durch die Ritzen der nicht ganz dicht
schliessenden Stückpforte rieselte das Seewasser herein, und die
kühlere Luft condensirte die Feuchtigkeit an den durchhitzten Schiffs-
wänden, die wie ein Ofen Wärme strahlten. Es war wie ein mit
tausend lieblichen Gerüchen gewürztes russisches Bad, und damit
es auch an der Douche nicht fehle, spritzte hin und wieder von
Steuerbord eine See in die Batterie. Das Zwischendeck aber glich
einem Backofen.

Vom neunten bis zum elften herrschte wieder Windstille bei9. Septbr.
starker Dünung und bewölktem Himmel, so dass keine genauen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="239"/><fw place="top" type="header">II. Der <placeName>Stille Ocean</placeName>.</fw><lb/>
spritzte weisser Gischt thurmhoch in die Luft. Der Pulverdampf<lb/>
wälzte sich in schweren weissen Wolken über das Wasser der<lb/>
chinesischen Küste zu, die westlich im rosigen Dufte lag, &#x2014; unsere<lb/>
Zerstörungsgelüste contrastirten sonderbar mit der milden warmen<lb/>
Herrlichkeit der Natur.</p><lb/>
          <p>Am dreissigsten Nachmittags hielten abermals einige grosse<note place="right">30. August.</note><lb/>
Dschunken auf die Fregatte zu. Capitän <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117028886">Jachmann</persName> liess diesmal die<lb/>
Stückpforten schliessen, um die Piraten zum Angriff zu verlocken;<lb/>
sie müssen aber ihren Irrthum frühzeitig gemerkt haben, denn die<lb/>
Dschunken änderten schon in grosser Entfernung plötzlich ihren<lb/>
Cours und suchten das Weite.</p><lb/>
          <p>Am 31. August liefen wir unter leichter Nordbrise aus der<note place="right">31. August.</note><lb/><placeName><hi rendition="#k">Fukian</hi>-Strasse</placeName> heraus, kamen aber in den folgenden Tagen wenig<lb/>
vorwärts. Das Wetter war schwül und drückend, der Wind ver-<lb/>
änderlich und schwach. Am 2. September eine kleine Böe mit<lb/>
Gewitter, in der Ferne einige Wasserhosen; die vulcanischen Inseln<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Tiaogu-su</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Hoapin-su</placeName></hi> in Sicht. Am fünften ging der Wind<lb/>
durch Osten nach Süden herum, und am sechsten früh segelten<note place="right">6. Septbr.</note><lb/>
wir zwischen den hohen Inseln <hi rendition="#k"><placeName>Yokosima</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Kaminone</placeName></hi> südlich<lb/>
und <hi rendition="#k"><placeName>Takorasima</placeName></hi> nördlich durch unter 29° 12&#x2032; n. Br. und 130° 32&#x2032;<lb/>
östl. L. in den <placeName>Stillen Ocean</placeName>. Hier zeigte sich bei frischem<lb/>
nördlichen Winde eine starke Dünung aus Osten, das Schiff stampfte<lb/>
und arbeitete unerträglich und machte wenig Fahrt. An demselben<lb/>
Tage sank das Barometer plötzlich bedeutend, und man glaubte es<lb/>
sei ein Orkan im Anzug; die Segel wurden gerefft und das Schiff<lb/>
sturmfertig gemacht. Am siebenten und achten wehte es noch<lb/>
heftiger, so dass die Pforten der Batteriekammern an Backbord<lb/>
zugeschraubt werden mussten. Dadurch war uns Passagieren alles<lb/>
Licht entzogen, und wir lebten bei Kerzenschein in keiner ange-<lb/>
nehmen Atmosphäre; denn durch die Ritzen der nicht ganz dicht<lb/>
schliessenden Stückpforte rieselte das Seewasser herein, und die<lb/>
kühlere Luft condensirte die Feuchtigkeit an den durchhitzten Schiffs-<lb/>
wänden, die wie ein Ofen Wärme strahlten. Es war wie ein mit<lb/>
tausend lieblichen Gerüchen gewürztes russisches Bad, und damit<lb/>
es auch an der Douche nicht fehle, spritzte hin und wieder von<lb/>
Steuerbord eine See in die Batterie. Das Zwischendeck aber glich<lb/>
einem Backofen.</p><lb/>
          <p>Vom neunten bis zum elften herrschte wieder Windstille bei<note place="right">9. Septbr.</note><lb/>
starker Dünung und bewölktem Himmel, so dass keine genauen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0269] II. Der Stille Ocean. spritzte weisser Gischt thurmhoch in die Luft. Der Pulverdampf wälzte sich in schweren weissen Wolken über das Wasser der chinesischen Küste zu, die westlich im rosigen Dufte lag, — unsere Zerstörungsgelüste contrastirten sonderbar mit der milden warmen Herrlichkeit der Natur. Am dreissigsten Nachmittags hielten abermals einige grosse Dschunken auf die Fregatte zu. Capitän Jachmann liess diesmal die Stückpforten schliessen, um die Piraten zum Angriff zu verlocken; sie müssen aber ihren Irrthum frühzeitig gemerkt haben, denn die Dschunken änderten schon in grosser Entfernung plötzlich ihren Cours und suchten das Weite. 30. August. Am 31. August liefen wir unter leichter Nordbrise aus der Fukian-Strasse heraus, kamen aber in den folgenden Tagen wenig vorwärts. Das Wetter war schwül und drückend, der Wind ver- änderlich und schwach. Am 2. September eine kleine Böe mit Gewitter, in der Ferne einige Wasserhosen; die vulcanischen Inseln Tiaogu-su und Hoapin-su in Sicht. Am fünften ging der Wind durch Osten nach Süden herum, und am sechsten früh segelten wir zwischen den hohen Inseln Yokosima und Kaminone südlich und Takorasima nördlich durch unter 29° 12′ n. Br. und 130° 32′ östl. L. in den Stillen Ocean. Hier zeigte sich bei frischem nördlichen Winde eine starke Dünung aus Osten, das Schiff stampfte und arbeitete unerträglich und machte wenig Fahrt. An demselben Tage sank das Barometer plötzlich bedeutend, und man glaubte es sei ein Orkan im Anzug; die Segel wurden gerefft und das Schiff sturmfertig gemacht. Am siebenten und achten wehte es noch heftiger, so dass die Pforten der Batteriekammern an Backbord zugeschraubt werden mussten. Dadurch war uns Passagieren alles Licht entzogen, und wir lebten bei Kerzenschein in keiner ange- nehmen Atmosphäre; denn durch die Ritzen der nicht ganz dicht schliessenden Stückpforte rieselte das Seewasser herein, und die kühlere Luft condensirte die Feuchtigkeit an den durchhitzten Schiffs- wänden, die wie ein Ofen Wärme strahlten. Es war wie ein mit tausend lieblichen Gerüchen gewürztes russisches Bad, und damit es auch an der Douche nicht fehle, spritzte hin und wieder von Steuerbord eine See in die Batterie. Das Zwischendeck aber glich einem Backofen. 31. August. 6. Septbr. Vom neunten bis zum elften herrschte wieder Windstille bei starker Dünung und bewölktem Himmel, so dass keine genauen 9. Septbr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/269
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/269>, abgerufen am 24.11.2024.