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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Gang der Bekehrung. Franz Xaver.
Hoffahrt und frechen Zügellosigkeit der Bonzen. Nicht wenig wirkte
auch ihre Fähigkeit, den beständig mit Fragen auf sie eindringenden
Japanern über Naturerscheinungen, Probleme der Physik und Astro-
nomie neue und befriedigende Aufschlüsse geben zu können.

Der Gang der Bekehrung war an verschiedenen Orten ver-
schieden: bald schlug die neue Lehre bei dem Volke, bald bei den
höheren, den gebildeten Ständen zuerst Wurzel. Oft mussten die
Missionare durch Edicte der Landesherren und durch militärische
Wachen vor dem durch die Bonzen gegen sie aufgehetzten Pöbel
geschützt werden. Viele der Grossen begünstigten die Verbreitung
des Christenthumes unter dem Volke, ohne sich selbst zur Annahme
seiner strengen Tugendvorschriften entschliessen zu können. Die
Wohlhabenden entschlugen sich nur ungern der bequemen Lehre
der Bonzen. Die wenigsten Anhänger scheinen besonders die späteren
Missionare, die mit viel kirchlichem Gepränge auftraten, unter den
Jüngern der reinen Confuciuslehre, den götzen- und tempellosen
Secten gefunden zu haben, welche in ihren Schriften als Gottes-
leugner oft heftig verwünscht werden. --

Franz Xaver erreichte, begleitet von dem spanischen Jesuiten
Torres und den beiden bekehrten Japanern im Herbst des Jahres 15491549.
die Küste von Kiusiu und landete in Kangosima, der Vaterstadt des
Hansiro, dessen Familie ihn gastlich und liebevoll empfing. Er blieb
dort einige Zeit, um sich in der Landessprache zu vervollkommnen
und ein Compendium zu entwerfen, welches die Schöpfungsgeschichte,
die Lehre von der Einheit Gottes und das Mysterium Christi ent-
hielt. Dieses wurde mit Hülfe seines japanischen Freundes, der
portugiesisch gelernt hatte, japanisch mit lateinischen Lettern zum
Behufe des Vorlesens niedergeschrieben. So wurden die ersten
Bekehrungen bewerkstelligt. Franz Xaver gründete in Kangosima
eine kleine Gemeinde, ging aber, da der Landesherr, der Fürst von
Satsuma, theils auf die Verleumdungen der Bonzen, theils aus
Aerger darüber, dass die portugiesischen Schiffe in diesem Jahre

sie fragen beständig, ob es denn kein Mittel gebe, ihnen zu helfen, etwa durch
Almosen, Gebet oder andere Werke der Barmherzigkeit. Das macht ihnen den
grössten Schmerz .... Sie fragen, ob Gott selbst nicht aus der Hölle erlösen
könne und weshalb er die ewigen Strafen verhänge. Ich gebe ihnen geziemende
Antwort: sie weinen dann heftig, so dass auch ich oft nahe daran war, bei ihrem
Schluchzen in Thränen auszubrechen, da ich die Betrübniss meiner lieben und trauten
Freunde sah und nicht lindern konnte."

Gang der Bekehrung. Franz Xaver.
Hoffahrt und frechen Zügellosigkeit der Bonzen. Nicht wenig wirkte
auch ihre Fähigkeit, den beständig mit Fragen auf sie eindringenden
Japanern über Naturerscheinungen, Probleme der Physik und Astro-
nomie neue und befriedigende Aufschlüsse geben zu können.

Der Gang der Bekehrung war an verschiedenen Orten ver-
schieden: bald schlug die neue Lehre bei dem Volke, bald bei den
höheren, den gebildeten Ständen zuerst Wurzel. Oft mussten die
Missionare durch Edicte der Landesherren und durch militärische
Wachen vor dem durch die Bonzen gegen sie aufgehetzten Pöbel
geschützt werden. Viele der Grossen begünstigten die Verbreitung
des Christenthumes unter dem Volke, ohne sich selbst zur Annahme
seiner strengen Tugendvorschriften entschliessen zu können. Die
Wohlhabenden entschlugen sich nur ungern der bequemen Lehre
der Bonzen. Die wenigsten Anhänger scheinen besonders die späteren
Missionare, die mit viel kirchlichem Gepränge auftraten, unter den
Jüngern der reinen Confuciuslehre, den götzen- und tempellosen
Secten gefunden zu haben, welche in ihren Schriften als Gottes-
leugner oft heftig verwünscht werden. —

