[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Bestürzung bei Ankunft der Arkona. IV. unter den früheren Verhältnissen nur genau für ihren Lebensunterhaltausreichte, -- ein gewisses äusseres Decorum beobachten müssen, und jetzt gradezu Mangel litten. Dass dieser Zustand nur ein vor- übergehender sein, dass der fremde Handel mit der Zeit dem Lande sogar Vortheil bringen würde, konnten die Japaner nicht begreifen; wie hätten sie auch nach der langen Absperrung wohl Einsicht in die Verhältnisse des internationalen Verkehrs haben sollen! Die öffentliche Meinung war wirklich der Aufschliessung des Landes entgegen. Die fremden Gesandten wollten es nicht glauben und setzten den dahin gehenden Aeusserungen der Regierung immer die Behauptung entgegen, dass sie selbst überall und von allen Volks- classen höflich aufgenommen würden. Der persönliche Verkehr beweist aber nichts; wird sich das Verhältniss unter gesitteten Menschen nicht auch in Feindesland immer freundlich gestalten? Dass es auch Uebelwollende gab, mussten sie vielfach auf ihren Spazierritten in Yeddo und der Umgegend erfahren, wo Mitglieder der Gesandtschaften nicht selten von Trabanten der Daimio's insultirt und von lärmenden Volkshaufen belästigt wurden. Die Ankunft des preussischen Geschwaders konnte also der Bestürzung bei Ankunft der Arkona. IV. unter den früheren Verhältnissen nur genau für ihren Lebensunterhaltausreichte, — ein gewisses äusseres Decorum beobachten müssen, und jetzt gradezu Mangel litten. Dass dieser Zustand nur ein vor- übergehender sein, dass der fremde Handel mit der Zeit dem Lande sogar Vortheil bringen würde, konnten die Japaner nicht begreifen; wie hätten sie auch nach der langen Absperrung wohl Einsicht in die Verhältnisse des internationalen Verkehrs haben sollen! Die öffentliche Meinung war wirklich der Aufschliessung des Landes entgegen. Die fremden Gesandten wollten es nicht glauben und setzten den dahin gehenden Aeusserungen der Regierung immer die Behauptung entgegen, dass sie selbst überall und von allen Volks- classen höflich aufgenommen würden. Der persönliche Verkehr beweist aber nichts; wird sich das Verhältniss unter gesitteten Menschen nicht auch in Feindesland immer freundlich gestalten? Dass es auch Uebelwollende gab, mussten sie vielfach auf ihren Spazierritten in Yeddo und der Umgegend erfahren, wo Mitglieder der Gesandtschaften nicht selten von Trabanten der Daïmio’s insultirt und von lärmenden Volkshaufen belästigt wurden. Die Ankunft des preussischen Geschwaders konnte also der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0318" n="288"/><fw place="top" type="header">Bestürzung bei Ankunft der Arkona. 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Bestürzung bei Ankunft der Arkona. IV.
unter den früheren Verhältnissen nur genau für ihren Lebensunterhalt
ausreichte, — ein gewisses äusseres Decorum beobachten müssen,
und jetzt gradezu Mangel litten. Dass dieser Zustand nur ein vor-
übergehender sein, dass der fremde Handel mit der Zeit dem Lande
sogar Vortheil bringen würde, konnten die Japaner nicht begreifen;
wie hätten sie auch nach der langen Absperrung wohl Einsicht in
die Verhältnisse des internationalen Verkehrs haben sollen! Die
öffentliche Meinung war wirklich der Aufschliessung des Landes
entgegen. Die fremden Gesandten wollten es nicht glauben und
setzten den dahin gehenden Aeusserungen der Regierung immer die
Behauptung entgegen, dass sie selbst überall und von allen Volks-
classen höflich aufgenommen würden. Der persönliche Verkehr
beweist aber nichts; wird sich das Verhältniss unter gesitteten
Menschen nicht auch in Feindesland immer freundlich gestalten?
Dass es auch Uebelwollende gab, mussten sie vielfach auf ihren
Spazierritten in Yeddo und der Umgegend erfahren, wo Mitglieder
der Gesandtschaften nicht selten von Trabanten der Daïmio’s insultirt
und von lärmenden Volkshaufen belästigt wurden.
Die Ankunft des preussischen Geschwaders konnte also der
japanischen Regierung nicht angenehm sein. Die Arkona hatte kaum
auf der Rhede von Yeddo geankert, als mehrere Bunyo’s des Aus-
wärtigen Amtes in grosser Bestürzung bei dem amerikanischen
Minister-Residenten erschienen und ihm Vorwürfe machten, »dass
er die Ankunft des preussischen Geschwaders nicht verhindert habe«.
Herr Harris entgegnete, dass dies gar nicht in seiner Macht ge-
standen hätte, dass er ausserdem von seiner Regierung angewiesen
sei die Zwecke der preussischen Gesandtschaft mit allen ihm zu
Gebote stehenden Mitteln zu fördern, und ihnen nur rathen könne,
den von der Krone Preussen gewünschten Vertrag abzuschliessen.
Der amerikanische Resident glaubte schon damals, dass einem
Handelstractate mit Preussen allein keine unüberwindlichen Hinder-
nisse im Wege ständen; ein Vertrag mit den Zollvereins-Staaten
und den Hanse-Städten aber schien ihm von vorn herein unmöglich,
da die Japaner unfähig sein würden, die handelspolitische Einheit
von Nord-Deutschland zu begreifen. Graf Eulenburg äusserte in
seinem Schreiben an das japanische Ministerinm ausdrücklich, dass
er gekommen sei, einen Vertrag für Nord-Deutschland abzu-
schliessen; in der darauf erfolgten Antwort war aber gleich nur
von Preussen die Rede.
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