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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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IV. Das Haupt des Ikamo. -- Die öffentliche Meinung.
bewaffneten Angriffs. Es hiess in Yeddo, Mito habe sich mit seinen
Anhängern in ein festes Bergschloss geworfen und trotze von da
aus offen der Regierung des Taikun. -- Was das Haupt des Regenten
betrifft, so sollen die Mörder dasselbe zuerst ihrem Herrn gezeigt
und dann nach Miako gebracht haben, wo es zwei Stunden lang
auf dem Richtplatze für Staatsverbrecher mit einer Inschrift ausge-
stellt gewesen wäre: "Der Kopf des Verräthers, der den heiligsten
Gesetzen des Landes entgegen die Fremden in Japan zugelassen
hat". Darauf sei es wieder verschwunden und einige Zeit nachher,
in ein schmutziges Tuch gewickelt, über die Hofmauer von Ikamo's
Palast in Yeddo geworfen worden. So erzählt das Gerücht, --
und japanische Bravos wären solcher fanatischen Wagniss und
Brutalität wohl fähig. Die bei dem Attentat Gefallenen sollen in
der Hauptstadt ein ehrenvolles Begräbniss erhalten, und durch ihre
kühne That und todesmuthige Vasallentreue im ganzen Lande grossen
Ruhm geärntet haben. --

Nach diesem Allem kann man sich nicht wundern, wenn die
japanische Regierung die Verträge mit ungünstigen Augen ansah;
sie machten ihr nur Noth und Sorgen nach aussen und innen, und
liessen, in ihrer Anschauung, auch für die Zukunft keinen möglichen
Vortheil absehen. Allem Anschein nach waren die beiden letzten
Taikune und der Regent als Opfer dieser Verträge gefallen, und
dass die Besorgniss vor einem Bürgerkriege keine leere Ausrede
war, dass eine starke und der bestehenden Regierung sehr gefähr-
liche Parthei existirte, dass die Verträge wirklich zu einer tief-
greifenden Umwälzung geführt und das Fortbestehen der alten
Siogun-Herrschaft in Frage gestellt haben, ist durch die neuesten
Ereignisse zur Evidenz bewiesen worden. Zur Zeit unserer Ankunft
in Yeddo waren sich die Fremden noch nicht klar darüber. Die
japanische Regierung gestand damals nicht, dass der Mikado und
ein Theil des Lehnsadels ihr Schwierigkeiten bereite, -- sie nannte
"die öffentliche Meinung" als den Feind der Verträge, und gewisser-
maassen auch mit Recht; die Menge des Volkes litt, wenigstens
für den Augenblick, unter ihren Folgen. Die unverhältnissmässige
Wohlfeilheit der Producte in Japan hatte eine massenhafte Ausfuhr
veranlasst, und die daraus folgende Preiserhöhung einzelner Artikel
zog eine Vertheuerung aller übrigen nach sich. Dieser Umstand
drückte sehr hart auf die ärmeren Classen und besonders auf die
niederen Beamten, welche bei geringer Besoldung, -- die auch

IV. Das Haupt des Ikamo. — Die öffentliche Meinung.
bewaffneten Angriffs. Es hiess in Yeddo, Mito habe sich mit seinen
Anhängern in ein festes Bergschloss geworfen und trotze von da
aus offen der Regierung des Taïkūn. — Was das Haupt des Regenten
betrifft, so sollen die Mörder dasselbe zuerst ihrem Herrn gezeigt
und dann nach Miako gebracht haben, wo es zwei Stunden lang
auf dem Richtplatze für Staatsverbrecher mit einer Inschrift ausge-
stellt gewesen wäre: »Der Kopf des Verräthers, der den heiligsten
Gesetzen des Landes entgegen die Fremden in Japan zugelassen
hat«. Darauf sei es wieder verschwunden und einige Zeit nachher,
in ein schmutziges Tuch gewickelt, über die Hofmauer von Ikamo’s
Palast in Yeddo geworfen worden. So erzählt das Gerücht, —
und japanische Bravos wären solcher fanatischen Wagniss und
Brutalität wohl fähig. Die bei dem Attentat Gefallenen sollen in
der Hauptstadt ein ehrenvolles Begräbniss erhalten, und durch ihre
kühne That und todesmuthige Vasallentreue im ganzen Lande grossen
Ruhm geärntet haben. —

