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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Die Strassen der Handelsquartiere.
drängten entstand zuweilen eine Stockung. Aber eine drohende Ge-
behrde von unserer Seite oder ein Wink mit dem Fächer von den
Yakuninen jagte namentlich der Jugend immer den grössten Schreck
ein, so dass sie sich blind überstürzten, fielen und von den Nach-
folgenden häufig getreten wurden. Das Volk zeigte uns fast nur
freundliche neugierige Gesichter. Es war etwas ganz Ungewöhnliches
in Yeddo, Fremde zu Fuss auf der Strasse zu treffen; aber zu
Pferde sieht man wenig vom Inhalt der Kaufläden und kann sich
nicht so frei bewegen, deshalb derogirten wir oft lieber unserer
europäischen Würde. Nicht selten geschah es, dass sich fein ge-
kleidete Männer mit höflichem Grusse zu uns gesellten, und an
den Seiten gehend das drängende Volk abzuhalten suchten, auch
Solche die sich unnütz machten wohl tüchtig mit dem Fächer über
den Kopf schlugen -- und das Alles unaufgefordert und nur aus
nationaler Gastfreundschaft.

Die Strassen der Handelsquartiere sind zu allen Tageszeiten
sehr belebt, besonders Abends, wo viele Arbeiter von da in die
Vorstädte zurückkehren; um diese Zeit ist selbst der breite Tokaido
so voll Menschen wie ein Jahrmarkt. Auffallenden Anzügen begegnet
man an den gewöhnlichen Tagen wenig; nur Kinder und junge
Mädchen, die meist in Begleitung ihrer Mütter auf den Strassen
erscheinen, sind artig in bunten Farben geputzt, die Gesichter aber
vielfach durch Schminke entstellt. Namentlich heranwachsenden
Mädchen wird oft das ganze Gesicht nach dem japanischen Schön-
heitsideal angemalt, eine hässliche Maske, unter der die natürlichen
Züge ganz verschwinden, -- die Augen allein behalten Leben. Der
Anzug und Haarputz der Kinder und jungen Mädchen ist zierlich
und geschniegelt und muss viel Zeit und Mühe kosten. -- Züge
von Lastträgern bewegen sich, den tactmässigen Schritt mit einför-
migem Ruf begleitend, durch das Gedränge; die Lasten werden
entweder im Gleichgewicht an beiden Enden eines elastischen Trage-
holzes, oder wenn sie schwer sind, an langen Bambusrohren in
der Mitte aufgehängt, und dann von zwei oder mehreren Personen
auf den Schultern getragen. Jeder Träger ist mit einem vier Fuss
langen Stabe versehen, mit dem er beim Ausruhen das Trageholz
stützt um die Last nicht niedersetzen zu müssen, so auch die
Träger der Kango's und Norimon's 8). Der Krämer, der die Kunden

8) In dem gleichzeitig mit dem vorliegenden Bande von der königlichen Regierung
veröffentlichten ersten Hefte des Werkes "Ansichten aus Japan, China und Siam"
I. 21

V. Die Strassen der Handelsquartiere.
drängten entstand zuweilen eine Stockung. Aber eine drohende Ge-
behrde von unserer Seite oder ein Wink mit dem Fächer von den
Yakuninen jagte namentlich der Jugend immer den grössten Schreck
ein, so dass sie sich blind überstürzten, fielen und von den Nach-
folgenden häufig getreten wurden. Das Volk zeigte uns fast nur
freundliche neugierige Gesichter. Es war etwas ganz Ungewöhnliches
in Yeddo, Fremde zu Fuss auf der Strasse zu treffen; aber zu
Pferde sieht man wenig vom Inhalt der Kaufläden und kann sich
nicht so frei bewegen, deshalb derogirten wir oft lieber unserer
europäischen Würde. Nicht selten geschah es, dass sich fein ge-
kleidete Männer mit höflichem Grusse zu uns gesellten, und an
den Seiten gehend das drängende Volk abzuhalten suchten, auch
Solche die sich unnütz machten wohl tüchtig mit dem Fächer über
den Kopf schlugen — und das Alles unaufgefordert und nur aus
nationaler Gastfreundschaft.

