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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Vertrags-Verhandlungen. IX.
aber der dolmetschende Moriyama mag selbst wenig von seinen
Auseinandersetzungen verstanden haben, und man muss gestehen,
dass es auch für den gebildeten Japaner eine starke Zumuthung
ist, die complicirten Verhältnisse des deutschen Bundes und des
Zollvereins, die Stellung der kleineren Staaten, die Verschieden-
artigkeit der politischen und commerciellen Beziehungen fassen zu
sollen, die uns selbst so viel Kopfbrechens zu machen pflegen.
Die einfache Definition des Begriffes "Zoll- und Handelsverein"
genügte keineswegs, da die Kreuz- und Querfragen der Japaner
den Gesandten immer wieder auf das weite Feld verschlugen.
"Gehört Oestreich zum Zollverein?" "Haben alle Zollvereins-Staaten
gleiche Regierungsform?" "War Preussen nicht einst wie Amerika
eine Republik aus verschiedenen Staaten unter einem Präsidenten?"
"Haben die zerstreut liegenden Landestheile immer zu Preussen
gehört oder sind sie allmälich erworben worden?" "Hat sich der
Zollverein schon vor langer Zeit gebildet und auf welche Weise?"
"Warum sind die mecklenburgischen Herzogthümer und die Hanse-
städte ausgeschlossen, warum Oestreich?" "In welchem Verhältniss
stehen die Zollvereins-Staaten zu einander und nach welchem
Maasstabe werden die Zölle vertheilt?" "Treibt Preussen mehr
Handel als die anderen Staaten? weshalb will es einen Vertrag
für alle machen? warum beanspruchen die Hansestädte trotzdem
eine abgesonderte Vertretung?" -- Wer einmal die Fragen eines
neugierigen Kindes nach Gegenständen die über seine Fassungs-
kraft gehen, oder nach Dingen deren vernünftigen Zusammenhang
kein Menschenverstand zu ergründen vermag, auszudulden gehabt
hat, kann sich einen Begriff machen von des Gesandten Ge-
müthsverfassung bei diesem Verhör. Es war als wollte Muragaki
alle verfänglichen Fragen rächen, mit denen er seine Vorgänger
jemals gepeinigt hatte. Graf Eulenburg antwortete auf Alles
sehr ausführlich und mit exemplarischer Geduld; er suchte unter
Vorlegung der Zollvereins-Verträge mit England, Sardinien,
Persien und anderen Staaten den Japanern begreiflich zu machen,
wie Preussen durch seine politische Stellung der natürliche Ver-
treter von Norddeutschland gegenüber dem Auslande und als
solcher allgemein anerkannt sei, aber ihre Gesichter wurden immer
länger: "Man habe geglaubt, es handele sich um einen Vertrag
mit einem Reiche, mit Preussen, und nun solle man mit einigen
dreissig abschliessen; Japan könne unmöglich so viele Völker

