Am 14. September gegen Mittag setzte sich der Zug des Ge-14. Septbr. sandten nach dem Palaste des Auswärtigen Ministers Ando-Tsus- sima-no-Kami in Bewegung; die Anordnung war die bei den übrigen fremden Gesandtschaften übliche. Voran ging die Sänfte eines japa- nischen Staatsbeamten, dann folgte die preussische Flagge mit einer Wache von Seesoldaten, dann Graf Eulenburg selbst in dem grossen Norimon des amerikanischen Gesandten, von acht Japanern getragen. Neben der Sänfte gingen seine beiden Diener, dahinter wurde sein Pferd geführt; dann folgten einige Herren in kleineren Sänften und die übrigen zu Pferde. Zehn Yakunine marschirten zu beiden Seiten des Zuges und hielten die zahlreichen Zuschauer ab, welche die Fremden heiter und neugierig begafften. -- Zunächst ging es durch einige von Krämern und Handwerkern bewohnte sehr belebte Gassen, dann durch ein vornehmes Stadtviertel, dessen breite Strassen öde und einförmig sind. Bei der ersten Enceinte des Taikun-Palastes angelangt überschreitet man auf einer Pfahlbrücke den breiten Festungsgraben; drüben flankirt ein massiges Thorhaus, wie die Ringmauer aus grossen polygonischen Blöcken gebaut, das einfache hölzerne Portal. Innerhalb setzt sich das aristokratische Stadtviertel fort, man passirt lange einsame Strassen, dann ein zweites dem ersten ganz ähnliches Festungsthor. Eine dritte Ringmauer um- schliesst die kaiserliche Burg. Der Wohn-Palast des Ando-Tsus- sima-no-Kami liegt innerhalb der zweiten Enceinte; der Weg dahin hatte bei schnellem Schritt fast eine Stunde in Anspruch genommen.
Das breite Thor, vor welchem der Zug hielt, öffnet sich auf einen kleinen Hof; gegenüber liegt der Eingang zum Wohngebäude des Ministers, wo der Dolmetscher Moriyama den Gesandten erwartete. Im Vorzimmer fand er die beiden ihm bekannten Bunyo's Sakai-Oki-no-Kami und Hori-Oribe-no-Kami; alle trugen das Kamisimo, ein flügelartig die Schultern bedeckendes Festkleid. Der Minister und ein ihm assistirender Reichsrath aus der Versammlung der "Jungen alten Männer" begrüssten den Grafen stehend und liessen sich das Gefolge präsentiren, welches dann einer Verabre- dung gemäss in die Nebenzimmer verschwand. Nur Herr Heusken und der Attache du jour von Bunsen blieben zurück. Sie nahmen mit Graf Eulenburg auf der einen Seite des Gemaches Platz, ihnen gegenüber Ando-Tsus-sima-no-Kami und der assistirende Rath, ein Mann von etwa dreissig Jahren und feinem, einnehmenden
Am 14. September gegen Mittag setzte sich der Zug des Ge-14. Septbr. sandten nach dem Palaste des Auswärtigen Ministers Ando-Tsus- sima-no-Kami in Bewegung; die Anordnung war die bei den übrigen fremden Gesandtschaften übliche. Voran ging die Sänfte eines japa- nischen Staatsbeamten, dann folgte die preussische Flagge mit einer Wache von Seesoldaten, dann Graf Eulenburg selbst in dem grossen Norimon des amerikanischen Gesandten, von acht Japanern getragen. Neben der Sänfte gingen seine beiden Diener, dahinter wurde sein Pferd geführt; dann folgten einige Herren in kleineren Sänften und die übrigen zu Pferde. Zehn Yakunine marschirten zu beiden Seiten des Zuges und hielten die zahlreichen Zuschauer ab, welche die Fremden heiter und neugierig begafften. — Zunächst ging es durch einige von Krämern und Handwerkern bewohnte sehr belebte Gassen, dann durch ein vornehmes Stadtviertel, dessen breite Strassen öde und einförmig sind. Bei der ersten Enceinte des Taïkūn-Palastes angelangt überschreitet man auf einer Pfahlbrücke den breiten Festungsgraben; drüben flankirt ein massiges Thorhaus, wie die Ringmauer aus grossen polygonischen Blöcken gebaut, das einfache hölzerne Portal. Innerhalb setzt sich das aristokratische Stadtviertel fort, man passirt lange einsame Strassen, dann ein zweites dem ersten ganz ähnliches Festungsthor. Eine dritte Ringmauer um- schliesst die kaiserliche Burg. Der Wohn-Palast des Ando-Tsus- sima-no-Kami liegt innerhalb der zweiten Enceinte; der Weg dahin hatte bei schnellem Schritt fast eine Stunde in Anspruch genommen.
