werden so wenig angestrichen als kleinere Schiffe, sehen aber trotz- dem immer reinlich und neu aus; man findet kaum ein verwittertes Fahrzeug.
Wir glitten sanft den Strom hinab, unter den vier grossen immer sehr belebten Brücken hindurch; der Verkehr auf dem Fluss scheint unbedeutend zu sein. Seine Ufer sind streckenweise mit breiten Quais gesäumt; am westlichen liegen, recht in das Wasser hineingebaut, viele Waarenspeicher und feuerfeste Packhäuser. -- Am Ausflusse des O-gava ankerten bei dem Marine-Arsenal zahl- reiche Dschunken. Die Fahrt wandte sich nun rechts dem Seeufer entlang, an grünen Batterieen und dem Sommersitze des Taikun vorbei, dessen Gärten hinter Rasenwällen versteckt liegen. Weiter- hin bogen die Boote in einen Einschnitt ein, wo uns am Landungs- platze die Pferde erwarteten und schnell zum späten Mittagsmal nach Akabane trugen.
Ein anderes Mal ritten wir nach Gobiako-Lakan, dem Tempel der fünfhundert Bildsäulen, welcher jenseit des O-gava in einem abgelegenen Theile des Hondzo liegt. Der Weg führt zuerst durch das Handelsquartier, dann über eine der grossen Pfahlbrücken. Die Strassen des Hondzo sind weniger belebt als die der gegenüber- liegenden Stadttheile; man kommt an grossen Holzplätzen vorbei, dann auf ganz unbebaute Strecken, wo die Strassen nur abgesteckt sind und der Blick in weite Ferne schweift. Gobiako-Lakan liegt so zu sagen auf freiem Felde. Der Haupttempel ist durch ein Erd- beben arg zusammengerüttelt und alle Bretter so kreuz und queer durcheinandergeschoben, dass man kaum begreift, wie sich der Bau noch aufrecht hält; die Aufstellung der fünfhundert Buddabilder in einem anderen Gebäude scheint nur provisorisch zu sein. Man tritt in eine schmale Gallerie, die, nach dem Inneren des Gebäudes offen, sanft ansteigend an den Wänden hinführt. Hier stehen die Bildsäulen mit dem Rücken gegen die Mauer; sie sind meist ver- goldet, von Holz oder Bronze, unter Lebensgrösse, und stellen den indischen Gott in allen möglichen Eigenschaften und Situationen dar. Manche sind vielarmig, die Hände halten dann jede ein beson- deres Symbol seiner Macht oder Thätigkeit. Von der ernsten plastischen Schönheit der älteren japanischen Bronzestatuen des Budda findet sich in diesen Bildwerken wenig; sie sind gechickt gearbeitet, aber von geringem Kunstwerth. -- In einer Ecke des Tempelhofes steht das geräumige Wohnhaus der Bonzen, wo wir
V. Bootsfahrt. Gobiako-Lakan.
werden so wenig angestrichen als kleinere Schiffe, sehen aber trotz- dem immer reinlich und neu aus; man findet kaum ein verwittertes Fahrzeug.
Wir glitten sanft den Strom hinab, unter den vier grossen immer sehr belebten Brücken hindurch; der Verkehr auf dem Fluss scheint unbedeutend zu sein. Seine Ufer sind streckenweise mit breiten Quais gesäumt; am westlichen liegen, recht in das Wasser hineingebaut, viele Waarenspeicher und feuerfeste Packhäuser. — Am Ausflusse des O-gava ankerten bei dem Marine-Arsenal zahl- reiche Dschunken. Die Fahrt wandte sich nun rechts dem Seeufer entlang, an grünen Batterieen und dem Sommersitze des Taïkūn vorbei, dessen Gärten hinter Rasenwällen versteckt liegen. Weiter- hin bogen die Boote in einen Einschnitt ein, wo uns am Landungs- platze die Pferde erwarteten und schnell zum späten Mittagsmal nach Akabane trugen.
