[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Weihnachten. IX. tungen. Vor Allem galt es einen Weihnachtsbaum zu schaffen;einen Baum umzuhauen macht in Japan immer Schwierigkeit; wirk- liche Tannen sind zudem selten in Yeddo, und eine solche musste es durchaus sein; die Leute begriffen nicht was man wollte, brachten allerlei Zwergbäume und verkrüppelte Sträucher. Endlich setzte sich der eifrigste Festcommissar zu Pferde und eroberte nach meilen- weitem Umherreiten bei allen möglichen Kunstgärtnern ein präch- tiges Exemplar, unserer Edeltanne ganz ähnlich an Wuchs. -- Nun liessen wir sämmtliche Schiebewände aus den drei Empfangsgemächern des Gesandten und dem Vorzimmer, auch die ganze Wand nach der Veranda entfernen, so dass ein grosser Raum mit vielen Pfeilern entstand, von der jetzt nach aussen geschlossenen Veranda nur durch eine Pfostenreihe getrennt. Dann wurde Laub- und Nadel- grün herbeigeschafft, viele Pferdeladungen, und Wedel der Fächer- palme in grossen Haufen; -- die Gärtner liessen sich nur schwer und gegen gute Entschädigung zur Beraubung ihrer Bäume bewegen. Aber die Räume waren gross und Grünes niemals genug; man musste sich wieder und wieder zu Pferde setzen und neue Beutezüge machen mit den erstaunten Yakuninen, die garnicht begriffen was das Alles sollte. Endlich gelang es doch: der ganze Raum wurde in einen Wintergarten verwandelt, wo ausser dem Fussboden nur Grünes zu sehen war. Die Pfeiler stellten reich umrankte Palmen dar, deren Wipfel nach Art breiter Capitäle die Querbalken und den Plafond trugen, die Veranda einen Palmengang, oben zugewölbt durch die verwobenen Fächer der beiden Wipfelreihen. Alle Wände und Querbalken waren in dicke üppige Gewinde versteckt und von Pfeiler zu Pfeiler hingen reiche Festons. Zahllose blühende Camelien und Büschel rother Beeren sahen überall aus dem Grünen hervor; die Decoration selbst bestand grossentheils aus Camelien- und Cryptomerienzweigen. Von dem getäfelten Plafond war nichts zu sehen; wir hatten von beiden Seiten ausgewachsene grüne Bambusrohre querüber gespannt, deren feines üppiges Graslaub, die Rohre selbst verbergend, in leichten dichten Flocken herabhing, dazwischen zahl- lose Papierlampen, theils bunt, theils weiss mit dem schwarzen Adler; in der Veranda die lange Reihe der grossen Gesandtschafts- laternen mit dem Wappenadler und japanischer Inschrift, welche bei abendlichen Ausgängen unseren Norimons auf hohen Stangen vorgetragen zu werden pflegten, ein sonderbarer Anblick zwischen den Palmenwipfeln. Weihnachten. IX. tungen. Vor Allem galt es einen Weihnachtsbaum zu schaffen;einen Baum umzuhauen macht in Japan immer Schwierigkeit; wirk- liche Tannen sind zudem selten in Yeddo, und eine solche musste es durchaus sein; die Leute begriffen nicht was man wollte, brachten allerlei Zwergbäume und verkrüppelte Sträucher. Endlich setzte sich der eifrigste Festcommissar zu Pferde und eroberte nach meilen- weitem Umherreiten bei allen möglichen Kunstgärtnern ein präch- tiges Exemplar, unserer Edeltanne ganz ähnlich an Wuchs. — Nun liessen wir sämmtliche Schiebewände aus den drei Empfangsgemächern des Gesandten und dem Vorzimmer, auch die ganze Wand nach der Veranda entfernen, so dass ein grosser Raum mit vielen Pfeilern entstand, von der jetzt nach aussen geschlossenen Veranda nur durch eine Pfostenreihe getrennt. Dann wurde Laub- und Nadel- grün herbeigeschafft, viele Pferdeladungen, und Wedel der Fächer- palme in grossen Haufen; — die Gärtner liessen sich nur schwer und gegen gute Entschädigung zur Beraubung ihrer Bäume bewegen. Aber die Räume waren gross und Grünes niemals genug; man musste sich wieder und wieder zu Pferde setzen und neue Beutezüge machen mit den erstaunten Yakuninen, die garnicht begriffen was das Alles sollte. Endlich gelang es doch: der ganze Raum wurde in einen Wintergarten