Die Vorbereitung selbst war ein rechtes Fest; fünf Seesoldaten arbeiteten, anfangs ungeschickt, dann aber mit wachsender Leiden- schaft kränzewindend mehrere Tage von früh bis spät, und die japanischen Hausdiener reichten hülfreiche Hand. Wir wurden erst im letzten Augenblick fertig und liessen den Gesandten nicht eher hinein. Er kam am heiligen Abend gegen fünf Uhr von einer Con- ferenz beim Minister des Auswärtigen und freute sich sichtlich über unsere Arbeit. Der prächtige Weihnachtsbaum reichte bis unter die Decke, Apfelsinen und Birnen hingen in Menge daran; es fehlte auch nicht an Verzierungen aus buntem Papier, an kunstreichem Zuckerwerk und Wachslichten, soviel er tragen konnte. Die Ge- schenke der preussischen Regierung für den Taikun, darunter das lebensgrosse Bildniss Seiner Majestät König Wilhelm's, die guss- eisernen Säulen mit den Amazonengruppen von Bläser und andere schöne Sachen, waren eben ausgepackt worden und zierten nicht wenig unseren Festraum.
Um halb sechs wurde gegessen, um halb acht steckten wir an; bald darauf kamen die Gäste, General Sir Hope Grant mit Lady Grant und zwei Adjutanten, Herr Alcock mit drei Attache's, der niederländische General-Consul Herr De Witt, Consul Polsbroek und vor Allen Freund Heusken, welchem ein besonderer Tisch auf- gebaut war. Sämmtliche Expeditions-Mitglieder waren eingeladen, auch Capitän Jachmann kam zu Pferde aus Kanagava herüber; der Commodore und die übrigen See-Officiere dagegen begingen das Fest auf den Schiffen.
Anstatt einander zu beschenken hatten wir Bewohner von Akabane Jeder etwa ein Dutzend Kleinigkeiten japanischer Arbeit zur Verloosung eingeliefert, darunter Lack- und Bronze-Sachen, Hausrath, Scherze und Atrappen aller Art, zusammen gegen zwei- hundert Stücke und ein so buntes Durcheinander, wie nur jemals auf einem Weihnachtstisch zu sehen war. Die Verloosung machte viel Spass, da Fortuna, so blind wie gewöhnlich, den Meisten grade das zuschanzte was sie am wenigsten brauchten. Unsere Gäste schienen Geschmack am deutschen Weihnachten zu finden, besonders Lady Grant und der treffliche Heusken, dessen liebenswürdiges Gemüth für jede Freude und Freundschaftsäusserung so offen und empfänglich und diesmal von den Zeichen unserer Anhänglichkeit ganz betroffen war. -- Wir schieden erst spät von einander und suchten ermüdet das Lager, aber der Jubel aus den Hinterzimmern, wo unsere Leute
IX. Weihnachten.
Die Vorbereitung selbst war ein rechtes Fest; fünf Seesoldaten arbeiteten, anfangs ungeschickt, dann aber mit wachsender Leiden- schaft kränzewindend mehrere Tage von früh bis spät, und die japanischen Hausdiener reichten hülfreiche Hand. Wir wurden erst im letzten Augenblick fertig und liessen den Gesandten nicht eher hinein. Er kam am heiligen Abend gegen fünf Uhr von einer Con- ferenz beim Minister des Auswärtigen und freute sich sichtlich über unsere Arbeit. Der prächtige Weihnachtsbaum reichte bis unter die Decke, Apfelsinen und Birnen hingen in Menge daran; es fehlte auch nicht an Verzierungen aus buntem Papier, an kunstreichem Zuckerwerk und Wachslichten, soviel er tragen konnte. Die Ge- schenke der preussischen Regierung für den Taïkūn, darunter das lebensgrosse Bildniss Seiner Majestät König Wilhelm’s, die guss- eisernen Säulen mit den Amazonengruppen von Bläser und andere schöne Sachen, waren eben ausgepackt worden und zierten nicht wenig unseren Festraum.
