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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Omagava. Omori. Reisfelder.
Platz liegt dicht am Meere, ist mit hohem Grase bewachsen und
mit struppigen Hecken umgeben; an den Grenzen stehen Gebet-
säulen, wo die Verurtheilten ihre letzte Andacht verrichten.

Omagava zeichnet sich durch eine unglaubliche Menge von
Spielzeugläden aus, hier müssen die Fabriken sein welche ganz
Yeddo versorgen. Am Ausgange dieser Vorstadt liegt rechts am
Wege der beliebte Theegarten von Megaske oder Omori, das
Pflaumenhaus, dessen hübsche Aufwärterinnen grosse Freundschaft
für die Fremden zeigten und besonders von den Officieren und
Cadetten unserer Kriegsschiffe oft besucht wurden; sie waren sehr
heiter und neugierig und lernten manche deutsche Redensart. Die
fremden Gäste nahmen gewöhnlich in einem freundlichen Pavillon
Platz, dessen Zimmer sich nach dem Garten öffnen; die vordere
Wand war entfernt und man sass wie im Freien. Der Garten ist
eine niedliche Anlage mit Goldfischteichen, kleinen Brücken, künst-
lichen Felsen und Zwergbäumen aller Art, Alles so sauber und
geschniegelt wie die Mädchen selbst, die geschäftig hin- und
hertrippelten, und Thee, Weintrauben und Eier herbeizubringen
pflegten. Einige betrugen sich etwas ausgelassen, andere mit
naiver Schüchternheit; im Ganzen war ihr Benehmen lebhaft und
zuthulich, aber durchaus anständig und wohlerzogen. -- In einem
stillen Winkel des Gärtchens liegt unter schattigem Gebüsch eine
kleine Mia, wo die artigen Bewohnerinnen ihre Andacht zu ver-
richten pflegen.

Omori ist etwa anderthalb deutsche Meilen von Akabane
entfernt. Biegt man hier vom Tokaido rechts in die Reisfelder ein,
so gelangt man bald in das Hügelland. Der Weg durch die Reis-
culturen ist beschwerlich zu reiten, er liegt auf den schmalen die
sumpfigen Aecker durchkreuzenden Dämmen, welche in kurzen Ent-
fernungen von engen Canälen geschnitten werden; die darüber füh-
renden Brückenstege aus einer Steinplanke sind den Pferden beson-
ders gefährlich, für Cavallerie wäre das Terrain ganz unzugänglich.
Bei raschem Reiten in grosser Cavalcade plumpte fast jedes Mal
Dieser oder Jener in den Morast; -- man trabte Einer hinter dem
Anderen, und wenn auch der Erste, der allein vor sich sehen
konnte, noch so laut "Brücke" schrie und die Folgenden es wie-
derholten, so kam doch häufig die Warnung zu spät. Ernsten
Schaden hat Niemand dabei genommen, aber für den Spott brauchte
man nach dem Schmutzbade nicht zu sorgen.


V. Omagava. Omori. Reisfelder.
Platz liegt dicht am Meere, ist mit hohem Grase bewachsen und
mit struppigen Hecken umgeben; an den Grenzen stehen Gebet-
säulen, wo die Verurtheilten ihre letzte Andacht verrichten.

Omagava zeichnet sich durch eine unglaubliche Menge von
Spielzeugläden aus, hier müssen die Fabriken sein welche ganz
Yeddo versorgen. Am Ausgange dieser Vorstadt liegt rechts am
Wege der beliebte Theegarten von Megaske oder Omori, das
Pflaumenhaus, dessen hübsche Aufwärterinnen grosse Freundschaft
für die Fremden zeigten und besonders von den Officieren und
Cadetten unserer Kriegsschiffe oft besucht wurden; sie waren sehr
heiter und neugierig und lernten manche deutsche Redensart. Die
fremden Gäste nahmen gewöhnlich in einem freundlichen Pavillon
Platz, dessen Zimmer sich nach dem Garten öffnen; die vordere
Wand war entfernt und man sass wie im Freien. Der Garten ist
eine niedliche Anlage mit Goldfischteichen, kleinen Brücken, künst-
lichen Felsen und Zwergbäumen aller Art, Alles so sauber und
geschniegelt wie die Mädchen selbst, die geschäftig hin- und
hertrippelten, und Thee, Weintrauben und Eier herbeizubringen
pflegten. Einige betrugen sich etwas ausgelassen, andere mit
naiver Schüchternheit; im Ganzen war ihr Benehmen lebhaft und
zuthulich, aber durchaus anständig und wohlerzogen. — In einem
stillen Winkel des Gärtchens liegt unter schattigem Gebüsch eine
kleine Mia, wo die artigen Bewohnerinnen ihre Andacht zu ver-
richten pflegen.