verwandelt, wo ausser dem Fussboden nur Grünes zu sehen war. Die Pfeiler stellten reich umrankte Palmen dar, deren Wipfel nach Art breiter Capitäle die Querbalken und den Plafond trugen, die Veranda einen Palmengang, oben zugewölbt durch die verwobenen Fächer der beiden Wipfelreihen. Alle Wände und Querbalken waren in dicke üppige Gewinde versteckt und von Pfeiler zu Pfeiler hingen reiche Festons. Zahllose blühende Camelien und Büschel rother Beeren sahen überall aus dem Grünen hervor; die Decoration selbst bestand grossentheils aus Camelien- und Cryptomerienzweigen. Von dem getäfelten Plafond war nichts zu sehen; wir hatten von beiden Seiten ausgewachsene grüne Bambusrohre querüber gespannt, deren feines üppiges Graslaub, die Rohre selbst verbergend, in leichten dichten Flocken herabhing, dazwischen zahl- lose Papierlampen, theils bunt, theils weiss mit dem schwarzen Adler; in der Veranda die lange Reihe der grossen Gesandtschafts- laternen mit dem Wappenadler und japanischer Inschrift, welche bei abendlichen Ausgängen unseren Norimons auf hohen Stangen vorgetragen zu werden pflegten, ein sonderbarer Anblick zwischen den Palmenwipfeln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0142" n="122"/><fw place="top" type="header">Weihnachten. IX.</fw><lb/> tungen. 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Weihnachten. IX.
tungen. Vor Allem galt es einen Weihnachtsbaum zu schaffen;
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liche Tannen sind zudem selten in Yeddo, und eine solche musste
es durchaus sein; die Leute begriffen nicht was man wollte, brachten
allerlei Zwergbäume und verkrüppelte Sträucher. Endlich setzte
sich der eifrigste Festcommissar zu Pferde und eroberte nach meilen-
weitem Umherreiten bei allen möglichen Kunstgärtnern ein präch-
tiges Exemplar, unserer Edeltanne ganz ähnlich an Wuchs. — Nun
liessen wir sämmtliche Schiebewände aus den drei Empfangsgemächern
des Gesandten und dem Vorzimmer, auch die ganze Wand nach
der Veranda entfernen, so dass ein grosser Raum mit vielen Pfeilern
entstand, von der jetzt nach aussen geschlossenen Veranda nur
durch eine Pfostenreihe getrennt. Dann wurde Laub- und Nadel-
grün herbeigeschafft, viele Pferdeladungen, und Wedel der Fächer-
palme in grossen Haufen; — die Gärtner liessen sich nur schwer
und gegen gute Entschädigung zur Beraubung ihrer Bäume bewegen.
Aber die Räume waren gross und Grünes niemals genug; man
musste sich wieder und wieder zu Pferde setzen und neue Beutezüge
machen mit den erstaunten Yakuninen, die garnicht begriffen was
das Alles sollte. Endlich gelang es doch: der ganze Raum wurde
in einen Wintergarten verwandelt, wo ausser dem Fussboden nur
Grünes zu sehen war. Die Pfeiler stellten reich umrankte Palmen
dar, deren Wipfel nach Art breiter Capitäle die Querbalken und den
Plafond trugen, die Veranda einen Palmengang, oben zugewölbt
durch die verwobenen Fächer der beiden Wipfelreihen. Alle Wände
und Querbalken waren in dicke üppige Gewinde versteckt und von
Pfeiler zu Pfeiler hingen reiche Festons. Zahllose blühende Camelien
und Büschel rother Beeren sahen überall aus dem Grünen hervor;
die Decoration selbst bestand grossentheils aus Camelien- und
Cryptomerienzweigen. Von dem getäfelten Plafond war nichts zu sehen;
wir hatten von beiden Seiten ausgewachsene grüne Bambusrohre
querüber gespannt, deren feines üppiges Graslaub, die Rohre selbst
verbergend, in leichten dichten Flocken herabhing, dazwischen zahl-
lose Papierlampen, theils bunt, theils weiss mit dem schwarzen
Adler; in der Veranda die lange Reihe der grossen Gesandtschafts-
laternen mit dem Wappenadler und japanischer Inschrift, welche
bei abendlichen Ausgängen unseren Norimons auf hohen Stangen
vorgetragen zu werden pflegten, ein sonderbarer Anblick zwischen
den Palmenwipfeln.
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