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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Rencontre mit Daimio-Trabanten. V.
der englischen Gesandtschaft zu -- unbewaffnet, wie wir Alle in
der ersten Zeit unserer Anwesenheit zu gehen pflegten, -- als plötz-
lich ein Reiter, mit geröthetem Gesicht und offenbar betrunken, ihm
in den Weg sprengt. Die Herren Berger und Sachse waren etwa
siebzig Schritte zurückgeblieben, und kamen in diesem Augenblick
grade bei einem der zahlreichen Strassenthore an, wo sie gebeten
wurden abzusteigen, und in das Bureau der Polizeiwache zu treten, --
dort sassen schon drei der begleitenden Yakunine und rauchten
Tabak. Vor dem Polizeihause entsteht ein Volksauflauf; der betrun-
kene Samrai reitet wie besessen hin und her, und als Capitän
Jachmann seinen Weg fortsetzen will, greifen zwei Betto's in die
Zügel des Pferdes und führen es ebenfalls nach dem Polizeihause,
wo der Capitän absteigt und sich in die Thür des Gebäudes stellt.
Der Reiter setzt über die niedrige Umzäunung und spornt sein Pferd
grade in das Haus hinein, worauf der Polizeimeister, ein bedächtiger
Herr, die Papierthüren vorschiebt, was nach dortigem Gebrauche
respectirt zu werden scheint, denn der Feind entfernte sich. Einige
Minuten darauf kamen aus dem naheliegenden Palais des Fürsten
von Satsuma drei Reiter, welche die Strasse säuberten, die Herren
einluden ihren Weg fortzusetzen, und sich dann höflich verabschie-
deten. Die Mässigung der preussischen Officiere dem Betrunkenen
gegenüber verdient die grösste Anerkennung, denn ein blutiges Ren-
contre, bei dem überdies durchaus keine Ehre zu holen war, hätte
leicht zu Verwickelungen führen können die jede Möglichkeit des
Vertrages abschnitten. Die anderen Gesandten und ihr Gefolge
hatten ähnliche Auftritte mehrfach erlebt und klagten bitter über
die Indolenz der begleitenden Yakunine, die, statt Gewalt mit
Gewalt zu vertreiben, die Fremden immer zur Ignorirung solcher
Belästigungen zu bewegen suchten. Das war, so lange es sich nur
um die Drohungen Trunkener handelte, gewiss das Klügste; leider
blieben sie aber auch bei ernstlichen Angriffen meist unthätig. --
Graf Eulenburg richtete wegen dieser Begegnung eine Note an den
japanischen Minister der Auswärtigen, worauf die Antwort erfolgte,
dass die beiden schuldigen Yakunine "verurtheilt und arretirt", die
künftigen Begleiter aber zu grösserer Aufmerksamkeit angewiesen
worden seien.

An Sinagava schliesst sich die Vorstadt Omagava; die Häuser-
reihen sind nur durch den Richtplatz unterbrochen, wo die Todes-
strafe an schweren Verbrechern öffentlich vollstreckt wird. Der

Rencontre mit Daïmio-Trabanten. V.
der englischen Gesandtschaft zu — unbewaffnet, wie wir Alle in
der ersten Zeit unserer Anwesenheit zu gehen pflegten, — als plötz-
lich ein Reiter, mit geröthetem Gesicht und offenbar betrunken, ihm
in den Weg sprengt. Die Herren Berger und Sachse waren etwa
siebzig Schritte zurückgeblieben, und kamen in diesem Augenblick
grade bei einem der zahlreichen Strassenthore an, wo sie gebeten
wurden abzusteigen, und in das Bureau der Polizeiwache zu treten, —
dort sassen schon drei der begleitenden Yakunine und rauchten
Tabak. Vor dem Polizeihause entsteht ein Volksauflauf; der betrun-
kene Samraï reitet wie besessen hin und her, und als Capitän
Jachmann seinen Weg fortsetzen will, greifen zwei Betto’s in die
Zügel des Pferdes und führen es ebenfalls nach dem Polizeihause,
wo der Capitän absteigt und sich in die Thür des Gebäudes stellt.
Der Reiter setzt über die niedrige Umzäunung und spornt sein Pferd
grade in das Haus hinein, worauf der Polizeimeister, ein bedächtiger
Herr, die Papierthüren vorschiebt, was nach dortigem Gebrauche
respectirt zu werden scheint, denn der Feind entfernte sich. Einige
Minuten darauf kamen aus dem naheliegenden Palais des Fürsten
von Satsuma drei Reiter, welche die Strasse säuberten, die Herren
einluden ihren Weg fortzusetzen, und sich dann höflich verabschie-
deten. Die Mässigung der preussischen Officiere dem Betrunkenen
gegenüber verdient die grösste Anerkennung, denn ein blutiges Ren-
contre, bei dem überdies durchaus keine Ehre zu holen war, hätte
leicht zu Verwickelungen führen können die jede Möglichkeit des
Vertrages abschnitten. Die anderen Gesandten und ihr Gefolge
hatten ähnliche Auftritte mehrfach erlebt und klagten bitter über
die Indolenz der begleitenden Yakunine, die, statt Gewalt mit
Gewalt zu vertreiben, die Fremden immer zur Ignorirung solcher
Belästigungen zu bewegen suchten. Das war, so lange es sich nur
um die Drohungen Trunkener handelte, gewiss das Klügste; leider
blieben sie aber auch bei ernstlichen Angriffen meist unthätig. —
Graf Eulenburg richtete wegen dieser Begegnung eine Note an den
japanischen Minister der Auswärtigen, worauf die Antwort erfolgte,
dass die beiden schuldigen Yakunine »verurtheilt und arretirt«, die
künftigen Begleiter aber zu grösserer Aufmerksamkeit angewiesen
worden seien.