Ein anderes Mal ritten wir nach Gobiako-Lakan, dem Tempel der fünfhundert Bildsäulen, welcher jenseit des O-gava in einem abgelegenen Theile des Hondžo liegt. Der Weg führt zuerst durch das Handelsquartier, dann über eine der grossen Pfahlbrücken. Die Strassen des Hondžo sind weniger belebt als die der gegenüber- liegenden Stadttheile; man kommt an grossen Holzplätzen vorbei, dann auf ganz unbebaute Strecken, wo die Strassen nur abgesteckt sind und der Blick in weite Ferne schweift. Gobiako-Lakan liegt so zu sagen auf freiem Felde. Der Haupttempel ist durch ein Erd- beben arg zusammengerüttelt und alle Bretter so kreuz und queer durcheinandergeschoben, dass man kaum begreift, wie sich der Bau noch aufrecht hält; die Aufstellung der fünfhundert Buddabilder in einem anderen Gebäude scheint nur provisorisch zu sein. Man tritt in eine schmale Gallerie, die, nach dem Inneren des Gebäudes offen, sanft ansteigend an den Wänden hinführt. Hier stehen die Bildsäulen mit dem Rücken gegen die Mauer; sie sind meist ver- goldet, von Holz oder Bronze, unter Lebensgrösse, und stellen den indischen Gott in allen möglichen Eigenschaften und Situationen dar. Manche sind vielarmig, die Hände halten dann jede ein beson- deres Symbol seiner Macht oder Thätigkeit. Von der ernsten plastischen Schönheit der älteren japanischen Bronzestatuen des Budda findet sich in diesen Bildwerken wenig; sie sind gechickt gearbeitet, aber von geringem Kunstwerth. — In einer Ecke des Tempelhofes steht das geräumige Wohnhaus der Bonzen, wo wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0375"n="345"/><fwplace="top"type="header">V. Bootsfahrt. <hirendition="#k">Gobiako-Lakan</hi>.</fw><lb/>
werden so wenig angestrichen als kleinere Schiffe, sehen aber trotz-<lb/>
dem immer reinlich und neu aus; man findet kaum ein verwittertes<lb/>
Fahrzeug.</p><lb/><p>Wir glitten sanft den Strom hinab, unter den vier grossen<lb/>
immer sehr belebten Brücken hindurch; der Verkehr auf dem Fluss<lb/>
scheint unbedeutend zu sein. Seine Ufer sind streckenweise mit<lb/>
breiten Quais gesäumt; am westlichen liegen, recht in das Wasser<lb/>
hineingebaut, viele Waarenspeicher und feuerfeste Packhäuser. —<lb/>
Am Ausflusse des <hirendition="#k"><placeName>O-gava</placeName></hi> ankerten bei dem Marine-Arsenal zahl-<lb/>
reiche Dschunken. Die Fahrt wandte sich nun rechts dem Seeufer<lb/>
entlang, an grünen Batterieen und dem Sommersitze des <hirendition="#k">Taïkūn</hi><lb/>
vorbei, dessen Gärten hinter Rasenwällen versteckt liegen. Weiter-<lb/>
hin bogen die Boote in einen Einschnitt ein, wo uns am Landungs-<lb/>
platze die Pferde erwarteten und schnell zum späten Mittagsmal<lb/>
nach <hirendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi> trugen.</p><lb/><p>Ein anderes Mal ritten wir nach <hirendition="#k">Gobiako-Lakan</hi>, dem<lb/>
Tempel der fünfhundert Bildsäulen, welcher jenseit des <hirendition="#k"><placeName>O-gava</placeName></hi> in<lb/>
einem abgelegenen Theile des <hirendition="#k"><placeName>Hondžo</placeName></hi> liegt. Der Weg führt zuerst<lb/>
durch das Handelsquartier, dann über eine der grossen Pfahlbrücken.<lb/>
Die Strassen des <hirendition="#k"><placeName>Hondžo</placeName></hi> sind weniger belebt als die der gegenüber-<lb/>
liegenden Stadttheile; man kommt an grossen Holzplätzen vorbei,<lb/>
dann auf ganz unbebaute Strecken, wo die Strassen nur abgesteckt<lb/>
sind und der Blick in weite Ferne schweift. <hirendition="#k">Gobiako-Lakan</hi> liegt<lb/>
so zu sagen auf freiem Felde. Der Haupttempel ist durch ein Erd-<lb/>
