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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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IV. Tagesordnung in Akabane.
kaufen, so blickte der Händler erst fragend nach dem begleitenden
Beamten und versteckte oft auf dessen Wink den gewünschten
Gegenstand, oder forderte unerschwingliche Preise. Nach kurzer
Bekanntschaft aber besserte sich das Verhältniss. Die preussischen
Gäste gewannen durch freundliche Behandlung das Vertrauen der
von Natur gutmüthigen Japaner, die -- vielleicht auch auf besondere
Erlaubniss der Regierung -- sich später sehr dienstfertig und auf-
merksam zeigten und ihnen, oft mit Geduld und Aufopferung, jeden
möglichen Gefallen erwiesen. Es waren grossentheils joviale und
aufgeweckte Männer, unermüdlich in Wind und Wetter, immer
liebenswürdig, bescheiden und guter Laune, und freundlich dankbar
für jedes kleine Geschenk, jede Bewirthung. Geld nahmen sie nicht
an, aber eine Cigarre, ein Bleistift oder Taschenmesser erregten
kindliche Freude. Dass ihre Begleitung, wenn auch noch so zahl-
reich, im Falle eines Angriffes keinen Schutz gewährt, hat sich
leider in allen Fällen gezeigt; dass sie aber für die Sicherheit und
Bequemlichkeit der Fremden in Yeddo unter gewöhnlichen Umständen
vortheilhaft und nothwendig ist, und nicht, wie vielfach behauptet
worden, allein deren Beaufsichtung und die Hemmung des Ver-
kehrs mit den Eingeborenen bezweckt, unterliegt keinem Zweifel.
Dem Volke gegenüber geniessen sie ohne Ausnahme unbeding-
ter Autorität; jeder leiseste Wink findet schnellen, ehrerbietigen
Gehorsam. Der Pöbel ist in jeder grossen Stadt dem fremdartig
erscheinenden Ausländer gefährlich oder mindestens unbequem; in
Yeddo aber fällt im grössten Volksgedränge in Gegenwart der
Yakunine selten eine Ungehörigkeit vor.

Da nicht alle Mitglieder der Expedition in Akabane unter-
gebracht werden konnten, so zogen immer einige nach Yokuhama
und Kanagava; die in Yeddo wohnenden waren sämmtlich Gäste
des Gesandten. Morgens in der Frühe wurde man häufig durch
den schweren Tritt der Matrosen auf dem Corridor geweckt, --
denn die Schiffe standen in beständigem Verkehr mit der Gesandt-
schaft und die Abfahrt der Boote musste sich nach der Fluthzeit
richten, -- oder durch das Gequiek eines Schweines, das, unserem
betrunkenen Koch entwischend, von den Küchenjungen verfolgt
durch die Gänge rannte. Auch die Hühner hatten grosse Zuneigung
zu unseren Zimmern gefasst, und nahmen besonders gern auf den
Bettpfosten Platz. -- Gegen acht pflegten sich eine Menge Krämer
einzufinden, die aus hunderten von Kisten und Kästchen allerlei

IV. Tagesordnung in Akabane.
kaufen, so blickte der Händler erst fragend nach dem begleitenden
Beamten und versteckte oft auf dessen Wink den gewünschten
Gegenstand, oder forderte unerschwingliche Preise. Nach kurzer
Bekanntschaft aber besserte sich das Verhältniss. Die preussischen
Gäste gewannen durch freundliche Behandlung das Vertrauen der
von Natur gutmüthigen Japaner, die — vielleicht auch auf besondere
Erlaubniss der Regierung — sich später sehr dienstfertig und auf-
merksam zeigten und ihnen, oft mit Geduld und Aufopferung, jeden
möglichen Gefallen erwiesen. Es waren grossentheils joviale und
aufgeweckte Männer, unermüdlich in Wind und Wetter, immer
liebenswürdig, bescheiden und guter Laune, und freundlich dankbar
für jedes kleine Geschenk, jede Bewirthung. Geld nahmen sie nicht
an, aber eine Cigarre, ein Bleistift oder Taschenmesser erregten
kindliche Freude. Dass ihre Begleitung, wenn auch noch so zahl-
reich, im Falle eines Angriffes keinen Schutz gewährt, hat sich
leider in allen Fällen gezeigt; dass sie aber für die Sicherheit und
Bequemlichkeit der Fremden in Yeddo unter gewöhnlichen Umständen
vortheilhaft und nothwendig ist, und nicht, wie vielfach behauptet
worden, allein deren Beaufsichtung und die Hemmung des Ver-
kehrs mit den Eingeborenen bezweckt, unterliegt keinem Zweifel.
Dem Volke gegenüber geniessen sie ohne Ausnahme unbeding-
ter Autorität; jeder leiseste Wink findet schnellen, ehrerbietigen
Gehorsam. Der Pöbel ist in jeder grossen Stadt dem fremdartig
erscheinenden Ausländer gefährlich oder mindestens unbequem; in
Yeddo aber fällt im grössten Volksgedränge in Gegenwart der
Yakunine selten eine Ungehörigkeit vor.

