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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Greuelscenen. Schiessbuden.
Rechts vom Eingang tritt man auf modernden Brettern über eine
sumpfige Stelle, in der ein verwesender Leichnam steckt; das hohl-
äugige Gerippe -- kein wirkliches -- liegt unter Schlamm und
Pflanzenresten halb verborgen, so dass die Phantasie noch mehr
als das Auge sieht, und um den Blick recht hinzulenken scharrt und
pickt ein lebendiger Rabe daran herum. Es ist nur ein schmaler
Durchgang, nach dem Innern des Gebäudes dunkel, nach aussen
von einem Bretterzaun geschlossen, -- so dass durch die von der
Seite hineinreichenden Baumzweige der Himmel glänzt, -- und so
unheimlich und natürlich decorirt, dass man die Schaubude ganz
vergisst. -- In dem nächsten Raum hing ein Gekreuzigter mit dem
Messer in der Brust, dann kam ein Galgen mit blutigem Haupt,
ferner Spukscenen, wo durch Beleuchtung und grausenhafte Ge-
stalten das Mögliche in entsetzlichen Wirkungen geleistet war.
Hier bewegten sich einzelne Figuren: Gespenster stiegen aus alten
Tonnen und guckten über Zäune, auch Katzen und anderes nächt-
liche Gethier spielten mit. -- Man musste das raffinirte Studium des
Grässlichen in der Natur und der menschlichen Einbildungskraft be-
wundern. Einen komischen Eindruck dagegen machte die auf einer
kleinen Bühne gespielte Schlussscene: zwei Schatzgräber oder Diebe
bringen eine Kiste, aus der ein humoristisches Gespenst hervorsteigt
um jene mit possenhaftem Spuk zu peinigen.

An der einen Seite des freien Platzes steht eine Reihe ele-
ganter Schiessbuden. Die Vorderseite ist offen; dort sitzt der Eigen-
thümer auf der Matte mit einer Reihe zierlich gearbeiteter Miniatur-
bogen und Pfeile vor sich. Im Grunde des Gemaches sind vor
einer Drapirung Holzscheiben von der Grösse eines Thalers und
etwas grössere aufgehängt; die vorn breiten Pfeile prallen mit hellem
Klang davon ab. Einige von uns bemühten sich vergebens die
Ziele zu treffen, aber der Eigenthümer schoss, dazu aufgefordert,
lächelnd und ohne sich von seinem Platze zu rühren ein Dutzend
Pfeile hintereinander auf die thalergrosse Scheibe. Es sah aus wie
ein magnetisches Kunststück, denn der Schütze schien nicht einmal
zu zielen, sondern legte nachlässig und fast ohne hinzusehen einen
Pfeil nach dem anderen auf die Sehne.

Der bunte Jahrmarkt des Kuannon-Tempels ist sehr anzie-
hend und bot bei jedem späteren Besuche neue Unterhaltung; er
scheint das ganze Jahr durch zu währen und ein Hauptvergnügungs-
ort für die Bewohner der Hauptstadt zu sein. Bunte Gruppen

V. Greuelscenen. Schiessbuden.
Rechts vom Eingang tritt man auf modernden Brettern über eine
sumpfige Stelle, in der ein verwesender Leichnam steckt; das hohl-
äugige Gerippe — kein wirkliches — liegt unter Schlamm und
Pflanzenresten halb verborgen, so dass die Phantasie noch mehr
als das Auge sieht, und um den Blick recht hinzulenken scharrt und
pickt ein lebendiger Rabe daran herum. Es ist nur ein schmaler
Durchgang, nach dem Innern des Gebäudes dunkel, nach aussen
von einem Bretterzaun geschlossen, — so dass durch die von der
Seite hineinreichenden Baumzweige der Himmel glänzt, — und so
unheimlich und natürlich decorirt, dass man die Schaubude ganz
vergisst. — In dem nächsten Raum hing ein Gekreuzigter mit dem
Messer in der Brust, dann kam ein Galgen mit blutigem Haupt,
ferner Spukscenen, wo durch Beleuchtung und grausenhafte Ge-
stalten das Mögliche in entsetzlichen Wirkungen geleistet war.
Hier bewegten sich einzelne Figuren: Gespenster stiegen aus alten
Tonnen und guckten über Zäune, auch Katzen und anderes nächt-
liche Gethier spielten mit. — Man musste das raffinirte Studium des
Grässlichen in der Natur und der menschlichen Einbildungskraft be-
wundern. Einen komischen Eindruck dagegen machte die auf einer
kleinen Bühne gespielte Schlussscene: zwei Schatzgräber oder Diebe
bringen eine Kiste, aus der ein humoristisches Gespenst hervorsteigt
um jene mit possenhaftem Spuk zu peinigen.

