einigen Läden, und leere Wein- und Bierflaschen, die von den Gesandtschaften herrührten; die Flaschen waren sehr gesucht, und man conservirte sorgfältig ihre bunten Etiquetten.
In den Häusern herrschte durchgängig die grösste Reinlich- keit. Die Wände, Tapeten, Papierscheiben, das Geräth und die Matten waren in fast allen Läden appetitlich sauber, und man scheute sich mit schmutzigen Stiefeln einzutreten. Der Japaner lässt seine Sandalen draussen. Scherz und Lachen würzten jede Unter- haltung; die Eingeborenen sind von Natur dazu aufgelegt und die drolligen Missverständnisse der beiderseitigen Gebehrden und Mienen gaben immer neue Veranlassung. Unsere begleitenden Yakunine, die anfangs zurückhaltend und ängstlich waren und uns mehrfach am Ankaufe von Waffen, Büchern und dergleichen hinderten, über- zeugten sich bald von der Harmlosigkeit dieses Verkehrs, und ver- schafften uns später sogar Vieles, was wir ohne sie aus Unkenntniss nicht erlangt hätten. Sie bewahrten zwar eine gewisse ernste Würde und Zurückhaltung die dem japanischen Samrai unter allen Um- ständen eigen ist, nahmen aber doch Antheil an der Unterhaltung und zeigten sich bei höflicher und vertraulicher Behandlung immer hülfreich, gefällig und aufmerksam. Auf weiteren Spaziergängen kehrte man in die Theehäuser ein und liess die Yakunine mit einer Collation und Saki bewirthen, was ihren guten Humor sehr zu steigern pflegte. "Okino arigato", Grossen Dank, hiess es dann unter vielen Verbeugungen; die Köpfe waren zuweilen etwas ge- röthet, aber alle Schwierigkeiten hörten auf. Diese Stimmung liebens- würdiger Dienstfertigkeit und Zuneigung wurde bald die allgemeine der uns zugetheilten Yakunine; sie lebten gern mit uns. -- Das Handelsquartier zieht sich weit über Nippon-basi hinaus, und man entfernte sich bei diesen Wanderungen oft wohl eine deutsche Meile von Akabane. Häufig wurden wir von dichten Volkshaufen begleitet, doch kamen selten Belästigungen vor; nur zuweilen riefen einige helle Kinderstimmen ihr "Todzin bakka", "Toller Fremder". Ge- wöhnlich fanden sich beim Eintritt durch das Strassenthor zwei Polizeidiener ein, die den Fremden auf dem Wege durch ihren Be- zirk voranschritten um die Menge auseinander zu scheuchen, und ihre langen mit vielen Ringen behangenen eisernen Amtsstäbe tact- mässig auf die Erde stiessen, was einen betäubenden Lärm machte, -- doch war diese Escorte kaum nöthig, denn mit Absicht trat uns Niemand in den Weg, und nur wenn die Hintersten die Vorderen
Wanderungen durch die Strassen. V.
einigen Läden, und leere Wein- und Bierflaschen, die von den Gesandtschaften herrührten; die Flaschen waren sehr gesucht, und man conservirte sorgfältig ihre bunten Etiquetten.