Das breite Thor, vor welchem der Zug hielt, öffnet sich auf einen kleinen Hof; gegenüber liegt der Eingang zum Wohngebäude des Ministers, wo der Dolmetscher Moriyama den Gesandten erwartete. Im Vorzimmer fand er die beiden ihm bekannten Bunyo’s Sakaï-Oki-no-Kami und Hori-Oribe-no-Kami; alle trugen das Kamisimo, ein flügelartig die Schultern bedeckendes Festkleid. Der Minister und ein ihm assistirender Reichsrath aus der Versammlung der »Jungen alten Männer« begrüssten den Grafen stehend und liessen sich das Gefolge präsentiren, welches dann einer Verabre- dung gemäss in die Nebenzimmer verschwand. Nur Herr Heusken und der Attaché du jour von Bunsen blieben zurück. Sie nahmen mit Graf Eulenburg auf der einen Seite des Gemaches Platz, ihnen gegenüber Ando-Tsus-sima-no-Kami und der assistirende Rath, ein Mann von etwa dreissig Jahren und feinem, einnehmenden
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IV. Besuch bei dem Minister Ando-Tsus-sima-no-Kami.
Am 14. September gegen Mittag setzte sich der Zug des Ge-
sandten nach dem Palaste des Auswärtigen Ministers Ando-Tsus-
sima-no-Kami in Bewegung; die Anordnung war die bei den übrigen
fremden Gesandtschaften übliche. Voran ging die Sänfte eines japa-
nischen Staatsbeamten, dann folgte die preussische Flagge mit einer
Wache von Seesoldaten, dann Graf Eulenburg selbst in dem grossen
Norimon des amerikanischen Gesandten, von acht Japanern getragen.
Neben der Sänfte gingen seine beiden Diener, dahinter wurde sein
Pferd geführt; dann folgten einige Herren in kleineren Sänften und die
übrigen zu Pferde. Zehn Yakunine marschirten zu beiden Seiten des
Zuges und hielten die zahlreichen Zuschauer ab, welche die Fremden
heiter und neugierig begafften. — Zunächst ging es durch einige
von Krämern und Handwerkern bewohnte sehr belebte Gassen,
dann durch ein vornehmes Stadtviertel, dessen breite Strassen öde
und einförmig sind. Bei der ersten Enceinte des Taïkūn-Palastes
angelangt überschreitet man auf einer Pfahlbrücke den breiten
Festungsgraben; drüben flankirt ein massiges Thorhaus, wie die
Ringmauer aus grossen polygonischen Blöcken gebaut, das einfache
hölzerne Portal. Innerhalb setzt sich das aristokratische Stadtviertel
fort, man passirt lange einsame Strassen, dann ein zweites dem
ersten ganz ähnliches Festungsthor. Eine dritte Ringmauer um-
schliesst die kaiserliche Burg. Der Wohn-Palast des Ando-Tsus-
sima-no-Kami liegt innerhalb der zweiten Enceinte; der Weg dahin
hatte bei schnellem Schritt fast eine Stunde in Anspruch genommen.
14. Septbr.
Das breite Thor, vor welchem der Zug hielt, öffnet sich auf
einen kleinen Hof; gegenüber liegt der Eingang zum Wohngebäude
des Ministers, wo der Dolmetscher Moriyama den Gesandten
erwartete. Im Vorzimmer fand er die beiden ihm bekannten Bunyo’s
Sakaï-Oki-no-Kami und Hori-Oribe-no-Kami; alle trugen das
Kamisimo, ein flügelartig die Schultern bedeckendes Festkleid. Der
Minister und ein ihm assistirender Reichsrath aus der Versammlung
der »Jungen alten Männer« begrüssten den Grafen stehend und
liessen sich das Gefolge präsentiren, welches dann einer Verabre-
dung gemäss in die Nebenzimmer verschwand. Nur Herr Heusken
und der Attaché du jour von Bunsen blieben zurück. Sie nahmen
mit Graf Eulenburg auf der einen Seite des Gemaches Platz, ihnen
gegenüber Ando-Tsus-sima-no-Kami und der assistirende Rath,
ein Mann von etwa dreissig Jahren und feinem, einnehmenden
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/319>, abgerufen am 16.07.2024.
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