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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Franz Xaver in Miako.
nicht in seine Häfen einliefen, ihm seine Gunst entzog und die Ver-
breitung des Christenthumes hemmte, bald nach Amangutsi, der
Hauptstadt der Landschaft Nangato. Das Ziel seiner Reise ist
Miako, wo er sich vom Oberhaupte des Reiches die Erlaubniss aus-
wirken will, überall in Japan predigen zu dürfen. Er erreicht die
Hauptstadt nach mühseliger gefahrvoller Reise, da Kriegerhorden und
Raubgesindel die Landstrassen unsicher machen, findet aber auch in
Miako nur Aufruhr, Anarchie und Zerstörung: die Centralregierung
ist in voller Auflösung. Vergebens versucht er auch in den Strassen
von Miako zu predigen, die Kriegsunruhen lassen kein anderes
Interesse aufkommen 62). Er kehrt daher nach Amangutsi zurück,
predigt dort, vom Landesherrn gütig aufgenommen, unter grossem
Zulauf, und tauft binnen zwei Monaten gegen fünfhundert Japaner,
darunter viele angesehene Männer, welche das Bekehrungswerk eifrig
fördern. In Amangutsi erhält Xaver eine Einladung des Fürsten
von Bungo, in dessen Häfen portugiesische Schiffe eingelaufen
waren; er wird auch hier ehrenvoll empfangen und führt, mit seinen
Landsleuten heimkehrend, einen Gesandten des Fürsten an den
Vicekönig von Indien mit sich nach Goa. Sein Aufenthalt in Japan
dauerte zwei und ein halbes Jahr: er ging nach Indien zurück, um
für die japanische Mission neue Kräfte zu werben.

Die Berichte des Franz Xaver athmen durchaus Wahrheit
und enthalten keine Spur von den Uebertreibungen und Wunder-
geschichten, welche spätere Autoren ihm angedichtet haben 63); sie
geben merkwürdige Aufschlüsse über die politischen und sittlichen
Zustände des damaligen Japan. Die Lehnsfürsten heissen bei ihm
Könige, der Siogun wird als König von Miako bezeichnet 64), die
Hauptstadt liegt in Schutt und Asche und die angrenzenden

62) .... "Sed frustra: minime regis mandatum expectare profuit cum subditi a
rege defecissent." Brief des Franz Xaver: er schildert die Verwüstung in Miako:
man gebe seine frühere Grösse auf 180,000 Häuser an, was ihm ganz glaublich
scheine, da auch jetzt noch gegen 100,000 ständen.
63) Auch von den schrecklichen Drangsalen der Armuth, die der grosse Be-
kehrer erlitten haben soll, weiss er selbst gar nichts, rühmt im Gegentheile die
Munificenz des portugiesischen Königs, der die kostbaren Reisen bezahlte, und nennt
die darauf verwendeten, für jene Zeit nicht unbeträchtlichen Summen.
64) "Sie haben einen einzigen König, dem sie aber schon seit 150 Jahren nicht
mehr gehorchen, desshalb bekriegen sie einander auch fortwährend." Brief des Franz
Xaver
. -- Am Volke rühmt er die Achtung vor den höheren Ständen, und dass den
Edelen dieselbe Ehre erwiesen werde, ob sie arm, ob reich seien.

Franz Xaver in Miako.
nicht in seine Häfen einliefen, ihm seine Gunst entzog und die Ver-
breitung des Christenthumes hemmte, bald nach Amaṅgutši, der
Hauptstadt der Landschaft Naṅgato. Das Ziel seiner Reise ist
Miako, wo er sich vom Oberhaupte des Reiches die Erlaubniss aus-
wirken will, überall in Japan predigen zu dürfen. Er erreicht die
Hauptstadt nach mühseliger gefahrvoller Reise, da Kriegerhorden und
Raubgesindel die Landstrassen unsicher machen, findet aber auch in
Miako nur Aufruhr, Anarchie und Zerstörung: die Centralregierung
ist in voller Auflösung. Vergebens versucht er auch in den Strassen
von Miako zu predigen, die Kriegsunruhen lassen kein anderes
Interesse aufkommen 62). Er kehrt daher nach Amaṅgutši zurück,
predigt dort, vom Landesherrn gütig aufgenommen, unter grossem
Zulauf, und tauft binnen zwei Monaten gegen fünfhundert Japaner,
darunter viele angesehene Männer, welche das Bekehrungswerk eifrig
fördern. In Amaṅgutši erhält Xaver eine Einladung des Fürsten
von Buṅgo, in dessen Häfen portugiesische Schiffe eingelaufen
waren; er wird auch hier ehrenvoll empfangen und führt, mit seinen
Landsleuten heimkehrend, einen Gesandten des Fürsten an den
Vicekönig von Indien mit sich nach Goa. Sein Aufenthalt in Japan
dauerte zwei und ein halbes Jahr: er ging nach Indien zurück, um
für die japanische Mission neue Kräfte zu werben.

