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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Das Leben in Akabane. IV.
niedliche und nützliche Sachen auspackten. Der Hausflur und die
Gänge glichen dann während einiger Stunden einem bunten Bazar,
und die ausgebotenen Gegenstände waren so mannichfaltig, so
lockend und wohlfeil, dass jede Neigung Nahrung fand, und die
Kauflust Aller beständig rege blieb. Der Verkehr mit diesen Krämern
war sehr ergötzlich. Viele wurden unsere besonderen Freunde und
schafften, wo sie eine ausgesprochene Liebhaberei merkten, immer
neue und schönere Sachen herbei. Man verständigte sich leicht,
theils durch Zeichen, theils durch japanische Worte, die wir bald
lernten, denn die Sprache ist volltönend und wohlklingend, für
das europäische Ohr leicht fasslich, -- und auch die Japaner
eigneten sich schnell manch deutsches Wort an. Um zehn Uhr
wurde gemeinschaftlich gefrühstückt und um sechs zu Mittag
gegessen, in der Zwischenzeit ging man seinen Beschäftigungen
nach. Durch die Papierwände war jedes laut gesprochene Wort
hörbar, wir lebten wie in einer Familie; dazu standen die nach der
Veranda führenden Schiebethüren bei schönem Wetter meist offen,
Jeder wusste was bei dem Anderen vorging und die Unterhaltung
wurde leicht allgemein. Dann und wann kamen Gäste von den
anderen Legationen und brachten politische Neuigkeiten und Ge-
rüchte, oder Zeitungen aus Europa -- man erlebte täglich Neues
und hatte sich viel zu erzählen. Nachmittags wurden gewöhnlich
Excursionen gemacht, und war das Wetter zu weiteren Ritten zu
schlecht, so besuchte man die Buch- und Kramläden, die Waffen-,
Bronze- und Lack-Handlungen in der Nähe, um kleine Einkäufe
zu machen, die Landeserzeugnisse kennen zu lernen und Unter-
haltungen mit den Eingeborenen anzuknüpfen. Wenige Europäer
haben Yeddo so gründlich gesehen; denn da unser Aufenthalt von
vorn herein begrenzt und nur auf kurze Zeit berechnet war, so
suchte Jeder möglichst viel daraus zu machen und die Stadt wurde
nach allen Richtungen durchstöbert. Der persönliche Verkehr mit
den Japanern gestaltete sich, so unbefriedigend auch die geschäft-
lichen Beziehungen anfangs zu werden drohten, von Tage zu Tage
erfreulicher und hat gewiss bei Allen die angenehmste Erinnerung
hinterlassen.

10. Septbr.Montag den 10. September hatte sich das Wetter ganz
aufgeklärt, und der Gesandte konnte den Herren Harris und
von Bellecourt seine Besuche machen. Ersterer wohnte in den

Das Leben in Akabane. IV.
niedliche und nützliche Sachen auspackten. Der Hausflur und die
Gänge glichen dann während einiger Stunden einem bunten Bazar,
und die ausgebotenen Gegenstände waren so mannichfaltig, so
lockend und wohlfeil, dass jede Neigung Nahrung fand, und die
Kauflust Aller beständig rege blieb. Der Verkehr mit diesen Krämern
war sehr ergötzlich. Viele wurden unsere besonderen Freunde und
schafften, wo sie eine ausgesprochene Liebhaberei merkten, immer
neue und schönere Sachen herbei. Man verständigte sich leicht,
theils durch Zeichen, theils durch japanische Worte, die wir bald
lernten, denn die Sprache ist volltönend und wohlklingend, für
das europäische Ohr leicht fasslich, — und auch die Japaner
eigneten sich schnell manch deutsches Wort an. Um zehn Uhr
wurde gemeinschaftlich gefrühstückt und um sechs zu Mittag
gegessen, in der Zwischenzeit ging man seinen Beschäftigungen
nach. Durch die Papierwände war jedes laut gesprochene Wort
hörbar, wir lebten wie in einer Familie; dazu standen die nach der
Veranda führenden Schiebethüren bei schönem Wetter meist offen,
Jeder wusste was bei dem Anderen vorging und die Unterhaltung
wurde leicht allgemein. Dann und wann kamen Gäste von den
anderen Legationen und brachten politische Neuigkeiten und Ge-
rüchte, oder Zeitungen aus Europa — man erlebte täglich Neues
und hatte sich viel zu erzählen. Nachmittags wurden gewöhnlich
Excursionen gemacht, und war das Wetter zu weiteren Ritten zu
schlecht, so besuchte man die Buch- und Kramläden, die Waffen-,
Bronze- und Lack-Handlungen in der Nähe, um kleine Einkäufe
zu machen, die Landeserzeugnisse kennen zu lernen und Unter-
haltungen mit den Eingeborenen anzuknüpfen. Wenige Europäer
haben Yeddo so gründlich gesehen; denn da unser Aufenthalt von
vorn herein begrenzt und nur auf kurze Zeit berechnet war, so
suchte Jeder möglichst viel daraus zu machen und die Stadt wurde
nach allen Richtungen durchstöbert. Der persönliche Verkehr mit
den Japanern gestaltete sich, so unbefriedigend auch die geschäft-
lichen Beziehungen anfangs zu werden drohten, von Tage zu Tage
erfreulicher und hat gewiss bei Allen die angenehmste Erinnerung
hinterlassen.