Franz Xaver erreichte, begleitet von dem spanischen Jesuiten
Torres und den beiden bekehrten Japanern im Herbst des Jahres 15491549.
die Küste von Kiusiu und landete in Kaṅgosima, der Vaterstadt des
Hansiro, dessen Familie ihn gastlich und liebevoll empfing. Er blieb
dort einige Zeit, um sich in der Landessprache zu vervollkommnen
und ein Compendium zu entwerfen, welches die Schöpfungsgeschichte,
die Lehre von der Einheit Gottes und das Mysterium Christi ent-
hielt. Dieses wurde mit Hülfe seines japanischen Freundes, der
portugiesisch gelernt hatte, japanisch mit lateinischen Lettern zum
Behufe des Vorlesens niedergeschrieben. So wurden die ersten
Bekehrungen bewerkstelligt. Franz Xaver gründete in Kaṅgosima
eine kleine Gemeinde, ging aber, da der Landesherr, der Fürst von
Satsuma, theils auf die Verleumdungen der Bonzen, theils aus
Aerger darüber, dass die portugiesischen Schiffe in diesem Jahre

sie fragen beständig, ob es denn kein Mittel gebe, ihnen zu helfen, etwa durch
Almosen, Gebet oder andere Werke der Barmherzigkeit. Das macht ihnen den
grössten Schmerz .... Sie fragen, ob Gott selbst nicht aus der Hölle erlösen
könne und weshalb er die ewigen Strafen verhänge. Ich gebe ihnen geziemende
Antwort: sie weinen dann heftig, so dass auch ich oft nahe daran war, bei ihrem
Schluchzen in Thränen auszubrechen, da ich die Betrübniss meiner lieben und trauten
Freunde sah und nicht lindern konnte.«
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[53/0083] Gang der Bekehrung. Franz Xaver. Hoffahrt und frechen Zügellosigkeit der Bonzen. Nicht wenig wirkte auch ihre Fähigkeit, den beständig mit Fragen auf sie eindringenden Japanern über Naturerscheinungen, Probleme der Physik und Astro- nomie neue und befriedigende Aufschlüsse geben zu können. Der Gang der Bekehrung war an verschiedenen Orten ver- schieden: bald schlug die neue Lehre bei dem Volke, bald bei den höheren, den gebildeten Ständen zuerst Wurzel. Oft mussten die Missionare durch Edicte der Landesherren und durch militärische Wachen vor dem durch die Bonzen gegen sie aufgehetzten Pöbel geschützt werden. Viele der Grossen begünstigten die Verbreitung des Christenthumes unter dem Volke, ohne sich selbst zur Annahme seiner strengen Tugendvorschriften entschliessen zu können. Die Wohlhabenden entschlugen sich nur ungern der bequemen Lehre der Bonzen. Die wenigsten Anhänger scheinen besonders die späteren Missionare, die mit viel kirchlichem Gepränge auftraten, unter den Jüngern der reinen Confuciuslehre, den götzen- und tempellosen Secten gefunden zu haben, welche in ihren Schriften als Gottes- leugner oft heftig verwünscht werden. — Franz Xaver erreichte, begleitet von dem spanischen Jesuiten Torres und den beiden bekehrten Japanern im Herbst des Jahres 1549 die Küste von Kiusiu und landete in Kaṅgosima, der Vaterstadt des Hansiro, dessen Familie ihn gastlich und liebevoll empfing. Er blieb dort einige Zeit, um sich in der Landessprache zu vervollkommnen und ein Compendium zu entwerfen, welches die Schöpfungsgeschichte, die Lehre von der Einheit Gottes und das Mysterium Christi ent- hielt. Dieses wurde mit Hülfe seines japanischen Freundes, der portugiesisch gelernt hatte, japanisch mit lateinischen Lettern zum Behufe des Vorlesens niedergeschrieben. So wurden die ersten Bekehrungen bewerkstelligt. Franz Xaver gründete in Kaṅgosima eine kleine Gemeinde, ging aber, da der Landesherr, der Fürst von Satsuma, theils auf die Verleumdungen der Bonzen, theils aus Aerger darüber, dass die portugiesischen Schiffe in diesem Jahre 61) 1549. 61) sie fragen beständig, ob es denn kein Mittel gebe, ihnen zu helfen, etwa durch Almosen, Gebet oder andere Werke der Barmherzigkeit. Das macht ihnen den grössten Schmerz .... Sie fragen, ob Gott selbst nicht aus der Hölle erlösen könne und weshalb er die ewigen Strafen verhänge. Ich gebe ihnen geziemende Antwort: sie weinen dann heftig, so dass auch ich oft nahe daran war, bei ihrem Schluchzen in Thränen auszubrechen, da ich die Betrübniss meiner lieben und trauten Freunde sah und nicht lindern konnte.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/83>, abgerufen am 23.11.2024.