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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Seidenhandlungen. Waffenschmiede.
auf denen viele jugendliche Commis kauern, einige mit den Büchern
beschäftigt, andere den vor ihnen sitzenden Kunden die Waare
vorlegend. Vornehme Käufer werden in das obere Stockwerk ge-
führt. Das untere bildet eine weite, tiefe Halle, deren Decke viele
Holzpfosten tragen; Waare ist nirgend zu sehen und wird erst auf
Verlangen aus den Kasten und Fächern hervorgeholt. Man findet
hier schöne Crepps und schwere geblümte Stoffe, ferner feingestreifte
Zeuge in milden graublauen und bräunlichen Nüancen, welche dem
europäischen Geschmack zusagen würden. Aber die Stücke sind
von sehr geringer Breite und nur zwanzig bis dreissig Fuss lang,
wie sie wohl zu japanischen, aber nicht zu europäischen Frauen-
kleidern ausreichen, und man findet selten zwei von ganz gleichem
Muster. Das Gewebe ist fest und gleichmässig, aber meistens ohne
Glanz, und sieht daher sehr anspruchslos, oft bei den kostbarsten
Stoffen wie Baumwolle aus.

Alle übrigen Kaufläden sind kleiner als die Seidenhandlungen,
bieten aber fast durchweg Gegenstände von grossem Interesse. Bei
den Waffenschmieden findet man lange und kurze Schwerter aller
Art in grösster Mannichfaltigkeit der Klingen, Hefte und Scheiden,
kein einziges, bei feststehender Grundform, dem anderen ganz
gleich. Das japanische Schwert kann vielleicht für die schönste
Hiebwaffe gelten; die Klinge ist wuchtig und leicht gekrümmt,
das Heft mit Rochenhaut überzogen und darüber oft mit dicken
seidenen Schnüren beflochten, das ovale Stichblatt von Eisen, die
Scheide von Holz und mannichfach verziert und beschlagen. Am
reichsten sind der Knauf und das Stichblatt gearbeitet, theils er-
haben und kunstvoll ciselirt, theils gravirt und mit Gold, Silber und
bunten Legirungen eingelegt, bald in verschlungenen Linearmotiven,
bald in charaktervoller Darstellung von Blättern, Blumen, Masken,
Hausrath, von Menschen- und Thiergestalten. Meistens wird die
eingelegte Arbeit mit der gravirten und erhabenen verbunden, und
man sieht vollständige Genrebilder, ja ganze Landschaften im klein-
sten Raum. Aehnliche Verzierungen sind auf beiden Seiten des
Heftes befestigt und unter den Seidenschnüren oft halb verborgen.
In den Scheiden der kleineren Schwerter steckt unterhalb des Stich-
blattes gewöhnlich ein kleines Messer mit verziertem Metallgriff;
darunter sitzt ein metallener Buckel durch welchen eine seidene
Litze gezogen ist, -- eine Art Portepee wie es scheint, -- die keinen
praktischen Nutzen hat. Der Lack der Scheide ist bald schwarz,

V. Seidenhandlungen. Waffenschmiede.
auf denen viele jugendliche Commis kauern, einige mit den Büchern
beschäftigt, andere den vor ihnen sitzenden Kunden die Waare
vorlegend. Vornehme Käufer werden in das obere Stockwerk ge-
führt. Das untere bildet eine weite, tiefe Halle, deren Decke viele
Holzpfosten tragen; Waare ist nirgend zu sehen und wird erst auf
Verlangen aus den Kasten und Fächern hervorgeholt. Man findet
hier schöne Crepps und schwere geblümte Stoffe, ferner feingestreifte
Zeuge in milden graublauen und bräunlichen Nüancen, welche dem
europäischen Geschmack zusagen würden. Aber die Stücke sind
von sehr geringer Breite und nur zwanzig bis dreissig Fuss lang,
wie sie wohl zu japanischen, aber nicht zu europäischen Frauen-
kleidern ausreichen, und man findet selten zwei von ganz gleichem
Muster. Das Gewebe ist fest und gleichmässig, aber meistens ohne
Glanz, und sieht daher sehr anspruchslos, oft bei den kostbarsten
Stoffen wie Baumwolle aus.