10. Septbr.Montag den 10. September hatte sich das Wetter ganz
aufgeklärt, und der Gesandte konnte den Herren Harris und
von Bellecourt seine Besuche machen. Ersterer wohnte in den

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[270/0300] Das Leben in Akabane. IV. niedliche und nützliche Sachen auspackten. Der Hausflur und die Gänge glichen dann während einiger Stunden einem bunten Bazar, und die ausgebotenen Gegenstände waren so mannichfaltig, so lockend und wohlfeil, dass jede Neigung Nahrung fand, und die Kauflust Aller beständig rege blieb. Der Verkehr mit diesen Krämern war sehr ergötzlich. Viele wurden unsere besonderen Freunde und schafften, wo sie eine ausgesprochene Liebhaberei merkten, immer neue und schönere Sachen herbei. Man verständigte sich leicht, theils durch Zeichen, theils durch japanische Worte, die wir bald lernten, denn die Sprache ist volltönend und wohlklingend, für das europäische Ohr leicht fasslich, — und auch die Japaner eigneten sich schnell manch deutsches Wort an. Um zehn Uhr wurde gemeinschaftlich gefrühstückt und um sechs zu Mittag gegessen, in der Zwischenzeit ging man seinen Beschäftigungen nach. Durch die Papierwände war jedes laut gesprochene Wort hörbar, wir lebten wie in einer Familie; dazu standen die nach der Veranda führenden Schiebethüren bei schönem Wetter meist offen, Jeder wusste was bei dem Anderen vorging und die Unterhaltung wurde leicht allgemein. Dann und wann kamen Gäste von den anderen Legationen und brachten politische Neuigkeiten und Ge- rüchte, oder Zeitungen aus Europa — man erlebte täglich Neues und hatte sich viel zu erzählen. Nachmittags wurden gewöhnlich Excursionen gemacht, und war das Wetter zu weiteren Ritten zu schlecht, so besuchte man die Buch- und Kramläden, die Waffen-, Bronze- und Lack-Handlungen in der Nähe, um kleine Einkäufe zu machen, die Landeserzeugnisse kennen zu lernen und Unter- haltungen mit den Eingeborenen anzuknüpfen. Wenige Europäer haben Yeddo so gründlich gesehen; denn da unser Aufenthalt von vorn herein begrenzt und nur auf kurze Zeit berechnet war, so suchte Jeder möglichst viel daraus zu machen und die Stadt wurde nach allen Richtungen durchstöbert. Der persönliche Verkehr mit den Japanern gestaltete sich, so unbefriedigend auch die geschäft- lichen Beziehungen anfangs zu werden drohten, von Tage zu Tage erfreulicher und hat gewiss bei Allen die angenehmste Erinnerung hinterlassen. Montag den 10. September hatte sich das Wetter ganz aufgeklärt, und der Gesandte konnte den Herren Harris und von Bellecourt seine Besuche machen. Ersterer wohnte in den 10. Septbr.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/300>, abgerufen am 16.07.2024.