beben arg zusammengerüttelt und alle Bretter so kreuz und queer<lb/>
durcheinandergeschoben, dass man kaum begreift, wie sich der<lb/>
Bau noch aufrecht hält; die Aufstellung der fünfhundert Buddabilder<lb/>
in einem anderen Gebäude scheint nur provisorisch zu sein. Man<lb/>
tritt in eine schmale Gallerie, die, nach dem Inneren des Gebäudes<lb/>
offen, sanft ansteigend an den Wänden hinführt. Hier stehen die<lb/>
Bildsäulen mit dem Rücken gegen die Mauer; sie sind meist ver-<lb/>
goldet, von Holz oder Bronze, unter Lebensgrösse, und stellen den<lb/>
indischen Gott in allen möglichen Eigenschaften und Situationen<lb/>
dar. Manche sind vielarmig, die Hände halten dann jede ein beson-<lb/>
deres Symbol seiner Macht oder Thätigkeit. Von der ernsten<lb/>
plastischen Schönheit der älteren japanischen Bronzestatuen des<lb/>
Budda findet sich in diesen Bildwerken wenig; sie sind gechickt<lb/>
gearbeitet, aber von geringem Kunstwerth. — In einer Ecke des<lb/>
Tempelhofes steht das geräumige Wohnhaus der Bonzen, wo wir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0375]
V. Bootsfahrt. Gobiako-Lakan.
werden so wenig angestrichen als kleinere Schiffe, sehen aber trotz-
dem immer reinlich und neu aus; man findet kaum ein verwittertes
Fahrzeug.
Wir glitten sanft den Strom hinab, unter den vier grossen
immer sehr belebten Brücken hindurch; der Verkehr auf dem Fluss
scheint unbedeutend zu sein. Seine Ufer sind streckenweise mit
breiten Quais gesäumt; am westlichen liegen, recht in das Wasser
hineingebaut, viele Waarenspeicher und feuerfeste Packhäuser. —
Am Ausflusse des O-gava ankerten bei dem Marine-Arsenal zahl-
reiche Dschunken. Die Fahrt wandte sich nun rechts dem Seeufer
entlang, an grünen Batterieen und dem Sommersitze des Taïkūn
vorbei, dessen Gärten hinter Rasenwällen versteckt liegen. Weiter-
hin bogen die Boote in einen Einschnitt ein, wo uns am Landungs-
platze die Pferde erwarteten und schnell zum späten Mittagsmal
nach Akabane trugen.
Ein anderes Mal ritten wir nach Gobiako-Lakan, dem
Tempel der fünfhundert Bildsäulen, welcher jenseit des O-gava in
einem abgelegenen Theile des Hondžo liegt. Der Weg führt zuerst
durch das Handelsquartier, dann über eine der grossen Pfahlbrücken.
Die Strassen des Hondžo sind weniger belebt als die der gegenüber-
liegenden Stadttheile; man kommt an grossen Holzplätzen vorbei,
dann auf ganz unbebaute Strecken, wo die Strassen nur abgesteckt
sind und der Blick in weite Ferne schweift. Gobiako-Lakan liegt
so zu sagen auf freiem Felde. Der Haupttempel ist durch ein Erd-
beben arg zusammengerüttelt und alle Bretter so kreuz und queer
durcheinandergeschoben, dass man kaum begreift, wie sich der
Bau noch aufrecht hält; die Aufstellung der fünfhundert Buddabilder
in einem anderen Gebäude scheint nur provisorisch zu sein. Man
tritt in eine schmale Gallerie, die, nach dem Inneren des Gebäudes
offen, sanft ansteigend an den Wänden hinführt. Hier stehen die
Bildsäulen mit dem Rücken gegen die Mauer; sie sind meist ver-
goldet, von Holz oder Bronze, unter Lebensgrösse, und stellen den
indischen Gott in allen möglichen Eigenschaften und Situationen
dar. Manche sind vielarmig, die Hände halten dann jede ein beson-
deres Symbol seiner Macht oder Thätigkeit. Von der ernsten
plastischen Schönheit der älteren japanischen Bronzestatuen des
Budda findet sich in diesen Bildwerken wenig; sie sind gechickt
gearbeitet, aber von geringem Kunstwerth. — In einer Ecke des
Tempelhofes steht das geräumige Wohnhaus der Bonzen, wo wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/375>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.