An Sinagava schliesst sich die Vorstadt Omagava; die Häuser-
reihen sind nur durch den Richtplatz unterbrochen, wo die Todes-
strafe an schweren Verbrechern öffentlich vollstreckt wird. Der

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[334/0364] Rencontre mit Daïmio-Trabanten. V. der englischen Gesandtschaft zu — unbewaffnet, wie wir Alle in der ersten Zeit unserer Anwesenheit zu gehen pflegten, — als plötz- lich ein Reiter, mit geröthetem Gesicht und offenbar betrunken, ihm in den Weg sprengt. Die Herren Berger und Sachse waren etwa siebzig Schritte zurückgeblieben, und kamen in diesem Augenblick grade bei einem der zahlreichen Strassenthore an, wo sie gebeten wurden abzusteigen, und in das Bureau der Polizeiwache zu treten, — dort sassen schon drei der begleitenden Yakunine und rauchten Tabak. Vor dem Polizeihause entsteht ein Volksauflauf; der betrun- kene Samraï reitet wie besessen hin und her, und als Capitän Jachmann seinen Weg fortsetzen will, greifen zwei Betto’s in die Zügel des Pferdes und führen es ebenfalls nach dem Polizeihause, wo der Capitän absteigt und sich in die Thür des Gebäudes stellt. Der Reiter setzt über die niedrige Umzäunung und spornt sein Pferd grade in das Haus hinein, worauf der Polizeimeister, ein bedächtiger Herr, die Papierthüren vorschiebt, was nach dortigem Gebrauche respectirt zu werden scheint, denn der Feind entfernte sich. Einige Minuten darauf kamen aus dem naheliegenden Palais des Fürsten von Satsuma drei Reiter, welche die Strasse säuberten, die Herren einluden ihren Weg fortzusetzen, und sich dann höflich verabschie- deten. Die Mässigung der preussischen Officiere dem Betrunkenen gegenüber verdient die grösste Anerkennung, denn ein blutiges Ren- contre, bei dem überdies durchaus keine Ehre zu holen war, hätte leicht zu Verwickelungen führen können die jede Möglichkeit des Vertrages abschnitten. Die anderen Gesandten und ihr Gefolge hatten ähnliche Auftritte mehrfach erlebt und klagten bitter über die Indolenz der begleitenden Yakunine, die, statt Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, die Fremden immer zur Ignorirung solcher Belästigungen zu bewegen suchten. Das war, so lange es sich nur um die Drohungen Trunkener handelte, gewiss das Klügste; leider blieben sie aber auch bei ernstlichen Angriffen meist unthätig. — Graf Eulenburg richtete wegen dieser Begegnung eine Note an den japanischen Minister der Auswärtigen, worauf die Antwort erfolgte, dass die beiden schuldigen Yakunine »verurtheilt und arretirt«, die künftigen Begleiter aber zu grösserer Aufmerksamkeit angewiesen worden seien. An Sinagava schliesst sich die Vorstadt Omagava; die Häuser- reihen sind nur durch den Richtplatz unterbrochen, wo die Todes- strafe an schweren Verbrechern öffentlich vollstreckt wird. Der

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/364>, abgerufen am 01.06.2024.