An der einen Seite des freien Platzes steht eine Reihe ele-
ganter Schiessbuden. Die Vorderseite ist offen; dort sitzt der Eigen-
thümer auf der Matte mit einer Reihe zierlich gearbeiteter Miniatur-
bogen und Pfeile vor sich. Im Grunde des Gemaches sind vor
einer Drapirung Holzscheiben von der Grösse eines Thalers und
etwas grössere aufgehängt; die vorn breiten Pfeile prallen mit hellem
Klang davon ab. Einige von uns bemühten sich vergebens die
Ziele zu treffen, aber der Eigenthümer schoss, dazu aufgefordert,
lächelnd und ohne sich von seinem Platze zu rühren ein Dutzend
Pfeile hintereinander auf die thalergrosse Scheibe. Es sah aus wie
ein magnetisches Kunststück, denn der Schütze schien nicht einmal
zu zielen, sondern legte nachlässig und fast ohne hinzusehen einen
Pfeil nach dem anderen auf die Sehne.

Der bunte Jahrmarkt des Kuannon-Tempels ist sehr anzie-
hend und bot bei jedem späteren Besuche neue Unterhaltung; er
scheint das ganze Jahr durch zu währen und ein Hauptvergnügungs-
ort für die Bewohner der Hauptstadt zu sein. Bunte Gruppen

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[343/0373] V. Greuelscenen. Schiessbuden. Rechts vom Eingang tritt man auf modernden Brettern über eine sumpfige Stelle, in der ein verwesender Leichnam steckt; das hohl- äugige Gerippe — kein wirkliches — liegt unter Schlamm und Pflanzenresten halb verborgen, so dass die Phantasie noch mehr als das Auge sieht, und um den Blick recht hinzulenken scharrt und pickt ein lebendiger Rabe daran herum. Es ist nur ein schmaler Durchgang, nach dem Innern des Gebäudes dunkel, nach aussen von einem Bretterzaun geschlossen, — so dass durch die von der Seite hineinreichenden Baumzweige der Himmel glänzt, — und so unheimlich und natürlich decorirt, dass man die Schaubude ganz vergisst. — In dem nächsten Raum hing ein Gekreuzigter mit dem Messer in der Brust, dann kam ein Galgen mit blutigem Haupt, ferner Spukscenen, wo durch Beleuchtung und grausenhafte Ge- stalten das Mögliche in entsetzlichen Wirkungen geleistet war. Hier bewegten sich einzelne Figuren: Gespenster stiegen aus alten Tonnen und guckten über Zäune, auch Katzen und anderes nächt- liche Gethier spielten mit. — Man musste das raffinirte Studium des Grässlichen in der Natur und der menschlichen Einbildungskraft be- wundern. Einen komischen Eindruck dagegen machte die auf einer kleinen Bühne gespielte Schlussscene: zwei Schatzgräber oder Diebe bringen eine Kiste, aus der ein humoristisches Gespenst hervorsteigt um jene mit possenhaftem Spuk zu peinigen. An der einen Seite des freien Platzes steht eine Reihe ele- ganter Schiessbuden. Die Vorderseite ist offen; dort sitzt der Eigen- thümer auf der Matte mit einer Reihe zierlich gearbeiteter Miniatur- bogen und Pfeile vor sich. Im Grunde des Gemaches sind vor einer Drapirung Holzscheiben von der Grösse eines Thalers und etwas grössere aufgehängt; die vorn breiten Pfeile prallen mit hellem Klang davon ab. Einige von uns bemühten sich vergebens die Ziele zu treffen, aber der Eigenthümer schoss, dazu aufgefordert, lächelnd und ohne sich von seinem Platze zu rühren ein Dutzend Pfeile hintereinander auf die thalergrosse Scheibe. Es sah aus wie ein magnetisches Kunststück, denn der Schütze schien nicht einmal zu zielen, sondern legte nachlässig und fast ohne hinzusehen einen Pfeil nach dem anderen auf die Sehne. Der bunte Jahrmarkt des Kuannon-Tempels ist sehr anzie- hend und bot bei jedem späteren Besuche neue Unterhaltung; er scheint das ganze Jahr durch zu währen und ein Hauptvergnügungs- ort für die Bewohner der Hauptstadt zu sein. Bunte Gruppen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/373>, abgerufen am 21.11.2024.