Die Berichte des Franz Xaver athmen durchaus Wahrheit
und enthalten keine Spur von den Uebertreibungen und Wunder-
geschichten, welche spätere Autoren ihm angedichtet haben 63); sie
geben merkwürdige Aufschlüsse über die politischen und sittlichen
Zustände des damaligen Japan. Die Lehnsfürsten heissen bei ihm
Könige, der Siogun wird als König von Miako bezeichnet 64), die
Hauptstadt liegt in Schutt und Asche und die angrenzenden

62) .... »Sed frustra: minime regis mandatum expectare profuit cum subditi a
rege defecissent.« Brief des Franz Xaver: er schildert die Verwüstung in Miako:
man gebe seine frühere Grösse auf 180,000 Häuser an, was ihm ganz glaublich
scheine, da auch jetzt noch gegen 100,000 ständen.
63) Auch von den schrecklichen Drangsalen der Armuth, die der grosse Be-
kehrer erlitten haben soll, weiss er selbst gar nichts, rühmt im Gegentheile die
Munificenz des portugiesischen Königs, der die kostbaren Reisen bezahlte, und nennt
die darauf verwendeten, für jene Zeit nicht unbeträchtlichen Summen.
64) »Sie haben einen einzigen König, dem sie aber schon seit 150 Jahren nicht
mehr gehorchen, desshalb bekriegen sie einander auch fortwährend.« Brief des Franz
Xaver
. — Am Volke rühmt er die Achtung vor den höheren Ständen, und dass den
Edelen dieselbe Ehre erwiesen werde, ob sie arm, ob reich seien.
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[54/0084] Franz Xaver in Miako. nicht in seine Häfen einliefen, ihm seine Gunst entzog und die Ver- breitung des Christenthumes hemmte, bald nach Amaṅgutši, der Hauptstadt der Landschaft Naṅgato. Das Ziel seiner Reise ist Miako, wo er sich vom Oberhaupte des Reiches die Erlaubniss aus- wirken will, überall in Japan predigen zu dürfen. Er erreicht die Hauptstadt nach mühseliger gefahrvoller Reise, da Kriegerhorden und Raubgesindel die Landstrassen unsicher machen, findet aber auch in Miako nur Aufruhr, Anarchie und Zerstörung: die Centralregierung ist in voller Auflösung. Vergebens versucht er auch in den Strassen von Miako zu predigen, die Kriegsunruhen lassen kein anderes Interesse aufkommen 62). Er kehrt daher nach Amaṅgutši zurück, predigt dort, vom Landesherrn gütig aufgenommen, unter grossem Zulauf, und tauft binnen zwei Monaten gegen fünfhundert Japaner, darunter viele angesehene Männer, welche das Bekehrungswerk eifrig fördern. In Amaṅgutši erhält Xaver eine Einladung des Fürsten von Buṅgo, in dessen Häfen portugiesische Schiffe eingelaufen waren; er wird auch hier ehrenvoll empfangen und führt, mit seinen Landsleuten heimkehrend, einen Gesandten des Fürsten an den Vicekönig von Indien mit sich nach Goa. Sein Aufenthalt in Japan dauerte zwei und ein halbes Jahr: er ging nach Indien zurück, um für die japanische Mission neue Kräfte zu werben. Die Berichte des Franz Xaver athmen durchaus Wahrheit und enthalten keine Spur von den Uebertreibungen und Wunder- geschichten, welche spätere Autoren ihm angedichtet haben 63); sie geben merkwürdige Aufschlüsse über die politischen und sittlichen Zustände des damaligen Japan. Die Lehnsfürsten heissen bei ihm Könige, der Siogun wird als König von Miako bezeichnet 64), die Hauptstadt liegt in Schutt und Asche und die angrenzenden 62) .... »Sed frustra: minime regis mandatum expectare profuit cum subditi a rege defecissent.« Brief des Franz Xaver: er schildert die Verwüstung in Miako: man gebe seine frühere Grösse auf 180,000 Häuser an, was ihm ganz glaublich scheine, da auch jetzt noch gegen 100,000 ständen. 63) Auch von den schrecklichen Drangsalen der Armuth, die der grosse Be- kehrer erlitten haben soll, weiss er selbst gar nichts, rühmt im Gegentheile die Munificenz des portugiesischen Königs, der die kostbaren Reisen bezahlte, und nennt die darauf verwendeten, für jene Zeit nicht unbeträchtlichen Summen. 64) »Sie haben einen einzigen König, dem sie aber schon seit 150 Jahren nicht mehr gehorchen, desshalb bekriegen sie einander auch fortwährend.« Brief des Franz Xaver. — Am Volke rühmt er die Achtung vor den höheren Ständen, und dass den Edelen dieselbe Ehre erwiesen werde, ob sie arm, ob reich seien.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/84>, abgerufen am 23.05.2024.