Da nicht alle Mitglieder der Expedition in Akabane unter-
gebracht werden konnten, so zogen immer einige nach Yokuhama
und Kanagava; die in Yeddo wohnenden waren sämmtlich Gäste
des Gesandten. Morgens in der Frühe wurde man häufig durch
den schweren Tritt der Matrosen auf dem Corridor geweckt, —
denn die Schiffe standen in beständigem Verkehr mit der Gesandt-
schaft und die Abfahrt der Boote musste sich nach der Fluthzeit
richten, — oder durch das Gequiek eines Schweines, das, unserem
betrunkenen Koch entwischend, von den Küchenjungen verfolgt
durch die Gänge rannte. Auch die Hühner hatten grosse Zuneigung
zu unseren Zimmern gefasst, und nahmen besonders gern auf den
Bettpfosten Platz. — Gegen acht pflegten sich eine Menge Krämer
einzufinden, die aus hunderten von Kisten und Kästchen allerlei

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[269/0299] IV. Tagesordnung in Akabane. kaufen, so blickte der Händler erst fragend nach dem begleitenden Beamten und versteckte oft auf dessen Wink den gewünschten Gegenstand, oder forderte unerschwingliche Preise. Nach kurzer Bekanntschaft aber besserte sich das Verhältniss. Die preussischen Gäste gewannen durch freundliche Behandlung das Vertrauen der von Natur gutmüthigen Japaner, die — vielleicht auch auf besondere Erlaubniss der Regierung — sich später sehr dienstfertig und auf- merksam zeigten und ihnen, oft mit Geduld und Aufopferung, jeden möglichen Gefallen erwiesen. Es waren grossentheils joviale und aufgeweckte Männer, unermüdlich in Wind und Wetter, immer liebenswürdig, bescheiden und guter Laune, und freundlich dankbar für jedes kleine Geschenk, jede Bewirthung. Geld nahmen sie nicht an, aber eine Cigarre, ein Bleistift oder Taschenmesser erregten kindliche Freude. Dass ihre Begleitung, wenn auch noch so zahl- reich, im Falle eines Angriffes keinen Schutz gewährt, hat sich leider in allen Fällen gezeigt; dass sie aber für die Sicherheit und Bequemlichkeit der Fremden in Yeddo unter gewöhnlichen Umständen vortheilhaft und nothwendig ist, und nicht, wie vielfach behauptet worden, allein deren Beaufsichtung und die Hemmung des Ver- kehrs mit den Eingeborenen bezweckt, unterliegt keinem Zweifel. Dem Volke gegenüber geniessen sie ohne Ausnahme unbeding- ter Autorität; jeder leiseste Wink findet schnellen, ehrerbietigen Gehorsam. Der Pöbel ist in jeder grossen Stadt dem fremdartig erscheinenden Ausländer gefährlich oder mindestens unbequem; in Yeddo aber fällt im grössten Volksgedränge in Gegenwart der Yakunine selten eine Ungehörigkeit vor. Da nicht alle Mitglieder der Expedition in Akabane unter- gebracht werden konnten, so zogen immer einige nach Yokuhama und Kanagava; die in Yeddo wohnenden waren sämmtlich Gäste des Gesandten. Morgens in der Frühe wurde man häufig durch den schweren Tritt der Matrosen auf dem Corridor geweckt, — denn die Schiffe standen in beständigem Verkehr mit der Gesandt- schaft und die Abfahrt der Boote musste sich nach der Fluthzeit richten, — oder durch das Gequiek eines Schweines, das, unserem betrunkenen Koch entwischend, von den Küchenjungen verfolgt durch die Gänge rannte. Auch die Hühner hatten grosse Zuneigung zu unseren Zimmern gefasst, und nahmen besonders gern auf den Bettpfosten Platz. — Gegen acht pflegten sich eine Menge Krämer einzufinden, die aus hunderten von Kisten und Kästchen allerlei

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/299>, abgerufen am 01.06.2024.