Um halb sechs wurde gegessen, um halb acht steckten wir an; bald darauf kamen die Gäste, General Sir Hope Grant mit Lady Grant und zwei Adjutanten, Herr Alcock mit drei Attaché’s, der niederländische General-Consul Herr De Witt, Consul Polsbroek und vor Allen Freund Heusken, welchem ein besonderer Tisch auf- gebaut war. Sämmtliche Expeditions-Mitglieder waren eingeladen, auch Capitän Jachmann kam zu Pferde aus Kanagava herüber; der Commodore und die übrigen See-Officiere dagegen begingen das Fest auf den Schiffen.
Anstatt einander zu beschenken hatten wir Bewohner von Akabane Jeder etwa ein Dutzend Kleinigkeiten japanischer Arbeit zur Verloosung eingeliefert, darunter Lack- und Bronze-Sachen, Hausrath, Scherze und Atrappen aller Art, zusammen gegen zwei- hundert Stücke und ein so buntes Durcheinander, wie nur jemals auf einem Weihnachtstisch zu sehen war. Die Verloosung machte viel Spass, da Fortuna, so blind wie gewöhnlich, den Meisten grade das zuschanzte was sie am wenigsten brauchten. Unsere Gäste schienen Geschmack am deutschen Weihnachten zu finden, besonders Lady Grant und der treffliche Heusken, dessen liebenswürdiges Gemüth für jede Freude und Freundschaftsäusserung so offen und empfänglich und diesmal von den Zeichen unserer Anhänglichkeit ganz betroffen war. — Wir schieden erst spät von einander und suchten ermüdet das Lager, aber der Jubel aus den Hinterzimmern, wo unsere Leute
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IX. Weihnachten.
Die Vorbereitung selbst war ein rechtes Fest; fünf Seesoldaten
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schaft kränzewindend mehrere Tage von früh bis spät, und die
japanischen Hausdiener reichten hülfreiche Hand. Wir wurden erst
im letzten Augenblick fertig und liessen den Gesandten nicht eher
hinein. Er kam am heiligen Abend gegen fünf Uhr von einer Con-
ferenz beim Minister des Auswärtigen und freute sich sichtlich über
unsere Arbeit. Der prächtige Weihnachtsbaum reichte bis unter die
Decke, Apfelsinen und Birnen hingen in Menge daran; es fehlte
auch nicht an Verzierungen aus buntem Papier, an kunstreichem
Zuckerwerk und Wachslichten, soviel er tragen konnte. Die Ge-
schenke der preussischen Regierung für den Taïkūn, darunter das
lebensgrosse Bildniss Seiner Majestät König Wilhelm’s, die guss-
eisernen Säulen mit den Amazonengruppen von Bläser und andere
schöne Sachen, waren eben ausgepackt worden und zierten nicht
wenig unseren Festraum.
Um halb sechs wurde gegessen, um halb acht steckten wir
an; bald darauf kamen die Gäste, General Sir Hope Grant mit
Lady Grant und zwei Adjutanten, Herr Alcock mit drei Attaché’s,
der niederländische General-Consul Herr De Witt, Consul Polsbroek
und vor Allen Freund Heusken, welchem ein besonderer Tisch auf-
gebaut war. Sämmtliche Expeditions-Mitglieder waren eingeladen,
auch Capitän Jachmann kam zu Pferde aus Kanagava herüber; der
Commodore und die übrigen See-Officiere dagegen begingen das Fest
auf den Schiffen.
Anstatt einander zu beschenken hatten wir Bewohner von
Akabane Jeder etwa ein Dutzend Kleinigkeiten japanischer Arbeit
zur Verloosung eingeliefert, darunter Lack- und Bronze-Sachen,
Hausrath, Scherze und Atrappen aller Art, zusammen gegen zwei-
hundert Stücke und ein so buntes Durcheinander, wie nur jemals
auf einem Weihnachtstisch zu sehen war. Die Verloosung machte
viel Spass, da Fortuna, so blind wie gewöhnlich, den Meisten grade das
zuschanzte was sie am wenigsten brauchten. Unsere Gäste schienen
Geschmack am deutschen Weihnachten zu finden, besonders Lady
Grant und der treffliche Heusken, dessen liebenswürdiges Gemüth
für jede Freude und Freundschaftsäusserung so offen und empfänglich
und diesmal von den Zeichen unserer Anhänglichkeit ganz betroffen
war. — Wir schieden erst spät von einander und suchten ermüdet
das Lager, aber der Jubel aus den Hinterzimmern, wo unsere Leute
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/143>, abgerufen am 21.11.2024.
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