Die Strassen der Handelsquartiere sind zu allen Tageszeiten
sehr belebt, besonders Abends, wo viele Arbeiter von da in die
Vorstädte zurückkehren; um diese Zeit ist selbst der breite Tokaïdo
so voll Menschen wie ein Jahrmarkt. Auffallenden Anzügen begegnet
man an den gewöhnlichen Tagen wenig; nur Kinder und junge
Mädchen, die meist in Begleitung ihrer Mütter auf den Strassen
erscheinen, sind artig in bunten Farben geputzt, die Gesichter aber
vielfach durch Schminke entstellt. Namentlich heranwachsenden
Mädchen wird oft das ganze Gesicht nach dem japanischen Schön-
heitsideal angemalt, eine hässliche Maske, unter der die natürlichen
Züge ganz verschwinden, — die Augen allein behalten Leben. Der
Anzug und Haarputz der Kinder und jungen Mädchen ist zierlich
und geschniegelt und muss viel Zeit und Mühe kosten. — Züge
von Lastträgern bewegen sich, den tactmässigen Schritt mit einför-
migem Ruf begleitend, durch das Gedränge; die Lasten werden
entweder im Gleichgewicht an beiden Enden eines elastischen Trage-
holzes, oder wenn sie schwer sind, an langen Bambusrohren in
der Mitte aufgehängt, und dann von zwei oder mehreren Personen
auf den Schultern getragen. Jeder Träger ist mit einem vier Fuss
langen Stabe versehen, mit dem er beim Ausruhen das Trageholz
stützt um die Last nicht niedersetzen zu müssen, so auch die
Träger der Kaṅgo’s und Norimon’s 8). Der Krämer, der die Kunden

8) In dem gleichzeitig mit dem vorliegenden Bande von der königlichen Regierung
veröffentlichten ersten Hefte des Werkes »Ansichten aus Japan, China und Siam«
I. 21
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[321/0351] V. Die Strassen der Handelsquartiere. drängten entstand zuweilen eine Stockung. Aber eine drohende Ge- behrde von unserer Seite oder ein Wink mit dem Fächer von den Yakuninen jagte namentlich der Jugend immer den grössten Schreck ein, so dass sie sich blind überstürzten, fielen und von den Nach- folgenden häufig getreten wurden. Das Volk zeigte uns fast nur freundliche neugierige Gesichter. Es war etwas ganz Ungewöhnliches in Yeddo, Fremde zu Fuss auf der Strasse zu treffen; aber zu Pferde sieht man wenig vom Inhalt der Kaufläden und kann sich nicht so frei bewegen, deshalb derogirten wir oft lieber unserer europäischen Würde. Nicht selten geschah es, dass sich fein ge- kleidete Männer mit höflichem Grusse zu uns gesellten, und an den Seiten gehend das drängende Volk abzuhalten suchten, auch Solche die sich unnütz machten wohl tüchtig mit dem Fächer über den Kopf schlugen — und das Alles unaufgefordert und nur aus nationaler Gastfreundschaft. Die Strassen der Handelsquartiere sind zu allen Tageszeiten sehr belebt, besonders Abends, wo viele Arbeiter von da in die Vorstädte zurückkehren; um diese Zeit ist selbst der breite Tokaïdo so voll Menschen wie ein Jahrmarkt. Auffallenden Anzügen begegnet man an den gewöhnlichen Tagen wenig; nur Kinder und junge Mädchen, die meist in Begleitung ihrer Mütter auf den Strassen erscheinen, sind artig in bunten Farben geputzt, die Gesichter aber vielfach durch Schminke entstellt. Namentlich heranwachsenden Mädchen wird oft das ganze Gesicht nach dem japanischen Schön- heitsideal angemalt, eine hässliche Maske, unter der die natürlichen Züge ganz verschwinden, — die Augen allein behalten Leben. Der Anzug und Haarputz der Kinder und jungen Mädchen ist zierlich und geschniegelt und muss viel Zeit und Mühe kosten. — Züge von Lastträgern bewegen sich, den tactmässigen Schritt mit einför- migem Ruf begleitend, durch das Gedränge; die Lasten werden entweder im Gleichgewicht an beiden Enden eines elastischen Trage- holzes, oder wenn sie schwer sind, an langen Bambusrohren in der Mitte aufgehängt, und dann von zwei oder mehreren Personen auf den Schultern getragen. Jeder Träger ist mit einem vier Fuss langen Stabe versehen, mit dem er beim Ausruhen das Trageholz stützt um die Last nicht niedersetzen zu müssen, so auch die Träger der Kaṅgo’s und Norimon’s 8). Der Krämer, der die Kunden 8) In dem gleichzeitig mit dem vorliegenden Bande von der königlichen Regierung veröffentlichten ersten Hefte des Werkes »Ansichten aus Japan, China und Siam« I. 21

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/351>, abgerufen am 21.11.2024.