Alle übrigen Kaufläden sind kleiner als die Seidenhandlungen,
bieten aber fast durchweg Gegenstände von grossem Interesse. Bei
den Waffenschmieden findet man lange und kurze Schwerter aller
Art in grösster Mannichfaltigkeit der Klingen, Hefte und Scheiden,
kein einziges, bei feststehender Grundform, dem anderen ganz
gleich. Das japanische Schwert kann vielleicht für die schönste
Hiebwaffe gelten; die Klinge ist wuchtig und leicht gekrümmt,
das Heft mit Rochenhaut überzogen und darüber oft mit dicken
seidenen Schnüren beflochten, das ovale Stichblatt von Eisen, die
Scheide von Holz und mannichfach verziert und beschlagen. Am
reichsten sind der Knauf und das Stichblatt gearbeitet, theils er-
haben und kunstvoll ciselirt, theils gravirt und mit Gold, Silber und
bunten Legirungen eingelegt, bald in verschlungenen Linearmotiven,
bald in charaktervoller Darstellung von Blättern, Blumen, Masken,
Hausrath, von Menschen- und Thiergestalten. Meistens wird die
eingelegte Arbeit mit der gravirten und erhabenen verbunden, und
man sieht vollständige Genrebilder, ja ganze Landschaften im klein-
sten Raum. Aehnliche Verzierungen sind auf beiden Seiten des
Heftes befestigt und unter den Seidenschnüren oft halb verborgen.
In den Scheiden der kleineren Schwerter steckt unterhalb des Stich-
blattes gewöhnlich ein kleines Messer mit verziertem Metallgriff;
darunter sitzt ein metallener Buckel durch welchen eine seidene
Litze gezogen ist, — eine Art Portepée wie es scheint, — die keinen
praktischen Nutzen hat. Der Lack der Scheide ist bald schwarz,

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[301/0331] V. Seidenhandlungen. Waffenschmiede. auf denen viele jugendliche Commis kauern, einige mit den Büchern beschäftigt, andere den vor ihnen sitzenden Kunden die Waare vorlegend. Vornehme Käufer werden in das obere Stockwerk ge- führt. Das untere bildet eine weite, tiefe Halle, deren Decke viele Holzpfosten tragen; Waare ist nirgend zu sehen und wird erst auf Verlangen aus den Kasten und Fächern hervorgeholt. Man findet hier schöne Crepps und schwere geblümte Stoffe, ferner feingestreifte Zeuge in milden graublauen und bräunlichen Nüancen, welche dem europäischen Geschmack zusagen würden. Aber die Stücke sind von sehr geringer Breite und nur zwanzig bis dreissig Fuss lang, wie sie wohl zu japanischen, aber nicht zu europäischen Frauen- kleidern ausreichen, und man findet selten zwei von ganz gleichem Muster. Das Gewebe ist fest und gleichmässig, aber meistens ohne Glanz, und sieht daher sehr anspruchslos, oft bei den kostbarsten Stoffen wie Baumwolle aus. Alle übrigen Kaufläden sind kleiner als die Seidenhandlungen, bieten aber fast durchweg Gegenstände von grossem Interesse. Bei den Waffenschmieden findet man lange und kurze Schwerter aller Art in grösster Mannichfaltigkeit der Klingen, Hefte und Scheiden, kein einziges, bei feststehender Grundform, dem anderen ganz gleich. Das japanische Schwert kann vielleicht für die schönste Hiebwaffe gelten; die Klinge ist wuchtig und leicht gekrümmt, das Heft mit Rochenhaut überzogen und darüber oft mit dicken seidenen Schnüren beflochten, das ovale Stichblatt von Eisen, die Scheide von Holz und mannichfach verziert und beschlagen. Am reichsten sind der Knauf und das Stichblatt gearbeitet, theils er- haben und kunstvoll ciselirt, theils gravirt und mit Gold, Silber und bunten Legirungen eingelegt, bald in verschlungenen Linearmotiven, bald in charaktervoller Darstellung von Blättern, Blumen, Masken, Hausrath, von Menschen- und Thiergestalten. Meistens wird die eingelegte Arbeit mit der gravirten und erhabenen verbunden, und man sieht vollständige Genrebilder, ja ganze Landschaften im klein- sten Raum. Aehnliche Verzierungen sind auf beiden Seiten des Heftes befestigt und unter den Seidenschnüren oft halb verborgen. In den Scheiden der kleineren Schwerter steckt unterhalb des Stich- blattes gewöhnlich ein kleines Messer mit verziertem Metallgriff; darunter sitzt ein metallener Buckel durch welchen eine seidene Litze gezogen ist, — eine Art Portepée wie es scheint, — die keinen praktischen Nutzen hat. Der Lack der Scheide ist bald schwarz,

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/331>, abgerufen am 16.07.2024.