Vertrags-Verhandlungen. IX.
aber der dolmetschende Moriyama mag selbst wenig von seinen
Auseinandersetzungen verstanden haben, und man muss gestehen,
dass es auch für den gebildeten Japaner eine starke Zumuthung
ist, die complicirten Verhältnisse des deutschen Bundes und des
Zollvereins, die Stellung der kleineren Staaten, die Verschieden-
artigkeit der politischen und commerciellen Beziehungen fassen zu
sollen, die uns selbst so viel Kopfbrechens zu machen pflegen.
Die einfache Definition des Begriffes »Zoll- und Handelsverein«
genügte keineswegs, da die Kreuz- und Querfragen der Japaner
den Gesandten immer wieder auf das weite Feld verschlugen.
»Gehört Oestreich zum Zollverein?« »Haben alle Zollvereins-Staaten
gleiche Regierungsform?« »War Preussen nicht einst wie Amerika
eine Republik aus verschiedenen Staaten unter einem Präsidenten?«
»Haben die zerstreut liegenden Landestheile immer zu Preussen
gehört oder sind sie allmälich erworben worden?« »Hat sich der
Zollverein schon vor langer Zeit gebildet und auf welche Weise?«
»Warum sind die mecklenburgischen Herzogthümer und die Hanse-
städte ausgeschlossen, warum Oestreich?« »In welchem Verhältniss
stehen die Zollvereins-Staaten zu einander und nach welchem
Maasstabe werden die Zölle vertheilt?« »Treibt Preussen mehr
Handel als die anderen Staaten? weshalb will es einen Vertrag
für alle machen? warum beanspruchen die Hansestädte trotzdem
eine abgesonderte Vertretung?« — Wer einmal die Fragen eines
neugierigen Kindes nach Gegenständen die über seine Fassungs-
kraft gehen, oder nach Dingen deren vernünftigen Zusammenhang
kein Menschenverstand zu ergründen vermag, auszudulden gehabt
hat, kann sich einen Begriff machen von des Gesandten Ge-
müthsverfassung bei diesem Verhör. Es war als wollte Muragaki
alle verfänglichen Fragen rächen, mit denen er seine Vorgänger
jemals gepeinigt hatte. Graf Eulenburg antwortete auf Alles
sehr ausführlich und mit exemplarischer Geduld; er suchte unter
Vorlegung der Zollvereins-Verträge mit England, Sardinien,
Persien und anderen Staaten den Japanern begreiflich zu machen,
wie Preussen durch seine politische Stellung der natürliche Ver-
treter von Norddeutschland gegenüber dem Auslande und als
solcher allgemein anerkannt sei, aber ihre Gesichter wurden immer
länger: »Man habe geglaubt, es handele sich um einen Vertrag
mit einem Reiche, mit Preussen, und nun solle man mit einigen
dreissig abschliessen; Japan könne unmöglich so viele Völker

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[128/0148] Vertrags-Verhandlungen. IX. aber der dolmetschende Moriyama mag selbst wenig von seinen Auseinandersetzungen verstanden haben, und man muss gestehen, dass es auch für den gebildeten Japaner eine starke Zumuthung ist, die complicirten Verhältnisse des deutschen Bundes und des Zollvereins, die Stellung der kleineren Staaten, die Verschieden- artigkeit der politischen und commerciellen Beziehungen fassen zu sollen, die uns selbst so viel Kopfbrechens zu machen pflegen. Die einfache Definition des Begriffes »Zoll- und Handelsverein« genügte keineswegs, da die Kreuz- und Querfragen der Japaner den Gesandten immer wieder auf das weite Feld verschlugen. »Gehört Oestreich zum Zollverein?« »Haben alle Zollvereins-Staaten gleiche Regierungsform?« »War Preussen nicht einst wie Amerika eine Republik aus verschiedenen Staaten unter einem Präsidenten?« »Haben die zerstreut liegenden Landestheile immer zu Preussen gehört oder sind sie allmälich erworben worden?« »Hat sich der Zollverein schon vor langer Zeit gebildet und auf welche Weise?« »Warum sind die mecklenburgischen Herzogthümer und die Hanse- städte ausgeschlossen, warum Oestreich?« »In welchem Verhältniss stehen die Zollvereins-Staaten zu einander und nach welchem Maasstabe werden die Zölle vertheilt?« »Treibt Preussen mehr Handel als die anderen Staaten? weshalb will es einen Vertrag für alle machen? warum beanspruchen die Hansestädte trotzdem eine abgesonderte Vertretung?« — Wer einmal die Fragen eines neugierigen Kindes nach Gegenständen die über seine Fassungs- kraft gehen, oder nach Dingen deren vernünftigen Zusammenhang kein Menschenverstand zu ergründen vermag, auszudulden gehabt hat, kann sich einen Begriff machen von des Gesandten Ge- müthsverfassung bei diesem Verhör. Es war als wollte Muragaki alle verfänglichen Fragen rächen, mit denen er seine Vorgänger jemals gepeinigt hatte. Graf Eulenburg antwortete auf Alles sehr ausführlich und mit exemplarischer Geduld; er suchte unter Vorlegung der Zollvereins-Verträge mit England, Sardinien, Persien und anderen Staaten den Japanern begreiflich zu machen, wie Preussen durch seine politische Stellung der natürliche Ver- treter von Norddeutschland gegenüber dem Auslande und als solcher allgemein anerkannt sei, aber ihre Gesichter wurden immer länger: »Man habe geglaubt, es handele sich um einen Vertrag mit einem Reiche, mit Preussen, und nun solle man mit einigen dreissig abschliessen; Japan könne unmöglich so viele Völker

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/148>, abgerufen am 24.11.2024.