In den Häusern herrschte durchgängig die grösste Reinlich- keit. Die Wände, Tapeten, Papierscheiben, das Geräth und die Matten waren in fast allen Läden appetitlich sauber, und man scheute sich mit schmutzigen Stiefeln einzutreten. Der Japaner lässt seine Sandalen draussen. Scherz und Lachen würzten jede Unter- haltung; die Eingeborenen sind von Natur dazu aufgelegt und die drolligen Missverständnisse der beiderseitigen Gebehrden und Mienen gaben immer neue Veranlassung. Unsere begleitenden Yakunine, die anfangs zurückhaltend und ängstlich waren und uns mehrfach am Ankaufe von Waffen, Büchern und dergleichen hinderten, über- zeugten sich bald von der Harmlosigkeit dieses Verkehrs, und ver- schafften uns später sogar Vieles, was wir ohne sie aus Unkenntniss nicht erlangt hätten. Sie bewahrten zwar eine gewisse ernste Würde und Zurückhaltung die dem japanischen Samraï unter allen Um- ständen eigen ist, nahmen aber doch Antheil an der Unterhaltung und zeigten sich bei höflicher und vertraulicher Behandlung immer hülfreich, gefällig und aufmerksam. Auf weiteren Spaziergängen kehrte man in die Theehäuser ein und liess die Yakunine mit einer Collation und Saki bewirthen, was ihren guten Humor sehr zu steigern pflegte. »Okino aṙigato«, Grossen Dank, hiess es dann unter vielen Verbeugungen; die Köpfe waren zuweilen etwas ge- röthet, aber alle Schwierigkeiten hörten auf. Diese Stimmung liebens- würdiger Dienstfertigkeit und Zuneigung wurde bald die allgemeine der uns zugetheilten Yakunine; sie lebten gern mit uns. — Das Handelsquartier zieht sich weit über Nippon-basi hinaus, und man entfernte sich bei diesen Wanderungen oft wohl eine deutsche Meile von Akabane. Häufig wurden wir von dichten Volkshaufen begleitet, doch kamen selten Belästigungen vor; nur zuweilen riefen einige helle Kinderstimmen ihr »Todžin bakka«, »Toller Fremder«. Ge- wöhnlich fanden sich beim Eintritt durch das Strassenthor zwei Polizeidiener ein, die den Fremden auf dem Wege durch ihren Be- zirk voranschritten um die Menge auseinander zu scheuchen, und ihre langen mit vielen Ringen behangenen eisernen Amtsstäbe tact- mässig auf die Erde stiessen, was einen betäubenden Lärm machte, — doch war diese Escorte kaum nöthig, denn mit Absicht trat uns Niemand in den Weg, und nur wenn die Hintersten die Vorderen
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Wanderungen durch die Strassen. V.
einigen Läden, und leere Wein- und Bierflaschen, die von den
Gesandtschaften herrührten; die Flaschen waren sehr gesucht, und
man conservirte sorgfältig ihre bunten Etiquetten.
In den Häusern herrschte durchgängig die grösste Reinlich-
keit. Die Wände, Tapeten, Papierscheiben, das Geräth und die
Matten waren in fast allen Läden appetitlich sauber, und man
scheute sich mit schmutzigen Stiefeln einzutreten. Der Japaner lässt
seine Sandalen draussen. Scherz und Lachen würzten jede Unter-
haltung; die Eingeborenen sind von Natur dazu aufgelegt und die
drolligen Missverständnisse der beiderseitigen Gebehrden und Mienen
gaben immer neue Veranlassung. Unsere begleitenden Yakunine,
die anfangs zurückhaltend und ängstlich waren und uns mehrfach
am Ankaufe von Waffen, Büchern und dergleichen hinderten, über-
zeugten sich bald von der Harmlosigkeit dieses Verkehrs, und ver-
schafften uns später sogar Vieles, was wir ohne sie aus Unkenntniss
nicht erlangt hätten. Sie bewahrten zwar eine gewisse ernste Würde
und Zurückhaltung die dem japanischen Samraï unter allen Um-
ständen eigen ist, nahmen aber doch Antheil an der Unterhaltung
und zeigten sich bei höflicher und vertraulicher Behandlung immer
hülfreich, gefällig und aufmerksam. Auf weiteren Spaziergängen
kehrte man in die Theehäuser ein und liess die Yakunine mit einer
Collation und Saki bewirthen, was ihren guten Humor sehr zu
steigern pflegte. »Okino aṙigato«, Grossen Dank, hiess es dann
unter vielen Verbeugungen; die Köpfe waren zuweilen etwas ge-
röthet, aber alle Schwierigkeiten hörten auf. Diese Stimmung liebens-
würdiger Dienstfertigkeit und Zuneigung wurde bald die allgemeine
der uns zugetheilten Yakunine; sie lebten gern mit uns. — Das
Handelsquartier zieht sich weit über Nippon-basi hinaus, und man
entfernte sich bei diesen Wanderungen oft wohl eine deutsche Meile
von Akabane. Häufig wurden wir von dichten Volkshaufen begleitet,
doch kamen selten Belästigungen vor; nur zuweilen riefen einige
helle Kinderstimmen ihr »Todžin bakka«, »Toller Fremder«. Ge-
wöhnlich fanden sich beim Eintritt durch das Strassenthor zwei
Polizeidiener ein, die den Fremden auf dem Wege durch ihren Be-
zirk voranschritten um die Menge auseinander zu scheuchen, und
ihre langen mit vielen Ringen behangenen eisernen Amtsstäbe tact-
mässig auf die Erde stiessen, was einen betäubenden Lärm machte, —
doch war diese Escorte kaum nöthig, denn mit Absicht trat uns
Niemand in den Weg, und nur wenn die Hintersten die Vorderen
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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