Nach diesem Allem kann man sich nicht wundern, wenn die
japanische Regierung die Verträge mit ungünstigen Augen ansah;
sie machten ihr nur Noth und Sorgen nach aussen und innen, und
liessen, in ihrer Anschauung, auch für die Zukunft keinen möglichen
Vortheil absehen. Allem Anschein nach waren die beiden letzten
Taïkūne und der Regent als Opfer dieser Verträge gefallen, und
dass die Besorgniss vor einem Bürgerkriege keine leere Ausrede
war, dass eine starke und der bestehenden Regierung sehr gefähr-
liche Parthei existirte, dass die Verträge wirklich zu einer tief-
greifenden Umwälzung geführt und das Fortbestehen der alten
Siogun-Herrschaft in Frage gestellt haben, ist durch die neuesten
Ereignisse zur Evidenz bewiesen worden. Zur Zeit unserer Ankunft
in Yeddo waren sich die Fremden noch nicht klar darüber. Die
japanische Regierung gestand damals nicht, dass der Mikado und
ein Theil des Lehnsadels ihr Schwierigkeiten bereite, — sie nannte
»die öffentliche Meinung« als den Feind der Verträge, und gewisser-
maassen auch mit Recht; die Menge des Volkes litt, wenigstens
für den Augenblick, unter ihren Folgen. Die unverhältnissmässige
Wohlfeilheit der Producte in Japan hatte eine massenhafte Ausfuhr
veranlasst, und die daraus folgende Preiserhöhung einzelner Artikel
zog eine Vertheuerung aller übrigen nach sich. Dieser Umstand
drückte sehr hart auf die ärmeren Classen und besonders auf die
niederen Beamten, welche bei geringer Besoldung, — die auch

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[287/0317] IV. Das Haupt des Ikamo. — Die öffentliche Meinung. bewaffneten Angriffs. Es hiess in Yeddo, Mito habe sich mit seinen Anhängern in ein festes Bergschloss geworfen und trotze von da aus offen der Regierung des Taïkūn. — Was das Haupt des Regenten betrifft, so sollen die Mörder dasselbe zuerst ihrem Herrn gezeigt und dann nach Miako gebracht haben, wo es zwei Stunden lang auf dem Richtplatze für Staatsverbrecher mit einer Inschrift ausge- stellt gewesen wäre: »Der Kopf des Verräthers, der den heiligsten Gesetzen des Landes entgegen die Fremden in Japan zugelassen hat«. Darauf sei es wieder verschwunden und einige Zeit nachher, in ein schmutziges Tuch gewickelt, über die Hofmauer von Ikamo’s Palast in Yeddo geworfen worden. So erzählt das Gerücht, — und japanische Bravos wären solcher fanatischen Wagniss und Brutalität wohl fähig. Die bei dem Attentat Gefallenen sollen in der Hauptstadt ein ehrenvolles Begräbniss erhalten, und durch ihre kühne That und todesmuthige Vasallentreue im ganzen Lande grossen Ruhm geärntet haben. — Nach diesem Allem kann man sich nicht wundern, wenn die japanische Regierung die Verträge mit ungünstigen Augen ansah; sie machten ihr nur Noth und Sorgen nach aussen und innen, und liessen, in ihrer Anschauung, auch für die Zukunft keinen möglichen Vortheil absehen. Allem Anschein nach waren die beiden letzten Taïkūne und der Regent als Opfer dieser Verträge gefallen, und dass die Besorgniss vor einem Bürgerkriege keine leere Ausrede war, dass eine starke und der bestehenden Regierung sehr gefähr- liche Parthei existirte, dass die Verträge wirklich zu einer tief- greifenden Umwälzung geführt und das Fortbestehen der alten Siogun-Herrschaft in Frage gestellt haben, ist durch die neuesten Ereignisse zur Evidenz bewiesen worden. Zur Zeit unserer Ankunft in Yeddo waren sich die Fremden noch nicht klar darüber. Die japanische Regierung gestand damals nicht, dass der Mikado und ein Theil des Lehnsadels ihr Schwierigkeiten bereite, — sie nannte »die öffentliche Meinung« als den Feind der Verträge, und gewisser- maassen auch mit Recht; die Menge des Volkes litt, wenigstens für den Augenblick, unter ihren Folgen. Die unverhältnissmässige Wohlfeilheit der Producte in Japan hatte eine massenhafte Ausfuhr veranlasst, und die daraus folgende Preiserhöhung einzelner Artikel zog eine Vertheuerung aller übrigen nach sich. Dieser Umstand drückte sehr hart auf die ärmeren Classen und besonders auf die niederen Beamten, welche bei geringer Besoldung, — die auch

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/317>, abgerufen am 16.06.2024.