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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Kunstgärtnerei. Der O-gava. V.
beleben die schattigen Plätze, geputzte Frauen und Kinder wan-
deln die bunten Buden entlang, oder füttern Hühner und Tauben,
die hier zur Belustigung des Volkes in grossen Schwärmen gehalten
werden; überall sitzen Verkäuferinnen mit wohlfeilem Futter.

Wir zogen uns endlich, des Getreibes müde, in einen am
Rande des Grundstückes gelegenen Theegarten zurück, dessen
hübsche Anlagen einen weiten Blick auf das freie Feld bieten, --
denn man befindet sich hier am nördlichen Rande der Stadt. Mit
diesem Theehause ist eine Kunstgärtnerei verbunden, in welcher
damals unter anderen schönen Topfgewächsen ein Baumfarren von
vier Fuss Höhe zum Verkauf stand. -- Unsere Betto's gingen von
Asaksa aus mit den Pferden zurück; wir selbst setzten uns bei der
Brücke in Boote und fuhren den O-gava hinunter. Die Boote sind
bedeckt und wie alles Japanische von der saubersten, ja von zier-
licher Arbeit; sie haben keinen Anstrich sondern die natürliche
helle Holzfarbe, und sind mit Streifen und Buckeln von Kupfer
sauber gefugt, die im Wasser gehenden Theile aber schwarz ge-
brannt. Die Ruder haben an der Stelle, wo sie auf dem Pflock
liegen, eine leichte Biegung, und werden von den stehenden Ruderern
hin- und herbewegt, aber niemals aus dem Wasser gezogen, was
einen schnellen und gleichmässigen Lauf erzeugt. Die Bauart dieser
Boote wird von den Seeleuten sehr gerühmt; sie haben einen flachen
Boden, sollen trotzdem aber schnell und sicher sein, was man den
japanischen Dschunken eben nicht nachrühmen kann. Letztere
müssen seit dem Verbot nach dem Auslande zu fahren alle nach
Vorschrift mit offenem Hintertheil gebaut werden; sie haben nur
einen unmerklichen Kiel, können die hohe See nicht halten und
sind nur zu Küstenfahrten tauglich, wo denn bei schlechtem Wetter
gleich ein schützender Hafen gesucht wird. Ihre Gestalt ist plump
und alterthümlich, mit hohem Hintertheil und abschüssigem Verdeck;
in der Mitte steht der Hauptmast mit einem einzigen grossen Segel,
das aus mehreren senkrecht laufenden Bahnen schweren Baum-
wollenzeuges zusammengeschnürt ist; die Luft streicht frei durch
die Zwischenräume. Statt wie die westlichen Nationen ihre Segel
von oben zu reffen kürzen die Japaner sie von der Seite durch
Entfernung eines oder mehrerer Streifen. Gebläht sieht solch Segel
recht malerisch, etwas steppdeckenartig aus; im Hafen wird es mit
Strohmatten umwickelt. Das Steuerruder ist sehr plump, hängt in
Seilen und kann aus dem Wasser gehoben werden. Die Dschunken

Kunstgärtnerei. Der O-gava. V.
beleben die schattigen Plätze, geputzte Frauen und Kinder wan-
deln die bunten Buden entlang, oder füttern Hühner und Tauben,
die hier zur Belustigung des Volkes in grossen Schwärmen gehalten
werden; überall sitzen Verkäuferinnen mit wohlfeilem Futter.