Omori ist etwa anderthalb deutsche Meilen von Akabane
entfernt. Biegt man hier vom Tokaïdo rechts in die Reisfelder ein,
so gelangt man bald in das Hügelland. Der Weg durch die Reis-
culturen ist beschwerlich zu reiten, er liegt auf den schmalen die
sumpfigen Aecker durchkreuzenden Dämmen, welche in kurzen Ent-
fernungen von engen Canälen geschnitten werden; die darüber füh-
renden Brückenstege aus einer Steinplanke sind den Pferden beson-
ders gefährlich, für Cavallerie wäre das Terrain ganz unzugänglich.
Bei raschem Reiten in grosser Cavalcade plumpte fast jedes Mal
Dieser oder Jener in den Morast; — man trabte Einer hinter dem
Anderen, und wenn auch der Erste, der allein vor sich sehen
konnte, noch so laut »Brücke« schrie und die Folgenden es wie-
derholten, so kam doch häufig die Warnung zu spät. Ernsten
Schaden hat Niemand dabei genommen, aber für den Spott brauchte
man nach dem Schmutzbade nicht zu sorgen.


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[335/0365] V. Omagava. Omori. Reisfelder. Platz liegt dicht am Meere, ist mit hohem Grase bewachsen und mit struppigen Hecken umgeben; an den Grenzen stehen Gebet- säulen, wo die Verurtheilten ihre letzte Andacht verrichten. Omagava zeichnet sich durch eine unglaubliche Menge von Spielzeugläden aus, hier müssen die Fabriken sein welche ganz Yeddo versorgen. Am Ausgange dieser Vorstadt liegt rechts am Wege der beliebte Theegarten von Megaske oder Omori, das Pflaumenhaus, dessen hübsche Aufwärterinnen grosse Freundschaft für die Fremden zeigten und besonders von den Officieren und Cadetten unserer Kriegsschiffe oft besucht wurden; sie waren sehr heiter und neugierig und lernten manche deutsche Redensart. Die fremden Gäste nahmen gewöhnlich in einem freundlichen Pavillon Platz, dessen Zimmer sich nach dem Garten öffnen; die vordere Wand war entfernt und man sass wie im Freien. Der Garten ist eine niedliche Anlage mit Goldfischteichen, kleinen Brücken, künst- lichen Felsen und Zwergbäumen aller Art, Alles so sauber und geschniegelt wie die Mädchen selbst, die geschäftig hin- und hertrippelten, und Thee, Weintrauben und Eier herbeizubringen pflegten. Einige betrugen sich etwas ausgelassen, andere mit naiver Schüchternheit; im Ganzen war ihr Benehmen lebhaft und zuthulich, aber durchaus anständig und wohlerzogen. — In einem stillen Winkel des Gärtchens liegt unter schattigem Gebüsch eine kleine Mia, wo die artigen Bewohnerinnen ihre Andacht zu ver- richten pflegen. Omori ist etwa anderthalb deutsche Meilen von Akabane entfernt. Biegt man hier vom Tokaïdo rechts in die Reisfelder ein, so gelangt man bald in das Hügelland. Der Weg durch die Reis- culturen ist beschwerlich zu reiten, er liegt auf den schmalen die sumpfigen Aecker durchkreuzenden Dämmen, welche in kurzen Ent- fernungen von engen Canälen geschnitten werden; die darüber füh- renden Brückenstege aus einer Steinplanke sind den Pferden beson- ders gefährlich, für Cavallerie wäre das Terrain ganz unzugänglich. Bei raschem Reiten in grosser Cavalcade plumpte fast jedes Mal Dieser oder Jener in den Morast; — man trabte Einer hinter dem Anderen, und wenn auch der Erste, der allein vor sich sehen konnte, noch so laut »Brücke« schrie und die Folgenden es wie- derholten, so kam doch häufig die Warnung zu spät. Ernsten Schaden hat Niemand dabei genommen, aber für den Spott brauchte man nach dem Schmutzbade nicht zu sorgen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/365>, abgerufen am 21.11.2024.