Wir zogen uns endlich, des Getreibes müde, in einen am
Rande des Grundstückes gelegenen Theegarten zurück, dessen
hübsche Anlagen einen weiten Blick auf das freie Feld bieten, —
denn man befindet sich hier am nördlichen Rande der Stadt. Mit
diesem Theehause ist eine Kunstgärtnerei verbunden, in welcher
damals unter anderen schönen Topfgewächsen ein Baumfarren von
vier Fuss Höhe zum Verkauf stand. — Unsere Betto’s gingen von
Asaksa aus mit den Pferden zurück; wir selbst setzten uns bei der
Brücke in Boote und fuhren den O-gava hinunter. Die Boote sind
bedeckt und wie alles Japanische von der saubersten, ja von zier-
licher Arbeit; sie haben keinen Anstrich sondern die natürliche
helle Holzfarbe, und sind mit Streifen und Buckeln von Kupfer
sauber gefugt, die im Wasser gehenden Theile aber schwarz ge-
brannt. Die Ruder haben an der Stelle, wo sie auf dem Pflock
liegen, eine leichte Biegung, und werden von den stehenden Ruderern
hin- und herbewegt, aber niemals aus dem Wasser gezogen, was
einen schnellen und gleichmässigen Lauf erzeugt. Die Bauart dieser
Boote wird von den Seeleuten sehr gerühmt; sie haben einen flachen
Boden, sollen trotzdem aber schnell und sicher sein, was man den
japanischen Dschunken eben nicht nachrühmen kann. Letztere
müssen seit dem Verbot nach dem Auslande zu fahren alle nach
Vorschrift mit offenem Hintertheil gebaut werden; sie haben nur
einen unmerklichen Kiel, können die hohe See nicht halten und
sind nur zu Küstenfahrten tauglich, wo denn bei schlechtem Wetter
gleich ein schützender Hafen gesucht wird. Ihre Gestalt ist plump
und alterthümlich, mit hohem Hintertheil und abschüssigem Verdeck;
in der Mitte steht der Hauptmast mit einem einzigen grossen Segel,
das aus mehreren senkrecht laufenden Bahnen schweren Baum-
wollenzeuges zusammengeschnürt ist; die Luft streicht frei durch
die Zwischenräume. Statt wie die westlichen Nationen ihre Segel
von oben zu reffen kürzen die Japaner sie von der Seite durch
Entfernung eines oder mehrerer Streifen. Gebläht sieht solch Segel
recht malerisch, etwas steppdeckenartig aus; im Hafen wird es mit
Strohmatten umwickelt. Das Steuerruder ist sehr plump, hängt in
Seilen und kann aus dem Wasser gehoben werden. Die Dschunken

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[344/0374] Kunstgärtnerei. Der O-gava. V. beleben die schattigen Plätze, geputzte Frauen und Kinder wan- deln die bunten Buden entlang, oder füttern Hühner und Tauben, die hier zur Belustigung des Volkes in grossen Schwärmen gehalten werden; überall sitzen Verkäuferinnen mit wohlfeilem Futter. Wir zogen uns endlich, des Getreibes müde, in einen am Rande des Grundstückes gelegenen Theegarten zurück, dessen hübsche Anlagen einen weiten Blick auf das freie Feld bieten, — denn man befindet sich hier am nördlichen Rande der Stadt. Mit diesem Theehause ist eine Kunstgärtnerei verbunden, in welcher damals unter anderen schönen Topfgewächsen ein Baumfarren von vier Fuss Höhe zum Verkauf stand. — Unsere Betto’s gingen von Asaksa aus mit den Pferden zurück; wir selbst setzten uns bei der Brücke in Boote und fuhren den O-gava hinunter. Die Boote sind bedeckt und wie alles Japanische von der saubersten, ja von zier- licher Arbeit; sie haben keinen Anstrich sondern die natürliche helle Holzfarbe, und sind mit Streifen und Buckeln von Kupfer sauber gefugt, die im Wasser gehenden Theile aber schwarz ge- brannt. Die Ruder haben an der Stelle, wo sie auf dem Pflock liegen, eine leichte Biegung, und werden von den stehenden Ruderern hin- und herbewegt, aber niemals aus dem Wasser gezogen, was einen schnellen und gleichmässigen Lauf erzeugt. Die Bauart dieser Boote wird von den Seeleuten sehr gerühmt; sie haben einen flachen Boden, sollen trotzdem aber schnell und sicher sein, was man den japanischen Dschunken eben nicht nachrühmen kann. Letztere müssen seit dem Verbot nach dem Auslande zu fahren alle nach Vorschrift mit offenem Hintertheil gebaut werden; sie haben nur einen unmerklichen Kiel, können die hohe See nicht halten und sind nur zu Küstenfahrten tauglich, wo denn bei schlechtem Wetter gleich ein schützender Hafen gesucht wird. Ihre Gestalt ist plump und alterthümlich, mit hohem Hintertheil und abschüssigem Verdeck; in der Mitte steht der Hauptmast mit einem einzigen grossen Segel, das aus mehreren senkrecht laufenden Bahnen schweren Baum- wollenzeuges zusammengeschnürt ist; die Luft streicht frei durch die Zwischenräume. Statt wie die westlichen Nationen ihre Segel von oben zu reffen kürzen die Japaner sie von der Seite durch Entfernung eines oder mehrerer Streifen. Gebläht sieht solch Segel recht malerisch, etwas steppdeckenartig aus; im Hafen wird es mit Strohmatten umwickelt. Das Steuerruder ist sehr plump, hängt in Seilen und kann aus dem Wasser gehoben werden. Die Dschunken

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/374>, abgerufen am 22.11.2024.